Ludwigshafen Ein Tenor wie aus dem Bilderbuch

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Ein Klassiker des Mannheimer Repertoires von inzwischen fast schon historischer Dimension ging beim dritten Festlichen Opernabend zum 179. Mal über die Bühne des Nationaltheaters: Friedrich Meyer-Oertels Inszenierung von Johann Strauß’ „Fledermaus“, die am 31. Januar 1978 Premiere hatte. Gala-Gäste waren zwei international gefragte Tenöre: Nikolai Schukoff als Eisenstein und Michael Schade als Alfred. Alexander Soddy dirigierte.

Michael Schade, der prominentere der beiden Gastsänger, ist regelmäßig präsent auf den prestigeträchtigsten Bühnen und in den Konzertsälen der Welt sowie bei den traditionsreichsten Festivals, kurz, überall, wo es sich für einen Spitzensänger aufzutreten lohnt. Sein Stammhaus ist die Wiener Staatsoper. In Mannheim profilierte sich jetzt der deutsch-kanadische Tenor als überlegener Könner und gewandter, sehr wendiger Darsteller. Sein mit Bühnentemperament und komödiantischem Witz verkörperter Alfred geriet zur unterhaltsamen, pfiffigen Parodie des Tenors, wie er im Bilderbuch steht. Ebenfalls vollkommen sicher beherrschte Schade seine Partie sängerisch, allerdings klang seine Stimme etwas verengt, fest und zu offen. Schukoff, ehemaliges Ensemblemitglied des Nationaltheaters, zeichnete seinerseits, spielfreudig agierend und mit tenoralem Wohllaut, ein glaubhaftes Rollenporträt des Schwerenöters, Hallodris, feurigen Draufgängers und jähzornigen, eifersüchtigen Haudegens Eisenstein. Im Ensemble des zweiten Akts stach indes sein Part mitunter unkontrolliert aus dem Gesamtklang heraus. Die vokalen Glanzleistungen des Abends lieferten daher zwei Sängerinnen aus dem hauseigenen Ensemble ab: Astrid Kessler als Rosalinde und Vera-Lotte Böcker als Adele. Beide standen für exquisite Sopranqualität und virtuosen Ziergesang ein, beide wussten auch musikalisch wie schauspielerisch zu überzeugen. Bemerkenswerte Beiträge sind auch den weiteren beteiligten Ensemblemitgliedern zu bescheinigen. So war Thomas Berau, sängerisch ohne Fehl und Tadel, in der Rolle des Falke ein souveräner Drahtzieher des Maskenspiels, Maria Markina gab humorvoll die Hosenrolle des Prinzen Orlofsky, und Thomas Jesatko als Gefängnisdirektor Frank erwies sich als exzellenter Komödiant. Zuverlässig agierte Christopher Diffey als Advokat Blind. Und als betrunkener Gefängniswärter Frosch servierte Uwe Schönbeck überaus geläufig die einschlägigen Kabinettstücke. In besten Händen waren die musikalischen Geschicke der Aufführung bei Alexander Soddy. Mannheims neuer Generalmusikdirektor disponierte mit sicherer Hand, zündendem Temperament und sehr elegant. Und Friedrich Meyer-Oertels Regie befand sich in perfektem Einklang mit der Tradition. Als sich der Vorhang zum zweiten Akt hob und den Blick auf den opulent, mit verschwenderischer Pracht eingerichteten Prunksalon in Prinz Orlofskys Luxusvilla freigab, brandete tosender Beifall auf. Vermutlich wurden in dem Moment wehmütig selige Erinnerungen an eine heile Opern- und Operettenwelt wach.

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