Ludwigshafen „Ein Kindlein ist uns heut’ geborn“
Über elf Jahrhunderte, vom 11. bis zum 21. Jahrhundert, spannte sich der Bogen der Lieder, den der Chor für Geistliche Musik Ludwigshafen bei seinem Weihnachtskonzert in der Apostelkirche beschrieb. Wieder einmal hat der Chor unter seiner Leiterin Christiane Michel-Ostertun dabei demonstriert, dass er allen Stilarten gerecht werden und klangvoll und klar singen kann.
Der Abend war spannend und abwechslungsreich. Wie gewohnt, bezog Christiane Michel-Ostertun auch die Zuhörer mit ein, durchaus mit anspruchsvollen Aufgaben. Das kam bestens an. Die Zuhörer in der voll besetzten Apostelkirche feierten Chor und Dirigentin mit langanhaltendem und rhythmischem Applaus und erklatschten sich gleich drei Zugaben. Mit „Gott, heilger Schöpfer aller Stern“, einer um das Jahr 1000 entstandenen Melodie in einer stilgerechten Fassung des zeitgenössischen Komponisten Helmut Brand, zog der Chor in die Kirche ein und gab so einen eindrucksvollen Auftakt. Es folgten drei Sätze aus dem 15. Jahrhundert von Adam Gumpelzhaimer, Johann Hermann Schein und Michael Praetorius, die als Beispiele für den sogenannten Kantionalsatz dienten, das ist ein vierstimmiger homophoner Satz mit der Melodie in der Oberstimme. Der Chor konnte hierbei alle seine Qualitäten zeigen: ein sonorer, voller Klang, intonatorische und rhythmische Präzision und nicht zuletzt eine großartige Klangbalance. Wie gut Christiane Michel-Ostertun diese Balance, das Verhältnis der Stimmen zueinander zu steuern weiß, demonstrierte sie, indem sie die erste Strophe des Praetorius-Satzes viermal singen und dabei jedesmal eine andere Stimme hervortreten ließ, um die Kunstfertigkeit des Satzes zu verdeutlichen. Präsent zeigten sich die Sängerinnen und Sänger beim schellen Wechselspiel zwischen rhythmisch markanter Homophonie und ausgeprägter Polyphonie in der Motette „Ein Kindlein ist uns heut’ geborn“ des flämischen Renaissance-Meisters Jacobus Clemens non Papa. Der barocken Polyphonie huldigte Andreas Hammerschmidts „Lob, Ehr’ sei Gott im höchsten Thron“. Bei der ersten und fünften Strophe von „Nun komm der Heiden Heiland“ (die restlichen übernahmen Chor, Blockflöte und Orgel) und bei „Herbei nun ihr Gläubigen“ wurden auch die Zuhörer zum Mitsingen gebeten. In ihrem eigenen Satz von „Der Heiland ist geboren“ ließ Christiane Michel-Ostertun die Zuhörer gar die nur aus zwei Tönen bestehende, aber nicht notierte Begleitstimme singen. So erwies sich die Chorleiterin als hervorragende Gesangserzieherin, die Leute in den Kirchenbänken bewiesen, dass sie musikalisch sind. Ganz anderes klingt die Musik der Klassik. Nicht mehr so streng konstruiert, mehr kantabel und von Gefühl bestimmt. Ausdrucksstark und dynamisch differenziert, erklang Glucks „Hoch tut Euch auf, ihr Tore der Welt“, das wie ein Wegbereiter für die subjektive, harmonisch komplexe Tonwelt der Spätromantik eines Joseph Rheinberger oder Max Reger wirkte, deren Sätze farbenreich gesungen wurden. Als erfrischender Kontrast zu diesen introspektiven dunklen Stücken wirkte das jazzig-swingend vorgetragene Spiritual „Mary Had a Baby“. Zum Schluss noch zweimal Christiane Michel-Ostertun: einmal mit einer Vertonung des Textes „Heute wie damals“ von Ulrike Krumm im Stil einer eingängigen Moderne, dann mit einem speziellen Satz von „O du fröhliche“, wobei das Lied von der Gemeinde gesungen wurde und vom Chor mit jubilierenden „Gloria“-Überstimmen bereichert wurde. Schöne instrumentale Beiträge lieferten Elisabeth Löser auf der Blockflöte, begleitet von Philipp Seiler auf der Orgel, mit einem Variationszyklus aus dem 17. Jahrhundert und einem Stück von Hans Jürgen Hufeisen, sowie der Trompeter Helmut Werron.