Ludwigshafen Ein Brüllwürfel und ein Haar von Jürgen Drews

Oppaus Ortsvorsteher Udo Scheuermann kennt jeden Winkel der Halle. „Als Fernmeldetechniker der Bundespost war ich von 1968 bis 1987 im Bereich Ton- und Fernsehübertragungsbetrieb tätig. Daher sind mir die Fernsehsendungen von ZDF und SWF noch gut in Erinnerung“, sagt der SPD-Politiker. Die Rede ist von Live-Übertragungen wie „Wetten, dass?“, „Einer wird gewinnen“ oder „Auf los geht’s los“, aber auch von Bundesparteitagen der SPD oder der CDU. „Teilweise war ich bis spät in der Nacht in der Halle oder im Ü-Wagen der Bundespost, um den Ton und die Kommandoleitungen mit guter Qualität zu den Sendern zu bringen“, erzählt er. Dabei musste er einige schwierige Augenblicke meistern. Als bei der Judo-WM 1971 die ersten Reporter ihre Kommentare auf Sendung schicken wollten, sei es zu einem Kabelfehler auf der Übertragungsstrecke gekommen. „Nur durch sofortiges Umschalten auf Ersatzleitungen gelang es mir, die Sendebeiträge zur richtigen Hörfunkanstalt zu bringen“, berichtet Scheuermann. Über die Jahre habe er viele Showmaster wie Peter Frankenfeld, Dieter Thomas Heck, Thomas Gottschalk oder Hans Joachim Kulenkampff kennengelernt. „Es bleibt für mich eine schöne Erinnerung an die Zeit, in der man bei den Proben mit vielen Künstlern zusammenkam“, blickt er gerne zurück. RHEINPFALZ-Sportredakteur Klaus Kullmann erinnert sich an einen seiner ersten Termine als damals 20-jähriger Mitarbeiter: „Es war im November 1976, Holiday on Ice gastierte zum wiederholten Male in der Eberthalle. Mit dabei: Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler, das deutsche Traumpaar der 50er und 60er-Jahre. Die Olympiazweiten von 1964, die Welt- und Europameister. Nur: Sie liefen anonym. Weder das Programmheft noch der Ansager verrieten ihre Namen. Der Grund: Sie hatten einen Vertrag mit der Revue, wonach sie ihre Premiere offiziell erst am 18. November in Hamburg geben durften. Und Interviews waren schon mal gar nicht drin. Die Rückkehr von Kilius/Bäumler aufs Eis war damals eine Sensation. Und die vier Auftritte zu „Madame Butterfly“ in Ludwigshafen geheime Sache. Marika Kilius war seit vier Jahren, Hans-Jürgen Bäumler seit 14 Monaten nicht mehr auf dem Eis. Sie mussten also auf der recht kleinen Eisfläche üben und sich an die Lichteffekte gewöhnen, bevor sie sich dem Premierenpublikum stellten. Aber sie hatten die Rechnung ohne die RHEINPFALZ gemacht. Kullmann hatte sie als Besucher erkannt. Am nächsten Tag bestand er am Hintereingang der Eberthalle hartnäckig auf ein Interview. Das Duo ließ sich verleugnen, bis Bäumler zufällig aus der Garderobe kam und der junge Journalist „Hallo, Herr Bäumler“ rief. Dieser reagierte mit einem „So ein Schmarr’n“ und erklärte sich kurzerhand zum Gespräch bereit. Einzige Bedingung: Der RHEINPFALZ-Artikel durfte erst nach der Premiere in Hamburg erscheinen. „Wir dachten, wir würden nicht erkannt“, untertrieb der damals 34-jährige Bäumler stark. Am 27. Februar 1977 haben sich die beiden endgültig von der großen Bühne des Sports verabschiedet. Die texanische Rockformation ZZ Top, zu deren Markenzeichen die langen Rauschebärte gehören, hat Rolf-Jürgen Gilcher aus Wiesweiler im November 1983 beim Auftritt in der Eberthalle live erlebt. „Es war das Konzert nach der Veröffentlichung des Albums Eliminator“, erinnert er sich. Zwei Jahre davor hatte er bereits das A-Konzert von Jethro Tull besucht. Dabei verwunderte ihn, dass die gesamte Halle bestuhlt war. Denn für eine solche Vorstellung sei das schon außergewöhnlich gewesen. Rainer Engel aus Waldsee hat Casey Jones & The Governors in der Eberthalle gehört, die den Song „Don’t ha ha“ zum Besten gaben. Das Vorprogramm gestalteten The Lords. Der Auftritt habe bereits am 30. April 1965 stattgefunden, sei also der erste einer Rockband im damals noch jungen Veranstaltungshaus gewesen. Wir hatten unter Berufung auf den Betreiber The Kinks als Premieren-Rocker genannt. Doch während Markus Lemberger von der Marketinggesellschaft Lukom das Kinks-Konzert am 8. Oktober 1965 schriftlich belegen kann, gibt es zu der Veranstaltung, der Engel beiwohnte, keine Unterlagen mehr. Einzig seine Eintrittskarte zeugt von einem Beat-Konzert im April. Dessen ungeachtet, lauschte der Waldseer in jungen Jahren auch den Darbietungen von The Kinks und den Beach Boys, die er als ganz besondere Band bezeichnet. „Das war damals noch die Mopedzeit. Ich war 17 Jahre alt, und viele fuhren mit dem Moped zum Konzert“, erzählt Engel. Hans Joachim Heinzel aus Ludwigshafen ist nicht zuletzt die „Aumot“ in Erinnerung geblieben. Dieser Autosalon lief in den 70er-Jahren bis in die frühen 80er. Dabei handelte es sich um eine Eigenproduktion der Lubege, dem Vorläufer der Lukom. Nachdem sich die deutschen Autohersteller davon zurückzogen, fand die „Aumot“ noch zweimal mit den Wagen der japanischen Hersteller statt. „Ich gestaltete Anfang der 70er in der Eberthalle einen Ausstellungsstand“, erzählt Heinzel. Damals habe die Firma Auto-Einig das gesamte Opel-Programm präsentiert. Er selbst hat bei mehreren Veranstaltungen die Beschriftung der Halle übernommen. Uwe Märtin ist gebürtiger Ludwigshafener, lebt aber seit Beginn des Jahres in der Nähe von Rostock. „Die Eberthalle gehörte zu meiner Jugend“, sagt er. Damals pilgerte er zu Konzerten von Genesis oder zu Jethro Tull mit der Legende Ian Anderson. Wobei seine Freunde und er für dessen Konzert keine Karten bekamen. „Wir kletterten außen an den Fenstern hoch und schauten zu. Die Musik gab es kostenlos dazu“, beichtet er. Auch unschöne Szene habe er erlebt, wie vor dem Black-Sabbath-Konzert. „Tausende Fans wollten in die Halle, und man öffnete die Tore nicht. Wir waren eingeklemmt, es kam zu einer Art Massenpanik mit Verletzten. Ein Wunder, dass niemand zu Tode kam.“ Doch als „Paranoid“ und „Iron Man“ erklangen, war laut Märtin alles vergessen – die Halle tobte. Unvergesslich sei auch das AC/DC-Konzert Ende 1979 mit Sänger Bon Scott, der drei Monate später verstarb. Heute unvorstellbar: Die Halle war nicht gut gefüllt. „Wir Fans der ersten Stunde standen recht einsam herum. Da kam eine Band aus Schottland/Australien, und einer von den Typen hatte einen Schulranzen auf dem Rücken und tobte völlig entfesselt über die Bühne. Dank Eberthalle gehöre er zu den wenigen, die Scott noch live erlebten. „Ich bin sehr erfreut, dass sie nicht abgerissen werden soll“, erklärt Peter Baumann aus Böhl-Iggelheim. Sein erster Besuch in der Halle war beim Konzert Beat 65. In den Folgejahren besuchte er mit seiner damaligen Freundin und heutigen Frau weitere denkwürdige Veranstaltungen. „Der Abend mit den Beach Boys war sensationell. Außerdem waren wir bei Konzerten mit den Tremelous, Chuck Berry, Status Quo, Drafi Deutscher und Roy Black. Das größte Spektakel war der Auftritt von The Who 1967. Tolle Musik, aber gegen Ende des Konzerts ein Chaos. Wir zogen uns auf die höheren Besucherränge zurück und beobachteten, wie die Band bei dem Song ,My Generation’ begann, die Instrumente in Stücke zu zerlegen. Es flogen Stühle und Metallverbindungen durch den Saal. Ein totales Desaster“, schildert er. Daneben besuchte das Paar Sporteignisse: Handballspiele des TV Hochdorf und Ringerwettkämpfe des VfK Schifferstadt. Mit einer Freundin hat es die Ludwigshafenerin Barbara Ehemann 1971 zu zwei Konzerten in die Eberthalle verschlagen. Bei Erik Silvester gelangten sie in die Garderobe, um ihm eine Rose zu überreichen, die sie vorher im Ebertpark gepflückt hatten. „Wir durften ihm sogar ein paar Fragen stellen, doch vor lauter Aufregung hat es uns die Sprache verschlagen“, gesteht die Mutterstadterin. Gereicht habe es nur zu „Wie ist deine Lieblingsfarbe? Was ist dein Lieblingsgericht?“ und so weiter. Im selben Jahr war Daliah Lavi da. „Die Konzerte waren für uns was Besonderes, da wir nur wenig Taschengeld hatten und lange sparen mussten. Wir waren 16 und im ersten Ausbildungsjahr.“ Zwei Eintrittskarten von 1989 hat Stephan Geis aufbewahrt: eine vom Ozzy-Ozbourne-Konzert und eine von Black Sabbath. Beim ersten Konzert habe er über die Vorband U.D.O. noch gedacht: „Was ist das denn für ein Brüllwürfel?“ Und vertrieb sich die Wartezeit bis zu „Madman“ mit einem Bier. Heute mag Geis die Heavy-Metal-Truppe um Sänger Udo Dirkschneider sehr. Black Sabbath betrachtet er nach wie vor als die Band schlechthin, damals eigentlich mit Ozbourne, aber bei diesem Konzert mit Toni Martin auf der Headless- Cross-Tour. „Wahnsinns Stimme, geiles Konzert! Ich bekomme jetzt noch eine Gänsehaut und werde mich ewig daran erinnern!“ Den Nikolaustag 1984 wird Iris Glück nie vergessen. „Ich war gerade 13, und mein Bruder hatte seine erste eigene Wohnung bezogen. Da rief er mich an und sagte, ich solle am nächsten Nachmittag mit einem Päckchen Butter und meinen Schlittschuhen zu ihm kommen.“ Gesagt, getan. Ihr Bruder legte die Butter in den Kühlschrank und bat sie, ihm zu folgen. Doch statt ins Eisstadion fuhren sie zur Eberthalle. „Auf all meine Fragen schwieg mein Bruder beharrlich. Erst bei der Hallenöffnung konnte ich einen Blick auf die Eintrittskarte werfen“, schildert sie die Spannung. In diesem Moment stand fest: Sie gingen auf ein Konzert der Band Spliff. Heraus kam ein toller Abend, an den Glück bis heute gern zurückdenkt. Barbara Lauinger aus Ludwigshafen verknüpft mit der Halle viele schöne Kindheitserinnerungen, da sie in der Hohenzollernstraße aufwuchs. Also um Ecke. „Da war die Hafa, eine Konsumgüterausstellung, wo mein Bruder, Freunde und ich über den abgesperrten Zaun geklettert sind, um einen Becher Cola ,fer umme’ abzugreifen“, erzählt sie. Auch erste Konzerterfahrungen sammelte sie in der Eberthalle: bei Heintje, Roy Black oder den Les Humphrie Singers. Bei Letzteren fand sie Jürgen Drews umwerfend. Und zwar so sehr, dass sie ihm ein Haar ausrupfte, als sie auf der Bühne hinter ihm stand. Es erhielt einen Ehrenplatz: „Ich hatte es auf Watte gebettet an der Wand in meinem Zimmer hängen.“ Andere große Erlebnisse waren Konzerte von BAP, Genesis und Pink Floyd. „Die Eberthalle war ein Teil meiner Jugend.“

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