Ludwigshafen Die west-östliche Sinfonie

„Lieder aus der Fremde“ ist ein Auftragswerk der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz an den Komponisten Mehmet Cemal Yeilçay. Die Uraufführung in der Philharmonie war das beglückende Erlebnis einer Begegnung von Orient und Okzident. Für den in das Konzert integrierten Text von Anja Kleinhans gilt das leider nicht.

Integration hat in der Musik längst stattgefunden. Die sinfonische Musik Europas ist überall auf der Welt bekannt. Im Gegenzug studieren europäische Musiker die Instrumente anderer Kulturen und bauen sie in ihre Kompositionen ein. Mehmet C. Yeilçays Komposition „Lieder aus der Fremde“ bringt sinfonische Musik in Dialog mit orientalischer Musik. Sie kommt zu Ergebnissen, die eingehen, als wären sie altvertraute Ohrwürmer, und zugleich als faszinierend neu überraschen. In der internationalen Musikgeschichte ist die sinfonische Musik ein Koloss. Optisch und auch akustisch, wird er hier durch die Staatsphilharmonie repräsentiert. Werden gegen ihre Übermacht die sechs Musiker aus dem von Mehmet C. Yeilçay gegründeten Pera Ensemble nicht untergehen? Seine zwei Perkussionisten sind hinten bei den Schlagzeugern platziert, die mit den fragilen traditionellen Instrumenten sitzen ganz vorn. Wie wird Christian Reif am Pult die Gegensätze zusammenhalten? Es beginnt sehr zart und lyrisch mit der orientalischen Flöte Ney. Sie scheint zu schweben, vom behutsam schwingenden Orchester wie eine Feder getragen. Das Orchester wird stärker und stärker, bis die Ney im Getöse des Schlagwerks untergeht. Die anderen orientalischen Instrumente eilen zu Hilfe: der Kanun (Zither), die Kemençe (eine Laute, die gestrichen wird), die vom Komponisten persönlich gespielte Oud (Laute), die Trommeln. Die Tonart wechselt, der Rhythmus ändert sich, das Orchester tritt zurück, und eine Weile sind wir ganz im Orient. Das Orchester nähert sich an. Eine einzelne Geige nimmt mit dem Kanun einen Dialog auf; das Orchester folgt, und wir hören eine Sinfonie, in die die orientalischen Instrumente integriert sind. Die Komposition ist hochemotional. Sinfonisch arbeitet sie mit mehr oder weniger deutlichen Zitaten, orientalisch unter anderen mit spiritueller Sufimusik. Östlich wie westlich klingen Traditionen an. Verglichen mit einem Sinfonieorchester hat orientalische Kunstmusik auch in größerer Besetzung einen eher kammermusikalischen Charakter, ist sanft und lyrisch. So erstaunt es nicht, dass Mehmet C. Yeilçay die heftigen Gefühle von Angst und Bedrohung, die Gespenster von Krieg und Zerstörung dem Sinfonischen zuordnet bis hin zu einer Lautstärke von Mahlerschen Ausmaßen. Der Orient instrumentiert spirituelle Verinnerlichung und ein zartes Pflänzchen Hoffnung. Er steigert sich in Selbstbehauptung, wenn im Schlusssatz die Gemeinsamkeit siegt und die Philharmoniker in ausgelassene Freude ausbrechen. Man kann diese Musik wie ein Manifest hören: fast zweihundert Jahre Unterdrückung der Völker des Orients durch den Westen und die Hoffnung, dass diese einmal enden wird. Mit Anja Kleinhans, der Leiterin des kleinen und ambitionierten Theaters in Freinsheim, hat die Philharmonie schon mehrfach zusammengearbeitet. Ihre romaneske Fluchtgeschichte eines kleinen syrischen Mädchens bleibt jetzt hinter den Erwartungen zurück. Sie trägt nichts Wesentliches zur Musik bei und steht inhaltlich zu ihr oft im Widerspruch. Anfangs ist sie zu melodramatisch, dann politisch zu aktivistisch und viel zu lang.

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