Ludwigshafen Die Sonne, die gelbe Sau

Seit Dienstag befinde ich mich in einer Art Schockstarre. Aus einem einfachen Grund: Als das Thermometer in Ludwigshafen und Mannheim so gegen Mittag gefährlich nahe an die 25-Grad-Marke rückte, wurde mir schlagartig bewusst, dass der Sommer auch dieses Jahr wieder unausweichlich ist. 25 Grad sind für mich ein kritischer Wert. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die bei dieser Temperatur glücklich „Es wird Sommer!“ johlen. Nein. Ich überlege mir stattdessen, ob ein Trip in die Antarktis nicht vielleicht doch mal eine gute Maßnahme wäre. Das hat früh angefangen. Als ich noch klein und wehrlos war, wurde ich in den Sommerferien von einem Strandurlaub in den nächsten geschleift. Südfrankreich? Süditalien? Kroatien? War ich überall. Kenne ich bestens. Und habe mir jeweils den Frack verbrannt. So richtig. Trotz Lichtschutzfaktor 50. Mit Blutbasen und anschließender reptilienartiger Kompletthäutung. Daraus – vor allem aus dem Schmerz – habe ich natürlich gelernt und bin als Teenager nur noch in Jeans und mit Arbeitsstiefeln an den Stränden Südeuropas aufgelaufen. Während andere die Sonne tagelang halbnackt anbeteten, verfluchte ich diese gnadenlose gelbe Sau und ihre widerliche Hitze dick eingemummelt aus dem sicheren Schatten heraus. Kurz: Mein Verhältnis zum Sommer ist problembehaftet. Im heimischen Niedersachsen war das nicht so schlimm. Da gibt es hohe Bäume, viel Schatten, trockene Luft und öfter mal eine steife Brise. Aber hier im Rheingraben? Mit Verlaub, das geht gar nicht! Es hilft ja leider kein Stück, zum Schutz vor prallstem Sonnenterror unter einen winzigen Rebstock zu kriechen. Zudem ist die Luft hier so schwül und schwer, dass sie einem förmlich in der Lunge gerinnt. Und Wind?! Fehlanzeige. Außer natürlich dem lauen Lüftchen, das den leckeren BASF-Chemie-Duft immer schön über den Rhein nach Mannheim weht. Diese fiese schwül-schwer-heiße Mixtur steht dann also tagelang unangefochten in der Gegend rum und macht Verächter wie mich völlig fertig. Mal ehrlich: Wie sollen aus dem Norden Zugezogene es bitte schaffen, den Nimbus der kühl-distanzierten Blasiertheit aufrechtzuerhalten, wenn sie die ganze Zeit nur knallrot, schwitzend und laut ächzend auf Halbmast hängen? Im Sinne der Völkerverständigung hätte gegen diesen Missstand eigentlich schon längst etwas unternommen werden müssen. Die Frage, warum ich als „Südfinnin“ überhaupt nach „Nordalgerien“ gezogen bin, ist berechtigt – und schnell beantwortet. Ich wusste es nicht besser. Ich bin im November an den Rhein gekommen, dachte mir schmunzelnd „Ach, das nennen die hier also Winter“ und mietete spontan eine erschreckend schlecht isolierte Dachgeschosswohnung an. Das war bis Mai völlig okay. Danach hat der Spaß dann allerdings aufgehört. Beim Gedanken an das, was mich in der Bude demnächst wieder erwartet einen für fast alles. Die Kolumne Fünf Redakteure berichten für die RHEINPFALZ über Ludwigshafen. Ihre Erlebnisse aus dem (Arbeits-)Alltag nehmen die Redakteure in der Kolumne „Quintessenz“ wöchentlich aufs Korn.

x