Ludwigshafen Die Rückkehr des Harry Potter

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Donna Leons neuer Krimi hat sich als ein Strohfeuer erwiesen. Auch auf der „Spiegel“-Bestsellerliste ist „Ewige Jugend“ rasch von Platz eins auf Platz sieben abgerutscht. Stattdessen beherrschen Jean-Luc Bannalec und Jojo Moyes die Listen bundesweit und auch hier in der Region. Das für den internationalen Buchmarkt bedeutendste Ereignis im Juli war allerdings die Auferstehung des Harry Potter.

Wiedererweckt wird der einstige Zauberlehrling allerdings auf der Theaterbühne. „Harry Potter und das verwunschene Kind“ wurde am vergangenen Samstag in London uraufgeführt. Allerdings erscheint auch ein Buch zum Stück. Gleich nach der Uraufführung kam die englische Originalversion des Theaterskripts heraus. Hunderte Buchläden in Großbritannien hatten deshalb nachts geöffnet. Vor einem Geschäft am Piccadilly Square in der Nähe des Palace Theatre im Londoner Westend, wo die Uraufführung stattfand, drängten sich bis Mitternacht, als das Buch zum Verkauf freigegeben wurde, etwa 700 Harry-Potter-Begeisterte. „Wir rechnen fest damit, dass es das erfolgreichste Buch des Jahres wird“, sagte eine Sprecherin der größten britischen Buchhandelskette Waterstones. Allein aufgrund der Vorbestellungen steht „Harry Potter und das verwunschene Kind“ beim Internet-Händler Amazon in mehreren Ländern jetzt schon auf Platz eins der Bestsellerliste. Die etwa 300 Seiten starke deutsche Übersetzung soll auf am 24. September erscheinen. Vor neun Jahren hat Joanne K. Rowling ihre „Harry Potter“-Serie, eine der meistverkauften Buchveröffentlichungen aller Zeiten, die ihre Autorin von einer Sozialhilfeempfängerin zur drittreichsten Frau Großbritanniens gemacht hat, sehr zum Bedauern ihrer zumeist jugendlichen Fans eingestellt. Jetzt hat die Engländerin den inzwischen erwachsen gewordenen einstigen Zauberlehrling mit dem Stück, das sie zusammen mit dem Dramatiker Jack Thorne und dem Theaterregisseur John Tiffany geschrieben hat, wiedererweckt. Es fängt da an, wo der letzte Band „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ 2007 aufgehört hat. Über Einzelheiten der Handlung wurde bis zur Premiere trotz zahlreicher Previews seit Juni der Mantel des Schweigens gebreitet. Als Grund für die Geheimnistuerei nannte Rowling im Internet: „Damit das Publikum die Überraschungen, die wir eingebaut haben, genießen kann“. Die 175.000 Karten für die Theatervorstellungen im Palace Theatre waren innerhalb von ein paar Stunden ausverkauft. Daraufhin wurden nochmals 250.000 Karten zum Verkauf für Aufführungen vom Juni bis zum Dezember nächsten Jahres angeboten. Von 1997 bis 2007 hat Joanne K. Rowling sieben „Harry Potter“-Romane veröffentlicht. Sie wurden weltweit 450 Millionen Mal, in Deutschland 33 Millionen Mal verkauft. Von 2001 bis 2011 wurden sie in acht Teilen verfilmt. Allein die Filme spielten 7,7 Milliarden Dollar ein. Die Engländerin Jojo Moyes verkauft von ihren Herz-Schmerz-Geschichten zwar auch viele Millionen. An die durch ihre Bücher zur Milliardärin gewordene Joanne K. Rowling reichen ihre Einnahmen jedoch nicht heran. Dennoch: Im Juli standen bei der Ludwigshafener Thalia-Filiale gleich drei Bücher von Jojo Moyes auf der Bestsellerliste. Jean-Luc Bannalec, ein Pseudonym, hinter dem sich kein Franzose, sondern der Deutsche Jörg Bong, Geschäftsführer der S. Fischer Verlage, verbirgt, führt mit seinem neuesten, in der Bretagne spielenden Regionalkrimi eindeutig die Juli-Liste an. In „Bretonische Flut“, seinem fünften Fall, ermittelt Kommissar Dupin an der rauen Atlantikküste im äußersten Westen, nachdem eine Umweltaktivistin ermordet wurde. Harald Schneiders Pfälzer Regionalkrimi „Mordsgrumbeere“ spielt dagegen hier in Iggelheim auf dem Biobauernhof „Kartoffel-Käfer“, wo Kommissar Palzki eine unidentifizierte Tote findet. In den Buchhandlungen in Ludwigshafen und Limburgerhof jedenfalls ist sein 13. Fall sehr gefragt. Im Juli hat mit den Schulferien die Suche nach einer Urlaubslektüre eingesetzt. Die Rheinland-Pfälzer bevorzugen dabei Taschenbücher, eher als die übrigen Deutschen. Eine Umfrage des Börsenvereins des deutschen Buchhandels hat ergeben, dass fast 75 Prozent der rheinland-pfälzischen Leser Taschenbücher im Urlaub dem Hardcover-Buch vorziehen. Im Bundesdurchschnitt sind es 65 Prozent. So erklärt es sich wohl auch, dass Michel Houellebecqs schon vor anderthalb Jahren erschienener Roman „Unterwerfung“ in der Taschenbuchausgabe wieder gefragt ist. Die Terroranschläge der jüngsten Zeit werden dazu beigetragen haben, nach dem fiktiven Roman über die Übernahme der Macht in Frankreich durch einen muslimischen Präsidenten zu greifen. Die Buchhändlerinnen bei Oelbermann im Limburgerhof empfehlen als Urlaubslektüre dagegen Bov Bjergs warmherzigen Roman „Auerhaus“ über eine WG von Jugendlichen in den 1980er Jahren. Wer nach einem etwas anspruchsvolleren Buch sucht, ist mit Sarah Bakewells „Das Café der Existentialisten“, eine Einführung in die Modephilosophie der 1950er Jahre, gut beraten, das bei Buch Bender in Mannheim gefragt ist. Hier kann auch Jens Balzers Überblick über die Popmusik der Gegenwart ein unterhaltsamer Reisebegleiter werden. Es enthält erfrischend ehrfurchtslose Urteile über Idole und verschont weder Adele noch Justin Bieber, weder Rihanna noch Sting. Über Helene Fischer schreibt er: „Die Konzerte von ihr klingen ja, als ob eine randomisierte Spotify-Liste abschnurrt.“ Antje Geis aus der Leseecke Oppau empfiehlt Natalio Gruesos Roman „Der Wörterschmuggler“. Der spanische Autor hat früher das Centro Oscar Niemeyer, ein internationales Kulturzentrum im spanischen Avilés, geleitet und arbeitet inzwischen als Theaterregisseur in Madrid. Mit Woody Allen ist er eng befreundet. Im Mittelpunkt seines Debütromans „Der Wörterschmuggler“ steht der Abenteurer Bruno Labastide, der in Venedig auf die geheimnisvolle Japanerin Keiko trifft. Um ihr Herz zu erobern, braucht er eine betörende Erzählung. Tag für Tag schreibt Bruno daher eine erlebte oder erfundene Geschichte auf, die er jedoch Abend für Abend in der Einsamkeit seiner Wohnung wieder zerreißt. Nur der Leser darf an den Geschichten teilhaben. Dass viele Erzählungen des Romans poetisch, sensibel und feinfühlig sind, gefällt Antje Geis. Als „kleiner Wermutstropfen“ ist ihr nur aufgestoßen, dass Natalio Gruesos Geschichten bisweilen die Beziehung zur Haupthandlung fehlt.

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