Ludwigshafen Anatolien zum Anfassen

Fast so wie in Anatolien konnten sich Besucher am Wochenende auf dem Platz der Deutschen Einheit fühlen. Der Nachhilfe-Verein „Lernzirkel Ludwigshafen“ hatte zum ersten „Anatolischen Kulturfestival“ eingeladen. Die Mitwirkenden haben den Platz vor der Rhein-Galerie in eine farbenfrohe Szenerie mit Basar-Ständen, tanzenden Derwischen sowie klassischer und moderner orientalischer Musik verwandelt.

Die untergehende Sonne taucht den Platz der Deutschen Einheit am Freitagabend in ein angenehmes Licht. Ruhige, orientalische Musik ist von der Bühne zu vernehmen. Die aufgebauten Stände erinnern in ihrer Gestaltung an den Großen Basar in Istanbul. Man kann einen Glasbläser bei seiner filigranen Arbeit beobachten, seinen Namen in kalligraphischer Schrift schreiben lassen oder einen türkischen Kaffee genießen. Die warmen Temperaturen und das blaue Wasser des Rheins im Hintergrund tun ihr Übriges – es ist nicht schwer, sich in diesem Moment vorzustellen, man wäre in Anatolien. An einem der Stände des „Schwarzen Meers“, die die kulinarische Vielfalt der Region abbilden sollen, brät Selma Günes auf einem kleinen Gusseisen-Grill gerade Sardinen an. Sie gehört zum Verein „Frauennetzwerk: Gemeinsam Leben in Ludwigshafen“ (ELA), der das Fest zusammen mit dem Lernzirkel ausrichtet und vor allem für den kulinarischen Aspekt verantwortlich ist. Keine schwere Aufgabe für Günes: Sie leitet einen Kochkurs in dem Frauenverein, in dem sie seit zwei Jahren Mitglied ist. Auf dem Festival möchte sie einfach „eine gute Zeit verbringen.“ Es freue sie, dass die Besucher sich für die traditionellen Gerichte an ihrem Stand interessieren und viele Fragen stellen. „Ich hoffe, dass das Fest den Leuten die anatolische Kultur näher bringen kann.“ Diese Hoffnung haben auch Vorstandsvorsitzender Mustafa Degirmenci und Kollege Ömer Sanatci vom 2002 gegründeten Verein Lernzirkel. Dieser zählt heute rund 80 Mitglieder und bietet hauptsächlich Nachhilfe- und Integrationskurse an. Mit dem Festival sollte den Menschen jedoch nicht nur die kulturelle Vielfalt der Türkei näher gebracht werden. Ein anderes Anliegen sei es gewesen, „ein friedliches Miteinander zum Ausdruck zu bringen“, erzählt Sanatci. „Viele sehen Ludwigshafen als ihre Heimat, besonders die jüngere Generation. Die Stadt ist ein Teil von ihnen“, sagt der Mediziner. Diese Erfahrung bestätigt Degirmenci, der seit seiner Kindheit in Ludwigshafen lebt. „Wenn ich durch die Stadt gehe, werde ich daran erinnert. Es wird viel schlechtgeredet, aber eigentlich ist das eine sehr schöne Stadt zum Leben.“ Mit dem Festival wolle man diese Erfahrung transportieren und auch ein Zeichen gegen ein anderes Problem setzen, mit dem sich der Islam konfrontiert sieht. „Die ganze Gewalt, die momentan in den Medien gezeigt wird, das sind nicht die Bürger dieser Stadt. Diese Gewalt gehört nicht zum Islam“, sagt er. (awac)

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