Ludwigshafen Alles auf neu

«Ludwigshafen.»Es gibt Situationen, die erlebt man als Sportler nicht gerne, weil sie bitter, schmerzhaft und manchmal auch unnötig sind. Aber oftmals bringen einen solche Situationen weiter als etwa eine Meisterschaft mit 30 Siegen in 30 Spielen. Solch eine schmerzhafte Situation, die einen weiterbringt, hat Philipp Bauer in der vergangenen Saison mit der SG Leutershausen erlebt. Das Team von der Bergstraße stieg aus der Zweiten Liga ab, weil es nach 38 Spieltagen bei Punktgleichheit das etwas schlechtere Torverhältnis im Vergleich zu Tusem Essen hatte. „Man will so etwas in seiner Karriere nicht noch einmal erleben“, sagt Bauer. Fast den identischen Satz sagt Dominik Claus, bis vor Kurzem bei der TSG Friesenheim unter Vertrag. Er bezieht diesen allerdings nicht auf einen Abstieg. Er bezieht diesen auf Verletzungen. Seit 2011 ist seine Karriere von Blessuren gekennzeichnet, er hat seitdem mehr Spiele verpasst, als er absolviert hat – dabei ist wenig Spielpraxis eigentlich das Schlimmste, was einem Nachwuchs-Handballer passieren kann. Unter anderem zwei Kreuzbandrisse und einen Knorpelschaden hatte Claus in dieser Zeit. Im Sommer 2016 hat er sich bei einem Testspiel mit der deutschen Junioren-Nationalmannschaft zum zweiten Mal das Kreuzband gerissen, seitdem kein Spiel mehr absolviert. Claus sagt: „Wenn ich mich noch einmal verletzen sollte, dann muss ich mir schon Gedanken machen, ob das noch Sinn macht.“ Der 21-Jährige vermeidet das Wort Karriereende. Aber er weiß, dass eine weitere schwere Verletzung zumindest das Ende seiner Träume als Profi-Handballer bedeuten dürfte. Dominik Claus, vor Jahren als riesiges Talent gehandelt, ist in den vergangenen Jahren aufgrund der diversen Verletzungen in seiner Entwicklung nicht so recht vorangekommen. Er hat noch immer den Traum, eines Tages in der Bundesliga, in der Nationalmannschaft zu spielen. Das Potenzial dafür hat er sicherlich. Die Frage ist und bleibt, ob sein Körper dabei mitspielt. Andere sind in den vergangenen Jahren an ihm vorbeigezogen. Marian Michalczik (TSV GWD Minden) zum Beispiel. Der 20-Jährige hat kürzlich in der A-Nationalmannschaft debütiert. „Wir haben in den Nachwuchs-Nationalmannschaften oft zusammen auf dem Parkett gestanden“, erzählt Claus und fügt an: „Man fragt sich natürlich dann schon, wie weit wäre ich jetzt, wenn ich mich nicht so oft verletzt hätte.“ Das Thema Verletzungen begleitete auch Philipp Bauer. Zumindest in der Hinrunde der vergangenen Saison. Dreimal fiel er wegen eines Muskelfaserrisses aus. Dreimal kämpfte er sich zurück. Die ersten beiden Male stand er etwas zu früh wieder auf dem Parkett, was die nächste Verletzung zumindest begünstigte. Ihm war wichtig, zu Saisonbeginn viel zu spielen. Viel zu spielen, um die Bestätigung zu bekommen, dass er in der Zweiten Liga mithalten, ja eine gute Rolle spielen kann. „Ich kann nun sagen, dass ich das Niveau für die Zweite Liga habe“, sagt der 20-Jährige: „Ich durfte für mein Alter schon sehr viel spielen.“ Vermutlich würde sein Saisonfazit auch erheblich positiver ausfallen, wäre die SG Leutershausen nicht so bitter abgestiegen. „Man fragt sich schon, warum es uns getroffen hat. Vor allem, weil wir das Niveau für die Liga ja hatten“, sagt Bauer und fügt an: „Ich glaube aber auch, dass der Abstieg jeden Spieler persönlich weiterbringt.“ Also auch ihn. Für Bauer war der Abstieg trotzdem doppelt bitter. Denn sein Vertrag in Leutershausen für die kommende Saison galt nur für die Zweite Liga. Der Rheingönheimer hat sich viele Gedanken gemacht, wie es weiter geht. Eigentlich ist die Dritte Liga ein Rückschritt für ihn, doch waren die Kaderplanungen der Zweitligisten schon so weit, dass es für Bauer trotz seines Formats nichts mehr gab, was ihn reizte. „Irgendwo weit weg zu gehen, um dann dort dritter Mittelmann zu sein und nicht zu spielen, das kam für mich nicht infrage“, sagt Bauer. Er bleibt nun in Leutershausen. Zumindest ein halbes Jahr. „Die Dritte Liga ist ja auch kein Weltuntergang“, sagt Bauer. Er ist noch jung, hat noch Zeit. Vor allem, weil er gemerkt hat, dass „es mit der Ersten Liga früher oder später klappen dürfte“. Leutershausen war auch eine der Optionen von Dominik Claus. Er entschied sich, nachdem er in Friesenheim keinen neuen Vertrag bekam („Ich hatte eigentlich nie gedacht, hier irgendwann einmal wegzugehen“) jedoch für den Zweitligisten Bietigheim. Der Waldseer war schon ein bisschen überrascht über die Auswahlmöglichkeiten, hatte er aufgrund seiner Krankenakte doch ein bisschen Bammel gehabt, kein gutes Angebot zu bekommen. „Es ist nicht selbstverständlich, dass man einem Spieler, der mit 21 Jahren schon zwei Kreuzbandrisse hatte, einen Kontrakt anbietet“, sagt Claus. Er hofft nun auf eine Art Neustart in der Nähe von Stuttgart. Er ist nun erstmals weg von zu Hause, wohnt in Bietigheim mit einem Mitspieler in einer WG und will sein Lehramtsstudium in Stuttgart anstatt in Landau fortführen. Claus hat in den vergangenen Wochen und Monaten viel Reha und Aufbauarbeit hinter sich, war unter anderem drei Wochen in den USA bei einem Spezialisten, macht fast jeden Tag Übungen für sein Knie: „Ich habe alles getan, um das Risiko zu minimieren.“ Diese Woche begann das Training in Bietigheim. „So langsam könnte ich wieder spielen“, sagt er. Es scheint, als könne Claus den Neustart kaum erwarten …

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