Ludwigshafen Unmut über den Rechtsruck im Lande

Das Festival „Enjoy Jazz“ besteht nicht nur aus einem Musikprogramm, es bietet auch Wortbeiträge. In Zusammenarbeit mit dem Mannheimer Nationaltheater hat es nun die Frankfurter Buchmesse ins Ludwigshafener Kulturzentrum Das Haus geholt. Die Kolumnistin Mely Kiyak und der Lyriker Max Czollek haben im Dôme einen sehr unterhaltsamen Abend geboten.

Mely Kiyak hat einen Essay über „Haltung“ geschrieben, Max Czollek die Streitschrift „Desintegriert euch!“ veröffentlicht. Beide kommentieren darin das aktuelle Tagesgeschehen, beide äußern ihren Unmut und ihre Besorgnisse über den politischen Rechtsruck in Deutschland, beide liegen grundsätzlich auf einer Wellenlänge. Und beide kennen sich vom Gorki-Theater in Berlin, für das Mely Kiyak regelmäßig eine Kolumne verfasst und Max Czollek eine Literaturreihe veranstaltet. Gemeinsam aufgetreten waren sie vor der Veranstaltung in Ludwigshafen aber noch nie. Max Czollek versuchte sogleich, dem politischen Abend zu dem ernsten Thema Integration den lockeren Anstrich einer Unterhaltungsshow zu geben, indem er ihn als „Kiyak & Czollek Late Night“ bezeichnete. Zunächst las er die ersten Seiten seines Buches, in dem der gern und immer wieder auf seine jüdische Herkunft hinweisende Lyriker eine grundsätzliche Kritik an Heimat und ein Unbehagen an jedweder Form von Integrationsdenken artikuliert. Mely Kiyak, eine Deutsche kurdischer Herkunft, der sowohl ein „Wir Deutsche“ wie auch ein „Wir Orientalen“ in ihrem raschen Redefluss problemlos über die Lippen kam, rief dazu auf, in einem „rechtsextrem dominierten Diskurs“ mutig den Rechten entgegenzuschleudern: „Wir ziehen erst einmal die Ertrinkenden aus dem Wasser!“ Mut spielt eine tragende Rolle in Mely Kiyaks Buch, und es war nicht zuletzt ihr überschäumendes Temperament, das den Abend so kurzweilig machte. Max Czollek trug sein Scherflein zu dieser Kurzweil bei durch kleine freundschaftliche Sticheleien. Trotz fehlender Reibungspunkte in der Denkweise wurde ihre Begegnung so keineswegs zäh. Max Czollek meldete nur ein einziges Mal Widerspruch an, als seine Gesprächspartnerin sich zu der unüberlegten Aussage hinreißen ließ: „Die Rechten lügen nicht und halten Wort.“ Diese erstaunliche Aussage stützte sie auf die Ankündigung des rechten amerikanischen Hardliners und früheren Trump-Intimus Steve Bannon, er werde sich künftig massiv in die europäischen Wahlkämpfe einmischen. Max Czollek wies zu Recht darauf hin, dass die Rechten sehr wohl lügen, etwa wenn sie behaupten, sie seien Demokraten und ihre Vorstellungen von einer ethnisch reinen Gesellschaft ließen sich auf dem Boden des Grundgesetzes verwirklichen. Von einem gewissen Galgenhumor zeugte dann der letzte Teil, in dem beide einige ihrer Kolumnen und Gedichte vorlasen. „Werden sie uns mit dem Flixbus deportieren?“ fragt Mely Kiyak da etwa. Und in einer anderen Kolumne macht sie sich lustig über den bemerkenswerten Einspruch des AfD-Politikers Björn Höcke gegen die verbreitete Ansicht, Adolf Hitler sei „das absolut Böse“ gewesen, und über dessen Plädoyer für eine differenziertere Betrachtungsweise der Geschichte. Alexander Gaulands „Vogelschiss“ blieb an dem Abend selbstverständlich nicht unerwähnt.

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