Rhein-Pfalz Kreis Nach dem Auszug der Flüchtlinge

Jede Geschichte hat mindestens zwei Seiten. Das zeigt auch der Knatsch um das Hotel Maxdorfer Hof, in dem Asylbewerber untergebracht waren. Die Letzten sind vor Kurzem ausgezogen. Der Inhaber renoviert nun und beseitigt Schäden. Er hat dafür vom Kreis 30.000 Euro bekommen. Das Netzwerk Hilfe sieht dadurch die Flüchtlinge an den Pranger gestellt. Der Hotelbesitzer ärgert sich inzwischen, überhaupt Wohnraum zur Verfügung gestellt zu haben.

Maxdorf. Links ein Reisebüro, rechts eine Bäckerei. Dazwischen liegt der Eingang zum Hotel Maxdorfer Hof. Der Öffner surrt, die Tür geht auf. Im Treppenhaus trocknen jede Menge Putzlappen und Handtücher über dem Geländer. In einem Seitengang stehen Leitern und Eimer. Der Maxdorfer Hof ist eine Baustelle. Besitzer der Immobilie ist Rudolf Ehmer, ein Bayer, der zwischen seiner Heimat und der Pfalz pendelt. Er raucht Pfeife – und auch ein bisschen vor Wut. Weil er im Dorf von einigen als Unmensch hingestellt wird. Einer, der an Flüchtlingen verdient. Und weil er sich von der Verbandsgemeinde und den Maxdorfer Flüchtlingshelfern unfair behandelt fühlt. In der Tat schimpfen die Ehrenamtlichen vom Netzwerk Hilfe ordentlich auf Rudolf Ehmer. „Es gibt Schlepper, die alte Boote verkaufen. Die Fortsetzung dessen ist, wenn man hier sein Geld mit Asylbewerbern macht“, sagt Rainer Bahnemann vom Vorstand des Vereins. Es sei auch einfach nicht okay, dass der Eindruck erweckt werde, Asylbewerber hätten die Zimmer beschädigt und Kakerlaken eingeschleppt. „Gebrauchsspuren sind völlig normal“, sagt Bahnemanns Mitstreiterin Beate Schmidt, die sich um die Flüchtlinge im Hotel gekümmert hat. Die Zimmer seien viel zu klein gewesen. Es habe keinen Aufenthaltsraum gegeben, keine Küche und keinen abschließbaren Kühlschrank. Überhaupt werfen die Netzwerker dem Hotelbesitzer mangelndes Engagement für seine Gäste vor. Um die habe er sich nicht gerissen, sagt Ehmer. Was Heribert Werner, zuständiger Fachbereichsleiter bei der Kreisverwaltung, bestätigt: „Wir waren ehrlich gesagt froh, dass Herr Ehmer schließlich zugesagt hat. Man vergisst heute schon wieder die Zeit. Aber wir haben damals wirklich händeringend nach Wohnraum gesucht. Und wir hatten auch Notfallpläne für Turnhallen in der Schublade, die wir zum Glück nicht rausholen mussten.“ Zu klein oder nicht zu klein? Das war also im März 2015 gar keine Frage, als der erste Flüchtling in den Maxdorfer Hof zog. Die neun Doppel- und zwei Einzelzimmer waren schnell belegt. Menschen aus sechs Nationen waren unter einem Dach untergebracht. Das führte zu Konflikten. Als „Durchgangsstation“ wechselten die Gäste zudem häufiger. Und bald war Ehmer zufolge das Kuddelmuddel perfekt. „Zwischendurch war gar nicht mehr klar, wer hier wohnt und wer nur zu Besuch ist.“ Dazu verschollene Schlüssel und aufgetretene Türen. Ehmer zeigt Bilder. „Ich will niemanden schlecht machen, aber hier sind eben Sachen kaputt gegangen. Und manchmal hat man einfach gemerkt, dass Kulturen aufeinanderprallen.“ Nicht schlecht gestaunt habe er jedenfalls, als ein Mann ein lebensgroßes Pferd an die Wand malte. „Das sah echt gut aus. Nur blöd, dass es eine Wand in einem meiner Hotelzimmer war.“ Ehmer lacht. Seinen Humor hat er nicht verloren. Nie bekommen hat er einen Draht zu Maxdorf. 1994 hat Ehmer die Immobilie erworben. Als Kapitalanlage. Aber das Hotel ist zwischenzeitlich schlecht geführt worden. Die Besitzer haben ständig gewechselt. 2008 hat er schließlich das Geschäft selbst übernommen. Angeboten hat er die Zimmer vor allem Monteuren. Von Montag bis Freitag waren die Zimmer belegt. Ab und an hatte er zudem Wochenendgäste. Zu 70 Prozent sei das Hotel ausgelastet gewesen und das habe ihm eigentlich gereicht. Und da er seine Stammkunden hatte, sagte er 2015 der zimmersuchenden Kreisverwaltung auch erst mal ab. Als er dann das dritte Mal angesprochen worden sei, habe er zugesagt. „Klar habe ich mir dabei auch ausgerechnet, dass ich damit für zwei bis drei Jahre eine hundertprozentige Auslastung erreiche.“ Dieser Plan ging nicht auf. Früher als geplant sind die Flüchtlinge ausgezogen. Mitten in der Hochsaison 2016. „Ich hatte meine Stammgäste anderweitig vermittelt. Und abgesehen davon, sind wir ja nun am Renovieren, tauschen Türen und Matratzen und lassen streichen.“ Rudolf Ehmer ärgert sich, dass er über die Auszugspläne von der Verbandsgemeinde Maxdorf nicht ordentlich informiert wurde. Und dass er 2015 den Vertrag nur per Handschlag geschlossen hat. Die Ehrenamtlichen vom Netzwerk Hilfe dagegen sind froh, dass alle Flüchtlinge aus dem Maxdorfer Hof raus sind und nun richtige Wohnungen haben. Das Leben im Hotel sei kein Zustand, den ein Mensch lange aushalte. „Wir haben die Kreisverwaltung dazu gedrängt, dass sich da etwas ändert“, sagt Beate Schmidt. Mit ihren Mitstreitern ist sie der Meinung: Das Hotel war verwohnt, bevor die Flüchtlinge einzogen. Der Besitzer lässt sich die Renovierung jetzt bezahlen. Und nicht geklärt sei bislang, wo die Kakerlaken herkommen sind. Für die Sauberkeit in den Zimmern sind Nadja Kreuzer und Iris Zechmeister zuständig. „Wir durften ja erst gar nicht rein. Das wurde uns vom Netzwerk Hilfe untersagt, von wegen Privatsphäre und so. Aber als die Kakerlaken da waren, ging es nicht mehr anders.“ Kreuzer berichtet von versteckten Lebensmitteln, Töpfen und Kochplatten. „Das musste Ungeziefer anlocken.“ Ansonsten bleibt sie bei der Zustandsbeschreibung der Zimmer vage. „Die Menschen kommen aus anderen Kulturkreisen. Und da waren auch einige junge, alleinstehende Männer dabei.“ Für die hat Nadja Kreuzer auch schon mal zum Bügeleisen gegriffen. „Nadja kannst du?“, habe es da oftmals geheißen, wenn ein wichtiger Termin wie etwa ein Vorstellungsgespräch anstand. Für alle ihre Gäste haben Kreuzer und Zechmeister Wäsche gewaschen und getrocknet. Mal einen Kuchen gebacken oder über die Hausaufgaben geschaut. „Ihr Mann hat sich da sehr engagiert“, sagt Ehmer. Der findet es ungerecht, dass vom Netzwerk im Dorf erzählt wird, im Hotel habe man sich gar nicht um die Flüchtlinge gekümmert. „Ich habe ein Hotel, und allen war klar, wie die Zimmer geschnitten sind, welche Ausstattung da ist und dass ich kein Mittagessen anbiete. Da wundert es mich schon, dass so ein Brief kommt.“ Ehmer zeigt ein Schreiben der Verbandsgemeindeverwaltung. Darin steht: „Auf die Dauer ist es aber nicht länger zumutbar, dass ehrenamtlich Tätige die Versorgung und Betreuung der Flüchtlinge übernehmen, die eigentlich Sie als Eigentümer des Hotels gewährleisten müssten.“ Er wird aufgefordert, Kochmöglichkeiten zu schaffen oder zumindest Räume, in denen die Asylbewerber angelieferte Mahlzeiten zu sich nehmen können. „Da es immer wieder zu Diebstählen von Lebensmitteln kommt, sollten abschließbare Kühlschränke bereitgestellt werden.“ Die Forderungen gehen weiter. Zum Teil hat Ehmer sie erfüllt. „Ich hätte das nicht tun müssen – weder Aufenthaltsräume schaffen, noch Waschmaschinen kaufen noch sonst was.“ Ehmer klopft seine Pfeife aus und steht auf. Anstatt sich weiter zu ärgern, zeigt er lieber die ersten fertigen Zimmer. Er freut sich, dass die Arbeiten fortschreiten. Die Kakerlaken dank professioneller Hilfe bekämpft sind. Er will jetzt noch mal alles im Hotel auf Vordermann bringen. Und sich dann zurückziehen. „Ich bin bald 70 und möchte irgendwann auch mal meine Ruhe haben.“ Eine Verbindung zu Maxdorf aufbauen wird Ehmer wohl nicht mehr.

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