Ludwigshafen Aus der Vergangenheit in die Zukunft

Eigentlich war der Akai Remix 16 Sampler für DJs entwickelt, aber die kamen damit nicht zurecht, und das Gerät wurde ein Flop. Für Jan Bang war der schwarze Elektronikkasten dagegen ein Segen. Fünf davon hat er sich über die Jahr besorgt, zuletzt auf Ebay, nachdem das Gerät längst nicht mehr hergestellt wird. Keinen einzigen Ton kann das Akai selbstständig erzeugen, aber für Jan Bang ist es weit mehr als ein Keyboard. „Man kann damit alle möglichen Rhythmen erzeugen und die unterschiedlichsten Klangfarben, es ist damit viel reichhaltiger als ein Piano“. Was der Norweger macht, bezeichnet man als Sampling und Remixing. Dabei werden Musik oder Geräusche aus Tonträgern oder live aufgezeichnet, gesammelt und später abgerufen, beim Remixing vorhandene Musikpassagen neu zusammengefügt. Bang hat beide Techniken, die vor allem in der elektronischen Musik angewandt werden, aber auch in Pop und Jazz, mitten in die Livesituation eines Konzertes gebracht. Er nimmt auf, was die anderen Musiker gerade spielen, wählt Passagen aus, verfremdet diese und schickt sie wieder zurück ins musikalische Geschehen. Das alles geschieht sekundenschnell. Jan Bang kann genau sagen, wann die Idee zu diesem Live-Remix entstanden ist. Dazu muss man den Werdegang dieses ungewöhnlichen Musikers erzählen. Geboren ist er 1968 in Denver im US-Bundesstaat Colorado, wo seine Eltern damals lebten. Als der Vater ein Jahr später bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, kehrte die Familie nach Norwegen zurück, nach Kristiansand ganz im Süden, wo Bang auch heute noch lebt. Zu Hause ging es musikalisch zu, die Mutter spielte Klavier, in der Plattensammlung des Vaters fand sich klassische Musik. Als Kind lernte er Geige spielen, später Piano und mit 17 war er Sänger in einer Band, die sich an Brian Eno orientierte. In den 1990ern gehörte er als Produzent und Remixer zur House- und Techno-Szene in Oslo und bekam Kontakt zu Jazzmusikern wie dem Gitarristen Eivind Aarset, den Trompetern Arve Henriksen und Nils Petter Molvaer, der Vokalistin Sidsel Endresen und dem Pianisten Bugge Wesseltoft. Als letzterer 1996 eine neue Band zusammenstellte, sollte auch Bang mit seinen Elektronik-Sounds dabei sein. „Bugge fragte mich: Was kannst du live zu unserer Musik beitragen? Und ich sagte: Wie wär’s, wenn ich ein Sampling der Musiker live auf der Bühne mache?“ Wesseltoft war von der Idee begeistert, man probierte es aus und es funktionierte. „Das eröffnete ganz neue Möglichkeiten“, erinnert sich Bang, „ich ging raus aus dem Studio und rauf auf die Bühne“. Auch wenn er immer noch viel Zeit in Aufnahmestudios verbringt, ist für Jan Bang das Livesampling immer noch das Zentrum seiner musikalischen Arbeit. „Musik war lange etwas, das in der Vergangenheit stattfand, jede musikalische Aufzeichnung war etwas Vergangenes. Ich arbeite nun in der Gegenwart, entdecke etwas in der Vergangenheit und bringe es in die Zukunft.“ Nachdem Jan Bang zehn Jahre lang Erfahrungen mit dem Livesampling gesammelt hatte, entstand bei einem Treffen mit seinem alten Freund Erik Honoré, der ebenfalls als Produzent und Remixer arbeitet, die Idee in Kristiansand ein eigenes Festival zu veranstalten, bei dem unterschiedlichste Musiker aufeinandertreffen sollten. „Wie Lars von Trier bei seinen Dogma-Filmen gaben wir uns Regeln vor“, erinnert sich Bang. In einem Raum sollte ein Konzert stattfinden, in einem zweiten der Remix dieses Konzertes unter Beteiligung anderer Musiker. Diese Idee ist bis heute die Besonderheit des Punkt-Festivals und hat inzwischen auch das Publikum überzeugt. 2005, im ersten Jahr des Festivals, kamen nur 20 Zuschauer, ein paar Jahre später reichte der 500 Menschen fassende Theatersaal, wo die Konzerte stattfanden, nicht mehr aus. Dass prominente Musiker auch außerhalb der Jazzszene wie Brian Eno, Led-Zeppelin-Bassist John Paul Jones oder das Hilliard Ensemble anreisten, trug zur Popularität bei. Dass man Jan Bang nun auch in Ludwigshafen erleben kann, hat damit zu tun, dass das Punkt-Festival immer wieder Abstecher in andere Länder machte. Schon dreimal war man Gast beim Festival Enjoy Jazz, und über dessen Leiter Rainer Kern lief auch der Kontakt zur Kulturabteilung der BASF. Im Gesellschaftshaus treffen nun das holländische Zapp String Quartet auf Jan Bang, Erik Honoré und Arve Henriksen. Zunächst wird das Streichquartett eigene Stücke spielen, dann benutzen Bang und Kollegen das dabei aufgezeichnete Musikmaterial für ihren Remix, und am Ende soll es noch eine gemeinsame Improvisation geben. Ob alles funktionieren wird? „Keine Ahnung“, sagt Jan Bang und lacht, „ich liebe Situationen ohne Sicherheitsnetz!“

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