Landau „Wir steuern gegen“

91-77332178.jpg

Interview: Die Werbung für den Berufsstand des Handwerkers habe das Handwerk bundesweit lange verschlafen. Das sagt Kreishandwerksmeister Martin Eichhorn nach einer Diskussion in der RHEINPFALZ über Sorgen und Chancen der Metzger. Sabine Schilling sprach mit dem gelernten Maler darüber.

Ausgangspunkt der Berichterstattung war die Schließung von drei Metzgereien 2015 in Landau. Während die alt gedienten Metzger Walter Weindel und Peter Gütermann als Vertreter der Südpfälzer Fleischerinnung im Gespräch mit der RHEINPFALZ nachlassende Attraktivität des Berufs, fehlenden Nachwuchs und verändertes Käuferverhalten beklagt hatten („Dicke Ärm zu haben, langt nicht“, Ausgabe vom 5. Januar), rebellierte die Nachfolgegeneration dagegen. Alexander Weisbrod und Peter Joachim (beide Landau) sowie Frank Treiling (Insheim) machten deutlich, dass ein selbstständiger Metzgerbetrieb im Wettbewerb sehr gut bestehen kann, wenn er neue Wege geht („Mutige Metzger“ vom 16. Januar). Warum sind Sie eigentlich Maler geworden? Ich habe vorher etwas ganz anderes gemacht. Meine Eltern hatten einen Betrieb. Aber ich war ein sehr schlechter, vorlauter Schüler, hier in Landau am Otto-Hahn-Gymnasium und bin nach der Neunten runter, weil meine Eltern gesagt haben: Jetzt ist Ende. Dann habe ich eine Lehre gemacht, auf dem zweiten Bildungsweg Mittlere Reife, auf dem Speyer-Kolleg Abitur, Mathematik und Physik für Lehramt studiert, bis zum ersten Staatsexamen. Und dann habe mich doch umentschieden. Mein Vater hat mich im Betrieb aufgenommen. Ich bereue es nicht. Ich bin froh, dass ich unabhängig beschäftigt bin. Es macht sehr viel Spaß. Das ist ein unheimlich kreativer Beruf, speziell dieses Gewerk. Wir Maler machen meistens etwas neuer, schöner. Die Leute haben immer Freude, und wir bekommen oft ein positives Feedback. Am Beispiel der Schließung dreier Metzgereien im vergangenen Jahr in Landau wurde in der RHEINPFALZ-Berichterstattung deutlich, dass die „Alten“ die Lage schwärzer malen, als die „Jungen“ sie sehen. Ist das der normale Generationenkonflikt oder wurde zu lange lamentiert über das nachlassende Interesse am Handwerksberuf? Es ist vielschichtig. Ich glaube auch, dass die beiden Männer, Weindel und Gütermann, im Leben stehen. Aber eine neue Generation hat auch neue Gedanken. Ich habe auch andere Ideen in unserem Betrieb implementiert als mein Vater beispielsweise. Der andere Punkt ist der, dass sich die Marktsituation extrem verändert hat in den letzten zehn Jahren. Die meisten Leute essen weniger Fleisch. Ich glaube, dass es zu einer Verbraucher abhängigen Marktbereinigung kommt. Ein Selbstreinigungsprozess. Aber die Frage ist doch, wie man darauf reagiert. Das ist das Argument der „Jungen“, die sagen, wir reagieren darauf heute anders, und deswegen bestehen wir am Markt. Wir müssen innovativ sein und dürfen nicht nur jammern. Das ist richtig. Neue Konzepte entwickeln, sich seine Nische suchen – das müssen wir, meine Frau und ich, mit unserem Betrieb auch. Die Metzger heute machen viel Catering, sie bieten persönliche Produkte. Das hat Wiedererkennungswert. Sie gehen anders auf das Verbraucherverhalten ein. Und sie können sich von den Konkurrenten in den Discountern qualitativ ganz schnell absetzen. Diesen Vorteil habe ich als familiengeführte Metzgerei. Früher gab es das ausschließlich. Heute muss sich der Familienbetrieb gnadenlos über Qualität von den Filialmetzgereien absetzen. Da sind die drei Metzger als Beispiele – Weisbrod, Treiling, Joachim – auf einem extrem guten Weg. Die „Jungen“ argumentieren ja gerade mit dem Blick aufs Handwerk, das sei ihre Stärke. Es gibt seit Jahren eine bundesweite Imagekampagne „Das Handwerk – die Wirtschaftsmacht von nebenan“. Lässt sich ein Erfolg messen? Nein, messen nicht. Ich bin kein Prophet, aber es war mir von vorne herein klar, dass ich nur in der Region für die Menschen hier etwas bewegen kann. Die Kampagne ist gut, aber nicht das allein Seligmachende. Ich muss hier vor Ort meine Arbeit gut machen, dann wird das Image besser, dann bekommen wir weiterhin Auszubildende. Diese Parameter sind für mich wichtiger als die Imagekampagne an sich. Müssen nicht die Innungen selbst viel stärker für ihre Berufe werben? Der Landauer Metzger Alexander Weisbrod beispielsweise schwärmt von seinem Beruf als krisensicher. Weltweit hätten Metzger große Chancen, auch in der Gastronomie. Das sollte doch reise- und abenteuerlustige junge Leute ansprechen, oder? Da bin ich hundertprozentig bei ihm. Das hat das Handwerk bundesweit lange verschlafen. Wir müssen uns den Gegebenheiten anpassen. Das Handwerk hat zu lange im Alten verharrt. Ob ich junge Leute für meinen Beruf gewinnen kann, hängt auch mit der Betriebsführung zusammen. Kann ich die Jugend begeistern? Wenn das Mitarbeitermanagement im Betrieb stimmt, spricht sich das herum. Es trifft sicher auch auf andere Sparten zu, aber im Fleischerhandwerk ist nicht nur die Zahl der Auszubildenden zurückgegangen, sondern auch die der Ausbildungsbetriebe. Wer sollte Ihrer Meinung nach die jungen Leute fit machen für das Berufsleben? Viele Ausbilder beklagen ja, dass oft Tugenden fehlten, wie Pünktlichkeit, Höflichkeit, Sprachvermögen. Wer ist da in der Verantwortung? Wir alle, die Gesellschaft. Das fängt bei den allgemeinbildenden Schulen an, ist auch ans Elternhaus gekoppelt. Aber wir müssen da zusammenarbeiten. Ich zähle zu den Primärtugenden nicht den Bildungsgrad, sondern Motivation, Höflichkeit, Pünktlichkeit. Das ist aus meiner Sicht bei Jugendlichen weit mehr verinnerlicht, als dies oft dargestellt wird. Ich zähle und ich baue auf die Jugend. Wenn diese Primärtugenden gegeben sind, dann kann ich als Ausbilder alles herauskitzeln, was noch fehlt. Und Sie haben positive Erfahrungen gemacht? Ja. Es gibt sicherlich Menschen, die weniger Kultur haben und keine guten Umgangsformen. Aber ich sehe, wenn ich beispielsweise auf Baustellen bin, dass die unterschiedlichen Gewerke wieder sehr kooperativ zusammenarbeiten, höflich miteinander umgehen. Auch die jungen Leute, die Auszubildenden. Ich widerspreche dem Bild, dass die nicht grüßen würden. Ich möchte nicht wegdiskutieren, dass das schulische Endresultat gegenüber dem vor 15 oder 20 Jahren heute, vielleicht gesellschaftlich bedingt, etwas schwächer ist. Aber das kann ich unterstützend rauskitzeln, davon bin ich überzeugt. Gemeinsam mit der Berufsschule. Wir im Handwerk können alle jungen Menschen integrieren. Das sage ich jetzt mal ganz forsch, auch mit Blick auf die Flüchtlingssituation. Wir haben in das Fleischerhandwerk geschaut, wie sieht es bei den anderen Innungen aus? Es ist schwieriger geworden, aber die Ausbildungszahlen in der Südpfalz sind, aufgrund der hervorragenden Wirtschaftssituation, noch akzeptabel. Keine Branche hier hat also akute Nachwuchsprobleme, so dass sie sich sorgen müsste um den Bestand? Die Bäcker sind in einer Landesinnung organisiert, da kann ich nicht viel dazu sagen. Ich möchte es an einem Beispiel festmachen. Der Winzerberuf ist mittlerweile wieder einer der In-Berufe. In dem Bereich haben die Ausbildungszahlen und auch das Image vor 15 Jahren gedarbt. Die haben das auch geschafft. Warum sollte es mit Menschen wie Weisbrod, Treiling, Joachim im Fleischerhandwerk nicht funktionieren? Ich glaube, dass wir eine Renaissance erleben werden. Weil alles zyklisch verläuft. Fleischer ist zurzeit kein In-Beruf, es gibt Nachwuchsprobleme, aber wenn ich das ganze Handwerk sehe, dann sind wir mit den Ausbildungszahlen in der Südpfalz noch zufrieden. Wir haben uns auf die veränderten Bedingungen eingestellt. Nach der Fusion mit der Handwerkerschaft Deutsche Weinstraße haben wir zum 1. November 2015 mit der 31-jährigen Charlotte Merkel eine junge Mitarbeiterin eingestellt, die nur für Öffentlichkeitsarbeit, Messeauftritte und Social Media zuständig ist. Damit wir das Ohr an der jungen Generation haben. Wir steuern gegen, sehr aktiv. Ist das Interesse an den Innungen noch groß genug? Das Interesse ist mit Sicherheit nicht mehr so gegeben wie in den 70er-Jahren, wo es eigentlich fast moralisch geboten war, Mitglied einer Innung zu sein. Die jungen Betriebsinhaber erwarten eine Dienstleistung, einen Mehrwert, völlig zu Recht. Darauf haben wir uns eingestellt, zum Beispiel mit unseren Veranstaltungen wie Vorträgen und Weiterbildungen. Das wollen wir mit Frau Merkel noch besser nach außen tragen. Wir haben wachsende Mitgliederzahlen im Metallbereich, seit sich ein neuer Vorstand vor einigen Jahren formiert hat, der aktiv arbeitet, der diesen Mehrwert, den wir bieten, sichtbar macht. Da passt ein Wortspiel zum Schluss: Mit Frau Merkel schaffen wir das. (lacht) Wir, Vorstand und Geschäftsführung, sind der Überzeugung, dass wir positive Tendenzen erzielen werden.

91-77334580.jpg
x