Landau „Die Situation bleibt angespannt“

Crystal Meth hat ein extrem hohes Suchtpotential – und birgt eine große Gefahr für die Gesundheit.
Crystal Meth hat ein extrem hohes Suchtpotential – und birgt eine große Gefahr für die Gesundheit.

Der Fall ist auch brisant, weil die Karlsruher Richter die Justizverwaltung in die Pflicht nehmen, also das Justizministerium Rheinland-Pfalz. Personelle Engpässe wegen Überlastung der 1. Großen Strafkammer am Landauer Landgericht (wir berichteten gestern) wurden nicht so gelöst, dass das Grundrecht eines angeklagten Vietnamesen auf seine persönliche Freiheit hinreichend berücksichtigt wurde, urteilte die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts unter Vorsitz seines Präsidenten Andreas Voßkuhle. Sie macht dafür ausschließlich das Justizministerium verantwortlich und verweist auf die verfassungsrechtliche Pflicht, an den Gerichten ausreichend Personal zu beschäftigen. Übrigens nicht zum ersten Mal. Es geht um einen 55-jährigen gebürtigen Vietnamesen, der mit seiner Familie in Tschechien lebte, am 19. Januar 2017 in Prag festgenommen und im April ausgeliefert wurde. Seitdem saß er in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Landau wirft ihm gemeinschaftlichen Handel mit der synthetischen Mode-Droge Crystal Meth in nicht geringer Menge vor. Er soll an der Einfuhr von 1,1 Kilogramm Methamphetamin aus Tschechien nach Deutschland und dem Verkauf eines Großteils davon beteiligt gewesen sein. Das Landgericht eröffnete am 19. Juli 2017 das Hauptverfahren. Der Beginn der Hauptverhandlung wurde wegen des Urlaubs des Verteidigers vom 14. Dezember 2017 auf den 15. Januar 2018 verschoben. Der Karlsruher Senat hob den Beschluss des OLG auf und verwies ihn an das Gericht zurück. Daraufhin nahm das Landgericht Landau den Haftbefehl gegen den Vietnamesen zurück und ließ ihn frei. Der Fall sei mehr als unglücklich, sagte gestern Erik Kießling, Sprecher des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken. Es handele sich nicht um ein Massenphänomen, sondern um einen Einzelfall. „Der späte Beginn der Hauptverhandlung ist der Belastungssituation der zuständigen Strafkammer geschuldet“, hatte das Oberlandesgericht Zweibrücken befunden und am 2. November 2017 die Fortdauer der Haft angeordnet. Dagegen zog der Beklagte vor das Verfassungsgericht. Die gesetzliche Frist zum Beginn der Hauptverhandlung wurde um gut drei Monate überschritten. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot, argumentierte der Anwalt des Angeklagten. Mit anderen Worten: Auf Basis der Unschuldsvermutung muss ein Gerichtsverfahren schnell zu Ende gebracht werden, denn das Grundgesetz garantiert jedem das Recht auf persönliche Freiheit. Das wissen natürlich auch die Verantwortlichen am Landauer Landgericht. Sie waren in der Bredouille, weil sie angesichts steigender Straftaten nicht genügend Richter hatten, um die Fälle zügig verhandeln zu können. Wie Landgerichtspräsidentin Ulrike Müller-Rospert und Vizepräsident Robert Schelp vor Kurzem im Gespräch mit der RHEINPFALZ betonten, hat es seit dem Jahr 2016 in der Südpfalz viele Kapitalverbrechen gegeben. Die langwierigen Verfahren binden jeweils drei Berufsrichter. Fälle, bei denen Beschuldigte in Untersuchungshaft sitzen, müssen vor allen anderen behandelt werden. Bei Eingaben an das Bundesverfassungsgericht gibt der Generalbundesanwalt des Bundesgerichtshofs in der Regel eine Stellungnahme ab. Im vorliegenden Fall hat Peter Frank moniert, dass nicht alle gerichtsorganisatorischen Mittel und Möglichkeiten zur Bewältigung der anhängigen Verfahren ausgeschöpft gewesen sind. So sei keine Hilfsstrafkammer eingerichtet worden, Verfahren zur Entlastung der 1. Großen Strafkammer seien nicht umverteilt worden. Niemand kann eine Hilfsstrafkammer anordnen. Diese Entscheidung fällt in die richterliche Unabhängigkeit. Laut Robert Schelp hat das Präsidium des Landgerichts die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer geprüft. Das ist eine schwierige Abwägung, denn Urteile des Bundesgerichtshofs lassen wenig Spielraum, heißt es. Am zu Jahresbeginn erstellten Geschäftsverteilungsplan kann nicht einfach gerüttelt werden, stellt OLG-Sprecher Erik Kießling klar. „Die Situation ist angespannt und sie bleibt weiter angespannt.“ Die Verfahren würden immer komplizierter, Verteidiger zögen alle Register, Beweisanträge über Beweisanträge machten Verfahren schwieriger. Kießling betont, das Ministerium habe auf den Hilferuf aus Landau im Januar 2017 sofort reagiert und zwei neue Richterstellen ungewöhnlich schnell besetzt. Wie berichtet, gibt es seit Ende August eine fünfte Strafkammer. Kapitalverbrechen landen jetzt in der 1. und 3. Strafkammer. Das habe die Situation jetzt etwas entzerrt, sagte Robert Schelp. Südwest

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