Landau „Daldrup ist in Erklärungsnot“

Nachdem er lange nicht für Presseauskünfte zur Verfügung stand, geht Unternehmer Josef Daldrup nun in die Offensive. In einem Interview der „Kehler Zeitung“ hat er geklagt, dass die Landauer Bürgerinitiative (BI) gegen Geothermie „die Kehler verrückt gemacht“ habe. Die Stadt Kehl klagt gegen die dortige Bohrgenehmigung für ein Geothermiekraftwerk (wir berichteten am 6. Dezember). Kürzlich hat Daldrup einen Bericht der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ breit gestreut, in dem vom „Aufstand der bösen Männer“ die Rede war, von Vorruheständlern ohne Kinder, aber mit viel Bildung, die jede Zukunftstechnologie wie Gentechnik und Fracking oder neue Bahnhöfe aggressiv bekämpfen. Sebastian Böckmann will vom Vorsitzenden der Landauer BI, Werner Müller, wissen, ob er sich angesprochen fühlt und warum er sich bundesweit engagiert. Herr Müller, sind Sie ein aggressiver Vorruheständler ohne Kinder, aber mit viel Bildung? Ich habe ein Unternehmen und bin beruflich sehr eingebunden. Aber ich nehme mir viel Zeit für das Thema Geothermie und die Landauer Bürgerinitiative, weil die Sache so wichtig ist. Josef Daldrup hat Ihnen einen Artikel aus der FAZ zukommen lassen, in dem Umweltaktivisten wie Sie ziemlich scharf kritisiert werden. Fühlen Sie sich geschmeichelt? Es ist ein Zeichen, dass Daldrup in Erklärungsnot ist. Er hat sich eine ganze Zeit lang nicht zu Wort gemeldet. Jetzt füllt er Zeitungen mit Interviews, die nicht den tatsächlichen Sachverhalt widerspiegeln. Inwiefern? Er hat in der „Kehler Zeitung“ die Situation in Landau als oberflächennahe Undichtigkeit bezeichnet und dass das Gesamtproblem mit dem Kraftwerk in zwei bis drei Monaten zu beseitigen wäre. Dabei ist das Hauptproblem doch eine unzulänglich ausgeführte Reinjektionsbohrung: In 500 Metern Tiefe endet die doppelte Verrohrung, dort soll eine Tonschicht als Abdichtung dienen. Dass dort aggressives Tiefenwasser ausgetreten ist und in einem Gebiet von 2,5 mal zehn Kilometern, vom Süden von Landau bis Edesheim, Bodenhebungen aufgetreten sind, erwähnt Herr Daldrup nicht. Kürzlich haben sich die im Bundesverband Bürgerinitiativen Tiefe Geothermie zusammengeschlossenen Initiativen in Landau getroffen und Sie als Vorsitzenden bestätigt. Die Presse war dazu nicht eingeladen. Haben Sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit neue Gemeinheiten geplant? Wir planen keine Gemeinheiten. Wir haben uns zur Aufgabe gestellt, die Risiken dessen, was in Landau geschieht, deutlich darzustellen. Es waren Bürgerinitiativen auch aus Thüringen und Baden-Württemberg da, die kein zweites Landau wollen. Daher haben wir den 2010 gegründeten Bundesverband neu aktiviert. Dieser Wunsch war von den besagten Bürgerinitiativen ausgegangen. Die Presse war nur deshalb nicht eingeladen, weil der Zeitrahmen sehr eng und der Ablauf nicht planbar war. Geben Sie mal eine Prognose ab: Geht das Landauer Kraftwerk wieder ans Netz? Wenn ja, wann? Ich kann mir das nicht mehr vorstellen, nach allem, was hier passiert ist. Das kann man nicht alles ignorieren. Die Risiken, die nicht nur bei diesem Kraftwerk, sondern insgesamt bei der Tiefen Geothermie vorhanden sind, sind unverantwortlich. Bei mir ist das anders. Ich fürchte, die Stadt probt den Ausstieg aus dem Ausstieg. Das wird aber nicht so schnell gehen, wie Daldrup das sagt. Die vom Landesamt für Geologie und Bergbau geforderte Erkundungsbohrung und die Auswertung der Ergebnisse sind nicht vor Ende des ersten Quartals 2015 möglich. Sie sagen, in Landau hat es Gebäudeschäden gegeben. Wie ist konkret der Stand der Schadensregulierung? Es gibt eine Vielzahl von Schadensmeldungen. Uns liegt aber nur ein Teil vor, weil das Bergamt und der Betreiber nichts preisgeben. Es haben auch schon Leute Geld bekommen, aber die dürfen Dritten gegenüber dazu nicht sagen. Das mussten sie unterschreiben und das haben wir schriftlich . Ich kenne einen Fall, wo eindeutig Erdbebenschäden nachgewiesen und eine Zahlung in Höhe des Gesamtschadens erfolgt ist. Viele Leute haben aber auch einfach Angst, dass, wenn die Schäden bekanntwerden, ihre Häuser gar nicht mehr oder nur noch mit großen Verlusten verkäuflich sind. Konkret bekannt sind uns etwa 25 Schadensfälle, ich gehe aber von 100 bis 150 insgesamt aus. Wir haben Fälle, wo Eigentümer für die Instandsetzung 45.000 Euro aufwenden mussten. Aber Folgekosten beispielsweise durch Radon, das durch Risse in Häuser eindringt, sind noch gar nicht überschaubar. Sie haben kürzlich auch in Insheim vor dem Kraftwerk demonstriert, als dort die „Sendung mit der Maus“ gedreht worden ist. Warum? Das dortige Kraftwerk läuft doch deutlich problemloser. Dem ersten Augenschein nach schon, aber die Wartungsintervalle werden immer kürzer. Wir wissen nicht, wie effektiv die Anlage läuft, und die gegabelte Reinjektionsbohrung verhindert Beben nicht wie propagiert. Insheim hat in der kurzen Zeit mehr Beben erzeugt als Landau. Außerdem ist es ein Beispiel für Geothermie-Fracking: Da wurden mit hohem Druck Fließwege erzeugt und möglicherweise auch Gestein aufgesprengt, damit das Tiefenwasser fließen kann. Welche Zusätze dafür genommen werden, wissen wir nicht. Mal ehrlich: Geothermiekraftwerke gibt es in vielen Ländern dieser Erde, und die Landauer Probleme sind doch ziemlich einmalig. Kämpfen Sie nicht tatsächlich etwas zu grundsätzlich gegen eine potenzielle Zukunftstechnik? Die Verhältnisse bei uns sind mit der geologischen Situation in Island, den USA oder mit den Temperaturverhältnissen in Toskana nicht zu vergleichen. Die Kraftwerke in Landau und Insheim dienen primär der Stromerzeugung, aber die Nennleistung ist zumindest in Landau noch nie erreicht worden. Bei einem Wirkungsgrad von nur fünf bis sieben Prozent, die Uni Berlin geht von sechs Prozent aus, kann das Landauer Kraftwerk keinen Beitrag zum Energiemix leisten. Wenn bis zu 90 Prozent der Wärme-Energie in die Umwelt gelangen, ist das nicht klimafreundlich. Unter welchen Bedingungen wäre ein Geothermiekraftwerk für sie vorstellbar – und zwar in Deutschland? Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Deutschland ein solches Kraftwerk für Strom und Wärme wirtschaftlich, ohne Subventionen und Fördergelder zu betreiben ist und dass ein Betrieb ohne Gefahren und Risiken möglich ist. Immerhin wird an der Förderbohrung im Untergrund Wasser, also Masse, entzogen und bewusst an anderer Stelle in den Untergrund zurückgepresst. Dabei sind nur bis zu 30 Prozent des zurückgepressten, abgekühlten Tiefenwassers an der Förderbohrung erwünscht. Diese Massenumverteilung kann zusätzlich zu Spannungen im Untergrund führen, induzierte Beben hervorrufen und Veränderungen der Erdoberfläche mit noch nicht absehbaren Folgen, auch für das Grundwasser, bewirken.

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