Landau/SÜW Bedarf an Hilfe bei Altersarmut wächst stetig

Wer nicht viel hat, muss jeden Euro umdrehen.
Wer nicht viel hat, muss jeden Euro umdrehen.

Kann der Otto-Normal-Verbraucher die gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise vielleicht gerade noch stemmen, so haben Geringverdiener existenzielle Nöte. Bei Altersarmut ist der Verein Silberstreif eine wichtige Stütze. Der Absturz kann schnell gehen.

Kaum hat der Verein Silberstreif gegen Altersarmut in Landau & SÜW seine neue Zweigstelle im Landauer Horst eröffnet, da sitzt Begleiter Michael Ansorge schon der erste „Fall“ gegenüber. Der Mann ist verzweifelt, weil ihn die Schulden drücken. Dabei war er mal gut situiert. Er kann nicht mit Geld umgehen. Vier- bis sechsmal am Tag läuft er in den Supermarkt und kauft ein, ist ständig im Minus. „Er ist so verzweifelt, dass er jede Hilfe annimmt“, erzählt Ansorge. Der Kunde habe einer Betreuungsassistenz über das Sozialamt zugestimmt. Über mögliche Wege wie diesen hat die Arbeiterwohlfahrt den Verein Silberstreif neulich informiert, berichtet Vorsitzende Christine Baumann.

Silberstreif zählt 18 Kundenbetreuer. Sie alle sind ehrenamtlich unterwegs und helfen, wo es geht. „In Deutschland wird zu wenig über Geld gelehrt“, sagt Michael Ansorge, als er von seinem Fall berichtet. Er zitiert eine Studie, wonach in deutschen Schulen Geld nur 20 Minuten im Jahr Thema sei. Christine Baumann pflichtet ihm bei. Deshalb hat sie einem Landauer Gymnasium angeboten, in der Oberstufe mal darüber zu informieren, dass fürs Alter vorgesorgt werden sollte. Gerade Armut unter Frauen sei sehr verbreitet, da viele Frauen Teilzeit gearbeitet und daher wenig in die Rentenkasse eingezahlt hätten.

Michael Ansorge und Christine Baumann.
Michael Ansorge und Christine Baumann.

Menschen mögen

Wie ist Ansorge zu Silberstreif gekommen? Der 61-Jährige, der als Industriemeister Chemie bei der Raffinerie Miro in Karlsruhe arbeitet, hatte wohl schon immer eine soziale Ader. In Karlsruhe engagierte er sich bei der Tafel, bis er 2019 nach Nußdorf zog. Bei einem Motivationskurs in Bielefeld beschäftigte er sich mit dem Sinn des Lebens. „Menschen zu helfen, darum geht es. Das tut auch mir gut. Ich will gar nichts außer einem Lächeln“, sagt Ansorge. Jetzt ist er da, wo er hin wollte. Ein Einsatz bei der Terrine in Landau war an seinen Arbeitszeiten gescheitert, denn gekocht wird am Vormittag.

„Wer bei uns arbeitet, muss Menschen mögen“, sagt die Silberstreif-Vorsitzende. „Die persönliche Zuwendung ist unser Plus.“ Die Ansprechpartner blieben. So mancher brauche einfach nur ein Ohr. Einsamkeit im Alter sei auch in der Südpfalz ein Thema. Der Verein hat das wachsende Bedürfnis nach Kontakten registriert und reagiert darauf.

In der OHG-Mensa gab es Ende März ein Osteressen für Bedürftige.
In der OHG-Mensa gab es Ende März ein Osteressen für Bedürftige.

Neuer Kontakt in Edenkoben

In Edenkoben managt Jürgen Koster ab Mitte Juni eine neue Zweigstelle. In Offenbach ist seit Januar Christel Bohne-Scherthan am Start. In Annweiler gibt es seit Oktober Verstärkung. Edith Kurzmeier und Petra Jung-Schoch. Aktuell werden 220 Kunden in Landau und im Kreis Südliche Weinstraße betreut. Nicht gelistet sind dabei diejenigen, die eine einmalige Unterstützung bekommen haben. Das Beispiel macht Schule, wie Baumann berichtet. Silberstreif hat einer Neustadter Initiative mit Rat zur Seite gestanden und Geburtshilfe geleistet. Am 8. Juni ist dort laut Baumann der Auftakt des Vereins „Wir gegen Altersarmut“.

So mancher kann sich nicht vorstellen, wie groß die Freude über eine neue Brille, Matratze, Waschmaschine oder Schuhe sein kann bei Menschen, die sich das aus eigener Tasche nicht leisten können. Ein großer Brocken sind Zuzahlungen bei Arzneimitteln, medizinischen Hilfsmitteln, Zahnersatz oder Windelpakte bei Inkontinenz. Im Teilhabepaket, das der Verein ausgibt und bei dem ihm die Stadt finanziell entgegenkommt, sind unter anderem die Jahreskarte für den Zoo, Beiträge für VHS-Kurse, die Nutzung der Stadtbibliothek, Schwimmbadbesuche, Seniorenkino und Vergünstigungen für Festhallen-Veranstaltungen enthalten.

Kampf für Soziallotsen

Seit der Gründung von Silberstreif vor neun Jahren haben Baumann und ihr Team viel erlebt. „Wir sind da, wo die Sozialbehörde nicht eingreifen darf oder kann.“ Der Kunde entbindet den Verein von der Schweigepflicht, sonst wäre der gar nicht handlungsfähig. Oft werden die Leute von den Rathäusern geschickt, berichtet Baumann.

Sie kämpft für einen Soziallotsen in Landau. „Wir lassen uns nicht abspeisen mit dem Hinweis auf ,Freiwillige Leistung’. Es geht um einen Wegweiser in der Verwaltung, wo Hilfen nachgefragt werden können, was kein Betteln ist, sondern vom Staat gewährt wird“, unterstreicht Baumann. Auch der Seniorenbeirat fordert diesen Lotsen als ersten Ansprechpartner für Betroffene. Der Vorsitzende des Seniorenbeirats, Michael Scherrer, verweist auf das vielfältige Angebot im sozialen Bereich. Es gebe neben kommunalen Stellen noch Wohlfahrtsverbände, sozial ausgerichtete Vereine, Selbsthilfegruppen und kirchliche Angebote. Es sei nicht immer leicht, die richtige Stelle zu finden, an die man sich wenden könne. Die Silberstreif-Vorsitzende hält dies noch aus einem anderen Grund für geboten, denn: „Die Hälfte derer, denen Leistungen zustehen, wissen nichts über die Grundsicherung.“

Hilfsbereite Südpfälzer

Die Hilfe lebt von Spenden. Und die Südpfälzer sind hilfsbereite Leute, das erlebt der Verein immer wieder. Die Patenschaft, die nun im dritten Jahr mit je mindestens 25 Euro im Monat das Taschengeld von bedürftigen Senioren aufbessert, ist eingeschlagen wie eine Bombe. 140 Paten beteiligen sich daran. An Ostern hat der Lions-Club Landau wieder für rund 50 Senioren ein Essen im Otto-Hahn-Gymnasium serviert. Gekocht vom Parkhotel, mit Lebensmitteln von Edeka Kissel SBK, serviert von Vertretern aus dem gesellschaftlichen Leben.

„Wir haben viele Unterstützer“, sagt die Vorsitzende und meint damit auch Firmen und Handwerker, die mit ordentlichen Preisnachlässen aushelfen. Das Engagement sei toll, schwärmt Baumann, und die Zusammenarbeit mit den Netzwerkpartnern nicht mit Gold zu bezahlen. Die Gemeindeschwester plus ist eine wichtige Verbindung in die Wohnzimmer, auch der Pflegestützpunkt Landau. „Ohne die wären wir aufgeschmissen.“

Silberstreif

  • Landau im Gemeindehaus der Stiftskirche, Obergeschoss, dienstags, mittwochs und donnerstags von 10 bis 12 Uhr, Telefon 06341 266 5594
  • Landau-Horst, Mehrgenerationenhaus, donnerstags von 16 bis 17 Uhr
  • Annweiler, VG-Verwaltung, montags von 14 bis 16 Uhr, Telefon 06346 6980974 oder 0178 1751396
  • Edenkoben im Seniorentreff im Alten Rathaus ab Mitte Juni dienstags von 9.30 bis 10.30 Uhr
  • Offenbach, Mehrgenerationenhaus, freitags von 11 bis 12 Uhr, Telefon 0178 1751425

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