Amputierte Stammtisch in Essingen: Geht nicht, gibt’s nicht

 Evi Weis mit Karl Bühler und Bernd Lindner, die das Sportabzeichen gemacht haben, und Arno Schade.
Evi Weis mit Karl Bühler und Bernd Lindner, die das Sportabzeichen gemacht haben, und Arno Schade.

Es gibt gute Gespräche, einen Vortrag von Diana Schütz und Ehrungen für Sportabzeichen. Der Tenor in der Gruppe der Amputierten, zwölf Mitglieder der Gruppe Vorderpfalz sind am Mittwoch im Sportheim des VfL Essingen: Sport ist weit mehr als Bewegung.

Die beinamputierte Diana Schütz hat ein Herzensprojekt, das sie ebenso beharrlich wie erfolgreich verfolgt: Bei „Anpfiff ins Leben“, ansässig in Walldorf, ist sie Koordinatorin für Amputierte in der Zweigstelle in Hoffenheim. Dort möchte sie anderen Amputierten Mut machen Dinge auszuprobieren, von denen sie bisher glaubten, dass sie nicht mehr möglich sein würden. Die Wortkombination „geht nicht“ hat Schütz komplett aus ihrem Repertoire gestrichen. Jedenfalls dann, wenn es sich um sportliche Aktivitäten handelt.

1972 in der DDR geboren, wurde bei ihr im Alter von acht Jahren ein Tumor im Knie entdeckt. Das rechte Bein musste amputiert werden. Nach einer Ausbildung zur umwelttechnischen Assistentin bekam sie keinen Arbeitsplatz, da man Gehbehinderten diese Position nicht zutraute. Mehr Erfolg hatte sie mit der Ausbildung zur Bürokauffrau. Sie arbeitete in verschiedenen Unternehmen und Positionen.

Ski, Inline Skates, Klettern

Als Schütz 2006 aus familiären Gründen nach Wiesloch zog, trieb sie längst Fitness-Sport und traute sich irgendwann auch auf die Skipiste. Sie fährt Fahrrad, Inline Skates und geht an Kletterwände. Über Nordic Walking kam sie zum Laufen und nach der Organisation eines Laufevents, an dem die Teilnehmer Lauffedern für die Prothese testen konnten, überzeugte sie die Macher von „Anpfiff ins Leben“. Sie wurde eingestellt.

Schütz macht deutlich, dass nicht primär der Sport, sondern erst mal die Bewegung an sich im Vordergrund stehe. Dieser Unterschied mache es für Betroffene einfacher, sich für die Sache begeistern zu lassen. Um die Schwierigkeit ein wenig nachvollziehen zu können, müsse man sich der Ausgangslage der Betroffenen bewusstwerden: „Man weiß noch, dass man Auto fuhr und dann setzt die Erinnerung aus. An einen Unfall kann man sich nicht erinnern. Dann wacht man auf und das Bein ist ab. Da denkt man natürlich nicht gleich an Sport.“ An dieser Stelle komme sie und ihr Projekt zum Einsatz. „Mut machen, das Leben geht weiter“, versucht sie Betroffenen zu vermitteln. Unabdingbar dafür sei, sich schnellstmöglich in Gesellschaft zu begeben. In der Gruppe falle dann auch der Anfang, sich der Bewegung hinzugeben, viel leichter.

„Zusammen ist immer besser“

Das wird auch in der Selbsthilfegruppe deutlich. Einer meldet sich: „Ich habe jetzt drei Jahre keinen Sport gemacht und will versuchen, wieder mit Kraftsport zu beginnen. Es ist aber einfach schwer, jemand zu finden, der da mitgeht.“ Genau dafür seien sie und ihr Team da, verdeutlicht Diana Schütz: „Zusammen ist immer besser, deshalb habe ich das auch angefangen, weil ich diese Probleme aus eigener Erfahrung kenne.“

Ihr Projekt bietet eine hohe Bandbreite: Fahrradfahren, Sitzvolleyball, Golf. Beim Fußball werden die Prothesen ausgezogen und wird mit Krücken gespielt. Armamputierte gehen ins Tor. Das Tanzen habe es ihr besonders angetan: Die Schwierigkeit bestehe darin, dass oft nur ein Partner eine Prothese habe. Seien jedoch Fortschritte gemacht, würde die Prothese, wenn man es nicht wisse, im Bewegungsablauf gar nicht auffallen. Auch Abschlussbälle oder Hochzeiten seien damit kein Problem.

Inklusiver Sportabzeichentag

Interessierten sind die Tanzstunden eine Anfahrt von 200 Kilometern wert. Wer sich im Laufen versuchen will, kann Carbonfedern für die Prothese testen. Diese sind für jede Gewichtsklasse vorhanden, eine kostet etwa 5000 Euro.

Arno Schade, Inklusionsbeauftragter beim Leichtathletikverband Pfalz, berichtet von seiner eigenen Erfahrung mit dem Behindertensport. Als junger Sportredakteur schrieb er über amputierte Wintersportler im Schwarzwald, war 2004 bei den Paralympics in Athen Pressesprecher der deutschen Mannschaft. Zusammen mit Evi Weis, Organisatorin der Selbsthilfegruppe und Sport-Inklusionslotsin des Landessportbundes Rheinland-Pfalz, organisierte er 2023 den inklusiven Sportabzeichentag in Deidesheim. In den Disziplinen Leichtathletik und Schwimmen erreichten Karl Bühler (oberschenkelamputiert) und Bernd Lindner (unterschenkelamputiert) das Behindertensportabzeichen in Silber. Der nächste inklusive Sportabzeichentag ist am 21. September in Haßloch.

Kontakt

Der dazukommen will, meldet sich bei Evi Weis, Sport-Inklusions-Lotsin des Landessportbundes Rheinland-Pfalz Region Vorderpfalz, Telefon 0171 5810390, E-Mail: e.weis@silo.lsbrlp.de. Weitere Infos im Internet: https://www.sportbund-pfalz.de/sportwelten/inklusion-im-sport/, https://www.inklusiver-sport-rlp.de/

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