Kreis Germersheim Kommentar: Polizei berichtet irreführend über Kandel-Demos

Kurz vor der Schlägerei in der Rheinstraße: Teilnehmer der AfD-gesteuerten Demo bedrängen die Polizei, links im Hintergrund am T
Kurz vor der Schlägerei in der Rheinstraße: Teilnehmer der AfD-gesteuerten Demo bedrängen die Polizei, links im Hintergrund am Transparent die AfD-Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst, erkennbar an der grünen Jacke.

In Zusammenhang mit den beiden letzten Demonstrationstagen in Kandel wird der RHEINPFALZ vorgeworfen, sie messe mit zweierlei Maß. Über die Angriffe der Antifa auf die Polizei Ende März werde anders berichtet, als über die der Hooligans während der AfD-gesteuerten Demo Anfang März. Zwischen beiden Vorfällen gibt es aber einen Unterschied: Die Hooligan-Übergriffe wurden von mindestens einer gewählten Abgeordneten beobachtet, an der Demo nahmen weitere Abgeordnete teil. Kein Mandatsträger hat die Demo verlassen oder sich von den Übergriffen distanziert. Die Antifa hingegen war isoliert.

Am 3. März war von vorneherein klar, dass die Hooligans Teil der Demonstration der AfD-gesteuerten Plattform „Kandel ist überall“ sind. Der Versammlungsleiter Torsten Frank begrüßte sie als „unsere sportlichen Freunde“, die „vielen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln“, bat sie aber, den „Medien keine Bilder“ zu liefern. Diese Bilder „lieferte“ dann trotz der Ermahnung kurz nach Beginn der Demonstration ein dichter Block von Hooligans in der Rheinstraße. Dieser war an prominenter Stelle eingereiht: Hinter dem ersten Transparent, mit dem die baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Christina Baum die Demonstration anführte, und vor dem zweiten Transparent, das unter anderem von der AfD-Bundestagsabgeordneten Nicole Höchst getragen wurde. Der Abstand zwischen beiden Transparenten war vielleicht 40 bis 50 Meter - und dort liefen überwiegend Hooligans. Für Höchst belegt ein Foto, dass sie die Angriffe auf die Polizei beobachtet haben. Baum lief nur 20, 30 Meter voraus.

Hooligans greifen an

Die Ereignisse wurden bereits ausführlich geschildert: Hooligans griffen Polizisten und Gegendemonstranten an, ein Gegendemonstrant wurde mit einem Faustschlag verletzt, Flaschen oder Dosen flogen gegen Beamte, die Polizei schien kurze Zeit nicht Herr der Lage. Sie ließ die Hooligans unbehelligt weiter ziehen. Als der Zug in die Bahnhofstraße abbog, kam es zu weiteren Ausschreitungen: unter anderem traf eine Flasche einen Polizisten am Kopf, prallte aber an dessen Helm ab. Abends berichtete die Polizei von „Rangeleien“, am späten Abend - nach Redaktionsschluss - ließen diverse Videos im Netz diese Einschätzung als fraglich erscheinen. Ab Montag stellte die RHEINPFALZ Fragen, erhielt vom Polizeipräsidium Ludwigshafen aber über Wochen nur ausweichende Antworten. Erst kurz vor der nächsten Demonstration erfuhr die Redaktion von Augenzeugen, dass die Polizei schon längst ermittelte.

Schnelle und konsequente Reaktion

Am 24. März war von Anfang an klar, das die Antifa-Demonstration nicht Teil der Veranstaltung des Bündnisses „Wir sind Kandel“ ist - auch wenn die Antifa dessen Nähe suchte. Als ein Antifa-Block in Richtung AfD-Demonstranten zog, wurde er von der Polizei 200 bis 300 Meter von deren Zug entfernt gestoppt. Schon zuvor hatte der Anmelder der Antifa-Demo die Versammlung für beendet erklärt und sich von den gewaltbereiten Teilnehmern deutlich distanziert. Auf Angriffe von Antifa-Mitgliedern gegen Polizisten reagierten die Beamten schnell und konsequent. Danach wurde der Block festgehalten, bis die „Kandel ist überall“-Demonstranten Kandel verlassen hatten. Über die Ausschreitungen der Antifa berichtet die Polizei noch am Samstagabend und am Dienstag darauf umfassend. Ein Grund für Fragen ist zur Zeit aus Sicht der RHEINPFALZ nicht zu erkennen. Die Fakten sind einfach und liegen klar auf dem Tisch, weitere Berichte damit unnötig.

Bekennerschreiben für Kabelschachtbrand

Hinzu gekommen ist lediglich ein Bekennerschreiben für einen Kabelschachtbrand, der am Tag der Demonstration die Bahnlinie Karlsruhe/Kandel für drei Stunden lahm legte und Demonstranten an der Anreise hinderte. Das Schreiben tauchte am 31. März auf der linken Website „Indymedia“ auf. Die Polizei teilte auf Anfrage mit, dass sie das Schreiben ernst nimmt und prüft. Aber warum hat die RHEINPFALZ im Fall der Angriffe während der AfD-Demo detailliert recherchiert und noch Wochen später berichtet? Einmal, weil der Bericht der Polizei unserer Ansicht nach irreführend war. Es waren eben nicht bloß „Rangeleien“, sondern mehrere Fälle von Körperverletzung. Da tut es nichts zur Sache, wenn die Hooligans von Gegendemonstranten provoziert wurden: Beleidigungen rechtfertigen keine Schläge und schon gar keine Angriffe auf Polizisten. Zum zweiten, weil die Angriffe auf die Polizisten offenkundig von gewählten Volksvertretern, von Abgeordneten der AfD beobachtet wurden. Sie marschierten mit den Schlägern weiter, als sei nichts geschehen. Das ist neu in der Bundesrepublik.

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