Südwestpfalz Wo die Störche mit Schwenksteaks im Schnabel fliegen

Wenn die Störche aus dem Norden hier Rast machen, sind es deutlich mehr Störche auf den Feldern rund um den Remondisstandort bei
Wenn die Störche aus dem Norden hier Rast machen, sind es deutlich mehr Störche auf den Feldern rund um den Remondisstandort bei Fehrbach.

Vor 24 Jahren kam der erste Storch in die Südwestpfalz zurück. Inzwischen sind hier sehr viele dieser Vögel heimisch. Droht eine Überpopulation?

Der Höhmühlbacher Jäger und Schuhfabrikant Axel Stuppy hat den Storch praktisch wieder in die Region gebracht. 1999 siedelte das erste Paar auf dem Firmengelände. Stuppy kümmerte sich auch um verletzte Tiere. Inzwischen sind es acht Paare in Höhmühlbach und mehr sollen es nicht werden, findet Stuppy, für den es in der Region vielleicht sogar schon zu viele seien. Die Frage, ob es bereits eine Überpopulation gebe, beantwortet er vorsichtig mit: „Ich würde sagen ja.“

Suche nach Wurst und Fleisch

Die Tiere fänden hier riesige Futtervorkommen, und das größte findet sich Luftlinie fünf Kilometer entfernt bei Remondis am Staffelberg bei Fehrbach. Dort wird der Biomüll aus Pirmasens gesammelt für einen Transport zum Kompostierwerk weit weg von der Südwestpfalz. Stuppy kann von Störchen berichten, die mit einem ganzen Schwenksteak im Schnabel zum Nest zurückgekommen seien. Verfüttern konnten sie das Riesen-Fleischstück ihren Jungvögeln aber nicht. Aber selber fressen. Stuppy kann auf Berichte von Bekannten verweisen, die gesehen haben wollen, dass die Störche praktisch jeden Tag bis rund 15.30 Uhr auf den Feldern neben Remondis säßen und das Arbeitsende bei dem Müllentsorger abwarteten. Dann gehe es an den Biomüllhaufen auf dem Gelände, der nach Wurst und Fleisch durchstöbert werde. Das sei kein ungewöhnliches Verhalten für die großen Vögel. Auf ihrer Zugroute fänden sich Störche auch immer auf großen Deponien in Spanien ein. Viele bleiben gleich den ganzen Winter dort, weil es warm genug ist und vor allem genug Futter zu finden sein dürfte.

„Das kann ich auch so bestätigen“, meint der Pirmasenser Pollichia-Vorsitzende Uwe Groh. Das sei bei allen Tieren so, dass sie den bequemen Weg gingen, wenn ihnen der Mensch beispielsweise mit Müllhaufen ein reichliches Futterangebot liefere. Ob das schon eine Überpopulation ist, will Groh nicht unbedingt sagen. Die acht Paare in Höhmühlbach stellten auf keinen Fall eine Überpopulation dar. An der Kirschbacher Mühle bei Dietrichingen sehe es schon anders aus. Dort fänden sich bis zu 40 Paare, und deren Vorkommen sorge bereits für Verdrängungseffekte. Die Froschpopulation gehe zurück, was aber nicht unbedingt der Storch gewesen sein müsse. Allerdings konkurriere der Vogel mit Beutegreifern wie Falke oder Habicht. Die vielen Störche würden schließlich nicht nur Steaks und Würste bei Remondis futtern, sondern auch viele Mäuse und andere Kleintiere, die dann bei Habicht und Falke auf dem Speiseplan fehlen.

Reis will nicht von Überpopulation sprechen

Im Bereich Kirschbacher Mühle sei ein Rückgang von Beutegreifern wohl auf den Storch zurückzuführen, schätzt Groh, der sich aber auch sicher ist, dass die Störche von der Kirschbacher Mühle ebenfalls bei Remondis am Biomüllhaufen zu finden sind. Luftlinie sind es 14 Kilometer bis dahin, was für einen Storch keine Entfernung ist.

Ganz anderer Meinung ist Christian Reis, der für Lebensraumanalysen bei der südpfälzischen Aktion Pfalzstorch zuständig ist. Reis will absolut nicht von einer Überpopulation sprechen. In der gesamten Westpfalz gebe es 170 Paare, die sich allerdings mit rund 90 Paaren im Bereich Pirmasens-Zweibrücken konzentrierten. Die Kirschbacher Mühle mit rund 50 Paaren nach seiner Zählung sei hier der Lieblingsplatz der Tiere. Allerdings kämen dorthin auch Störche aus dem Saarland als Besucher. Der Storch sei ein Koloniebrüter und fühle sich mit seinem Nest immer sehr wohl, wenn am besten noch in Sichtweite weitere Nester zu finden sind. Die Reproduktionsrate bei den südwestpfälzischen Störchen sei mit drei oder vier Tieren pro Nest auch sehr hoch.

„In der Südpfalz ist das nicht so“, berichtet der Storchexperte aus Bornheim. Eine nahe Mülldeponie oder Biomüll-Sammelstelle sei da schon förderlich, aber nicht allein ausschlaggebend. Der Nachwuchs könne nicht mit Würsten und Schnitzeln ernährt werden. In den ersten Wochen brauche ein Jungstorch vor allem Regenwürmer und Insekten. Diese finde der Storch in der Region bequem auf frisch gepflügten Feldern. Fleisch aus dem Müll sei viel zu groß für den kleinen Schnabel. Nur für die Altvögel oder schon größere Jungvögel sei der Biomüll interessant, und hier sei der Storch nicht sonderlich wählerisch. „Der Storch ist ein Aasfresser. Da kann das Steak auch schimmelig sein oder schon mit Würmern durchsetzt. Das nimmt er auch“, berichtet Reis. Was jedoch nicht zutreffe, sei der Mythos vom Storch als Froschfresser. „Er isst manchmal einen Frosch, aber nicht in Massen“, betont Reis, der es nicht für möglich hält, dass an der Kirschbacher Mühle die Frösche durch Störche massiv dezimiert würden.

Natur regelt das von alleine

Grundsätzlich sieht die Aktion Pfalzstorch in der Südwestpfalz eine gute, sich selbst tragende Population der Störche. Wenn es mal zu viel würden, regele das die Natur von alleine, indem es weniger Jungvögel gebe, ist sich Reis sicher.

Bei Remondis wurde Mitte August ein massiver Anstieg der Störche auf dem Firmengelände beobachtet, wenn die Fahrzeuge ihre Ladung abkippten. Remondis-Pressesprecherin Lena Langenkämper führt dies jedoch auf Zugvögel aus dem Norden zurück, die sich auf der Durchreise bei Remondis gestärkt hätten. Aktuell sei kein Vogel mehr da, so Langenkämper. Die Tiere störten den Betrieb nicht. Es entstehe keine Unordnung, wenn der Storch den Biomüll nach Steaks und Würsten durchsucht. Entsprechend plane Remondis auch keine Einhausung oder Netze, um die Vögel vom Biomüll abzuhalten.

x