Geiselberg Von der Fahrgemeinschaft bis zur Wohngemeinschaft: Das Projekt Zukunftsdorf

Geiselberg möchte Zukunftsdorf werden. Das katholische Pfarrheim könnte dabei ein wichtiger erster Baustein werden, um zum Beisp
Geiselberg möchte Zukunftsdorf werden. Das katholische Pfarrheim könnte dabei ein wichtiger erster Baustein werden, um zum Beispiel im Bereich Betreuung und Pflege erste Ansätze anzustoßen.

Schubkraft in ein Dorf zu bringen, es fit zu machen für die Zukunft: Das ist Ziel des Projektes Zukunftsdorf, das die Bürgerstiftung Pfalz umsetzen will. In Geiselberg verfolgt die 2020 lokal gegründete Bürgerstiftung dieses Ziel. Konkret geht es zunächst um die Möglichkeiten für eine Bürger-Energiegenossenschaft.

Durch die bereits bestehende örtliche Bürgerstiftung habe Geiselberg beste Voraussetzungen als Zukunftsdorf, hatte Christiane Steinmetz, die Vorsitzende der Bürgerstiftung Pfalz erklärt, als die Idee und Konzeption des Zukunftsdorfes dem Gemeinderat erläutert wurde. Zwei Zukunftsdörfer gibt es bereits: Kirrweiler in der Südpfalz und Marienthal (Ortsteil von Rockenhausen) in der nördlichen Pfalz. Ziel der Zukunftsdörfer sei es, sich zu einer zukunftsfähigen Gemeinde zu entwickeln, erläutert Steinmetz, oder wie die Zukunftsdorf auf Genossenschaftsbasis es beschreibt: „Einfach tun, wovon andere nur reden“. Es gehe darum, den Wandel des Dorfes aktiv mitzugestalten.

Die Dörfer sollen ermutigt werden, ihre bestehenden Konzepte der Dorfplanung und der Dorfarchitektur, der Energieerzeugung, des Verbrauchs, der Versorgung, der Mobilität und des Zusammenlebens zu überdenken und zukunftsorientiert zu gestalten. In Geiselberg sind 52,5 Prozent der Bewohner älter als 50 Jahre. Es gibt ein Gewerbegebiet. Geiselberg kann mit 95 Arbeitsplätzen im Ort punkten. Statistisch pendeln von 331 Arbeitnehmern im Ort 309 aus. Einige nicht sehr weit, da sie in der Nachbargemeinde Heltersberg arbeiten.

Wie sich Senioren künftig versorgen können

Es gibt noch einen Bäcker, aber keine weiteren Einkaufsmöglichkeiten, keine Gastronomie, keinen Kindergarten, keine Apotheke, keinen Arzt und keinen Geldautomaten. Das bedeute, resümiert Steinmetz, dass Selbstversorgung ohne Mobilität im Ort fast nicht möglich ist. Die Anzahl der Vereine war rückläufig. Ein großes Plus sei die Bürgerstiftung, die eine Plattform über Vereins- und Parteigrenzen hinweg ist. Sie kann Projekte initiieren und eine nachhaltige Dorfentwicklung für alle Bürger fördern.

Den Ist-Zustand eines Dorfes zu kennen sei wichtig, erklärt Steinmetz. Die Bürger müssen vom Ist-Zustand ausgehend festlegen, in welche Richtung sie sich mit ihrem Dorf entwickeln wollen. Mache man nichts, entwickele sich nichts und der Trend zur Überalterung halte an.

Gemeinschaftsbildung als wichtiges Feld

Zehn sogenannte Innovationsfelder gibt es. In mindestens vier bis fünf muss gleichzeitig etwas angestoßen werden, um Zukunftsfähigkeit zu erreichen. Gemeinschaftsbildung ist ein Feld. Darunter ist zu verstehen, dass sich die Menschen dem Ort zugehörig fühlen, nicht nur billig wohnen wollen. Lebensbildung heißt, dass die Menschen im Dorf voneinander lernen können und sollen. Gesundheit und Pflege ist das dritte Feld, das vielen Menschen in den Dörfern oft unter den Nägeln brennt. Hierfür gibt es von Seiten der Bürgerstiftung Überlegungen, das bisherige katholische Pfarrheim künftig auch für Angebote aus diesem Bereich zu nutzen. Gespräche mit der Kirchengemeinde über das Haus laufen bereits. Das Zukunftsdorf Kirrweiler hat ein Projekt initiiert, das auch für Geiselberg Vorbild sein könnte: einen Bau in der Ortsmitte, der zum Teil betreutes Wohnen anbietet, generationenübergreifendes Wohnen ermöglicht.

Vorzeigeprojekt: Stiftung übernimmt Baugebiet

Das bietet Synergieeffekte mit dem vierten Bereich, der Bauen und Wohnen umfasst. Hier geht es um Nachhaltigkeit, hohe energetische Standards, die einhergehen sollen mit einem geringeren Flächenverbrauch, auch wenn das Ziel ist, das Dorf so attraktiv zu gestalten, dass Menschen zuziehen. Marienthal hat hier ein Vorzeigeprojekt gestartet. Dort kauft die Bürgerstiftung ein komplettes Baugebiet. 60 Wohneinheiten werden gebaut. Im Schnitt stehen jedem künftigen Bewohner 30 Quadratmeter zum individuellen Wohnen zur Verfügung. Höre sich für Dorfbewohner erst mal wenig an. Aber es gibt gemeinschaftlich nutzbare Räume und mit Blick auf die Altersstruktur in den Dörfern und steigende Energiekosten werde das für viele Menschen attraktiv werden.

Gewinn bleibt vor Ort

Mit diesem Vorzeigeprojekt wurde ein Bundeswettbewerb gewonnen und damit 1,5 Millionen Euro. Die werden genutzt, um zum Beispiel an nachhaltigen Baustoffen zu forschen, verdeutlicht Steinmetz, welche Möglichkeiten sich – auch finanziell – einem Zukunftsdorf eröffnen. Auf dem Weg zum Zukunftsdorf erhält eine Gemeinde viel professionelle Unterstützung. In Marienthal bedeutet das zum Beispiel, dass die Zukunftsdorf eG den Zwölf-Millionen-Euro-Invest tätigt. Sie pachtet dazu das Gelände von der Bürgerstiftung, der es gehört. Was erwirtschaftet wird, verbleibt in der Genossenschaft. Es werde ein Kreislaufsystem geschaffen, von dem Gemeinde und Bürger profitieren.

Kombinieren lassen sich diese Felder mit dem Innovationsfeld Postfossile Mobilität. Car-Sharing ist hier zum Beispiel ein Thema oder Fahrgemeinschaften für Fahrten zum Arzt.

Unabhängiger werden bei Energie und Versorgung

Energie und Stoffströme heißt ein weiteres Innovationsfeld, und das hat die Geiselberger Bürgerstiftung bereits in den Fokus genommen. Durch den Ukrainekrieg und dessen Folgen für die Energieversorgung hat Energieautarkie enorm an Bedeutung gewonnen. Kirrweiler geht hier den Weg mit einer eigenen Freiflächenphotovoltaikanlage.

Aus all dem resultieren neue Arbeitsfelder und Arbeitsplätze. Die Energieinvestitionen in Kirrweiler schaffen im Gesamtpaket 15 Arbeitsplätze im Ort.

Selbstversorgen hat durch die explodierenden Preise bei den Nahrungsmitteln auch an Bedeutung gewonnen. Erzeugen und Ernähren ist ein Innovationsfeld. Eine übergreifende Klammer ist bei allem das am Gemeinwohl orientierte Wirtschaften. Gewinne verbleiben im Ort, gehen nicht an externe Investoren.

Infoabend

„Bürger machen Energie“ heißt die Veranstaltung, die die Bürgerstiftung Geiselberg am Freitag, 20. Januar, im katholischen Pfarrheim in Geiselberg anbietet (Beginn: 18 Uhr). Es soll darüber diskutiert werden, welche Potenziale innerhalb der Gemeinde genutzt werden können, wie die Wertschöpfung in der Gemeinde bleibt und wie Energie nachhaltig gesichert werden kann. Bürger-Energiegenossenschaften sind ein Thema. Referenten sind Dietmar Freiherr von Blittersdorff, Berater und Unterstützer zur Gründung von (Energie-)Genossenschaften, Stefan Paul, Vorstand der Bürger-Energiegenossenschaft Südwestpfalz/Saarpfalz, Manfred Seibel (Klimaschutzbeauftragter des Landkreises Südwestpfalz) und Christiane Steinmetz von der Bürgerstiftung.

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