Kreis Südwestpfalz Schnelligkeit und Hilfe

KAISERSLAUTERN

. 14 Operationen hat Viktor Silkin seit dem vergangenen Mai überstanden. Theoretisch könnte er tot sein. Der Flugzeugingenieur aus Russland, der hier wohnt und bisher als Bauarbeiter sein Geld verdient hat, verunglückte vor acht Monaten auf einer Baustelle in Landau. Eine Hauswand stürzte auf Silkin, der gerade in der Tiefgarage des Hauses arbeitete. Das 150 Kilo schwere Teil hing an einem Kran und stürzte aus sechs Metern Höhe auf den 44-Jährigen. Überlebt hat er, weil sowohl seine Rettung als auch die nachfolgende Behandlung optimal verlief. Ein Beispiel, das Oberarzt Markus Muhm von der Unfallchirurgie des Westpfalz-Klinikums, gerne im Zusammenhang mit der Existenz des Traumanetzwerks Pfalz nennt. Die Hauswand hat dem Lauterer elf Wirbelkörper, alle zwölf Rippen auf der rechten Seite und das rechte Schulterblatt gebrochen. Mehrere Beckenfrakturen kamen dazu, die Haut auf dem Rücken war mit einem Riesenbluterguss unterlaufen. Eine schwere Blutung im hinteren Bauchraum musste schnell gestoppt werden, denn das Blut drückte der Lunge den Atem weg. „Am Anfang haben wir geglaubt, dass er es nicht überlebt“, sagt Muhm im Rückblick auf das vergangene dreiviertel Jahr und im Hinblick auf die Netzwerk-Idee. Von der Unfallstelle wurde Viktor Silkin mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus Landau gebracht; eines von vier regionalen Traumazentren in der Pfalz. Hier wurde die Erstversorgung gemacht und vor allem wurde sein Kreislauf stabilisiert. Nach drei Tagen wurde der Lauterer mit einem Spezialhubschrauber aus Hessen ins Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern als eines von zwei überregionalen Traumazentren in der Pfalz verlegt. Fast fünf Wochen lag der 44-Jährige im Westpfalz-Klinikum auf der Intensivstation, wurde 14-mal operiert und bekam zudem in dieser Zeit − wegen seines geschwächten Organismus’ − alle Infekte, die man sich nur holen kann. Er lag in einem Spezialbett aus Luftkissen, das sich zudem komplett um die eigene Achse drehen kann, was unter anderem für das Durchlüften der Lunge wichtig ist. Nach acht, neun Wochen wurde der Lauterer zur Reha nach Ludwigshafen gebracht. Inzwischen absolviert er seine Reha ambulant in Kaiserslautern. Das Ziel des Traumanetzwerks Pfalz schildert der Oberarzt so: „Es geht darum, schwer verletzte Patienten in eine Klinik zu bekommen, in der man ihnen am besten und so schnell wie möglich helfen kann.“ Bei Unfällen wie dem Silkins retten Schnelligkeit und Kompetenz das Leben, denn 60 Prozent der Verunglückten verbluten in den ersten vier Stunden nach dem Unfall. Als Faustregel der Chirurgen gilt: Vom Unfall bis auf den OP-Tisch sollten nicht mehr als 90 Minuten vergehen. Das funktioniert im Traumanetzwerk Pfalz reibungsloser, weil die Rettungsdienste und Ärzte ihre Ansprechpartner kennen, wissen, welches Krankenhaus wie ausgestattet ist. Denn um lokales, regionales oder überregionales Traumazentrum zu werden, bedarf es einer vorgeschriebenen Ausstattung, wie im Fall Silkin unter anderem etwa das Spezialbett oder einen Schockraum. Viktor Silkin, der mit seiner Frau und seinen beiden Kindern seit zwölf Jahren in Kaiserslautern lebt, hat das Schlimmste überstanden, aber es liegt auch noch Schweres vor ihm. Die ambulante Reha, bei der Silkins Beweglichkeit verbessert wird, geht weiter. Außerdem muss er wahrscheinlich erneut am Schulterblatt operiert werden. Bis vor kurzem stand noch eine Lebertransplantation im Raum, weil das Organ wegen der vielen starken Medikamente großen Schaden genommen hat. „Momentan scheint es besser zu werden“, glaubt Muhm, der mit einer Reha-Zeit von bis zu drei Jahren rechnet.

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