Kreis Südwestpfalz „Bevölkerung altert, jemand muss sich kümmern“

Beim Urnengang am 25. Mai bestimmen die Bewohner des Saarpfalz-Kreises den Nachfolger des aus Altersgründen scheidenden Landrats Clemens Lindemann (SPD), der seit 1985 an der Spitze der Homburger Kreisverwaltung steht. Zur Wahl stehen das Kreistagsmitglied Theophil Gallo (SPD) aus Bexbach und der Erste Kreisbeigeordnete Peter Nagel (CDU) aus Erfweiler-Ehlingen. Gerhard Müller sprach mit Theophil Gallo über dessen politische Ziele.

Mit Clemens Lindemanns bevorstehender Pensionierung geht im Saarpfalz-Kreis eine Ära zu Ende. Es ist sicherlich keine einfache Aufgabe, in diese großen Fußstapfen zu treten ...

Das stimmt; andererseits stand auch ich im Berufsleben wiederholt vor sehr anspruchsvollen Aufgaben, die ich mir dann aber auch zutraute und meistern konnte. In dem Unternehmen, für das ich tätig bin, musste ich immer wieder stark techniklastige Probleme lösen, obwohl ich von Haus aus kein Techniker bin. Das gilt auch für den erfolgreichen Abschluss eines Projekts, dass bei der Übertragung an mich schon „auf Rot“ stand. Große Herausforderungen habe ich noch immer gemeistert. Was gibt es für einen Landrat im Saarpfalz-Kreis heute zu tun? Welche politischen Prozesse kann er persönlich beeinflussen und gestalten? Die Ausgaben im Kreis-Haushalt sind zu 95 Prozent zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben vorgegeben – für Sozial- und Jugendhilfe, Bauamt, Straßenverkehrsbehörde und so weiter. Aber deren Umsetzung hat ganz viel mit den handelnden Personen zu tun. Zum Beispiel Arbeitsvermittlung, Sozialhilfe und Hartz IV: Da kann man viel gestalten. Clemens Lindemann setzte hier Schwerpunkte im Bereich Ausbildung, Förderung von Arbeitslosen und Bürgerarbeit. Wir brauchen einen zweiten Arbeitsmarkt, um auch solchen Menschen Beschäftigung zu geben, die anderweitig nicht unterkommen. Das hat mit Selbstwertgefühl, Stolz und Würde der Betroffenen zu tun. Leider wird jetzt die Bürgerarbeit abgeschafft; die Menschen rutschen in die Sozialhilfe und werden letztlich fürs Nichtstun bezahlt. Obwohl sie viel lieber eine Aufgabe hätten. Da sind wir im Moment dran. Wir versuchen, im Saarland ein Modellprojekt für den zweiten Arbeitsmarkt auf den Weg zu bringen. Ich denke da an Tätigkeiten etwa bei der Betreuung älterer Mitbürger; man könnte Fahrdienste für Senioren einrichten, die in den Dörfern wohnen und in die Stadt müssen. Etwa zum Einkaufen oder zum Arzt. So etwas muss vom Kreis natürlich organisiert werden. Mit diesem Blickwinkel stehen Sie in der Tradition Clemens Lindemanns? Das muss aber noch mehr werden. Ich hatte die Federführung beim Erstellen eines Kreis-Konzepts für Zukunftssicherung, bei dem es zum Beispiel um das Thema Betreuung geht. Da muss es hauptamtliche Ansprechpartner geben, die sich kümmern und die Ehrenamtler entlasten. Ich fordere auch die Einführung eines Saarpfalz-Gipfels: Das soll nicht irgendein Runder Tisch sein, sondern eine ständige Steuerungs- und Lenkungsgruppe. Da sollten die Entscheider aus allen relevanten Gruppen rein; neben dem Landrat die Bürgermeister und Krankenkassen, Sozialverbände und andere Organisationen, die an der Aufgabe Demografischer Wandel arbeiten. Da läuft im Moment noch vieles parallel. In diesem Gremium könnten wir entscheiden, welche bestimmte Aufgabe vorrangig etwa von der Awo, vom VDK oder anderen Organisationen übernommen wird. Der Landrat als übergeordnete Verwaltungsbehörde muss Organisator des Saarpfalz-Gipfels sein. Gibt es Dinge, in denen Sie sich von Clemens Lindemann unterscheiden? Wir sollten ein funktionierendes System nicht ohne Not umkrempeln. Mit Sicherheit werde ich mich im ersten Amtsjahr aber intensiv um die Verwaltung als solche kümmern – um das Personal. Ressourcen, die wir heben müssen, gibt es in jedem Unternehmen, in jeder Verwaltung. Da sind kreative Menschen mit Ideen, die mehr können. Die muss man fördern. Beim demografischen Wandel will ich mehr Gas geben. Zum Beispiel fallen uns in den nächsten zehn Jahren mehr als die Hälfte aller niedergelassenen Ärzte aus Altersgründen weg. Der Landrat ist für die flächendeckende Gesundheitsvorsorge verantwortlich. Hier könnte dem Kreiskrankenhaus in St. Ingbert eine noch wichtigere Rolle zukommen. Wir sollten über Ärztehäuser nachdenken oder über einen ambulanten Gesundheitsdienst, der in die Dörfer fährt. Der demografische Wandel ist unsere große Herausforderung. In den nächsten 15 Jahren steigt die Zahl der über 80-Jährigen um über ein Drittel. Diese Menschen können und wollen nicht mehr Auto fahren. Die sitzen dann zuhause. Um sie muss sich jemand kümmern. Dienstleistungen und die Versorgung müssen wir hin zu den Menschen bringen. Bitte schildern Sie einige Eckpunkte zu Tourismus und Kultur. Wir haben das wunderschöne Bliestal und weitere Kleinodien. Ich habe übrigens noch eine ganz bestimmte Idee für Bexbach im Kopf, das kann ich Ihnen aber heute noch nicht verraten. Ganz deutlich spreche ich mich gegen die beantragte Erweiterung des Kalk-Abbaus in Rubenheim aus. Es gibt dort eine Genehmigung, die in ein paar Jahren ausläuft. Davon, wie es dort aussieht, bin ich nicht erfreut. Unter Abwägung aller Interessen – auch mit Blick auf Arbeitsplätze – müssen wir den Natur- und Landschaftsschutz in der Biosphärenregion wahren. Wir sollten es nicht zulassen, dass dort eine Mondlandschaft mit Staub, Bagger- und Fahrzeuglärm über viele Jahre weiter existiert. Der Saarpfalz-Kreis hat keine Berge und Seen wie andere Regionen; da ist eine unbelastete, homogene Landschaft umso wichtiger. Das weiß ich auch als Wanderer. Wie kann man die Zusammenarbeit mit den Pfälzer Nachbarn ausbauen? Als ich die Idee eines Saarpfalz-Gipfels entwickelte, dachte ich sofort darüber nach, hier auch die Regionen Zweibrücken, Pirmasens und Kaiserslautern mit ins Boot zu holen. Ich glaube jetzt aber, dass wir das in einem zweiten Schritt angehen sollten: Erst müssen wir schauen, was direkt vor der eigenen Haustür los ist. Aber dann sollten wir den intensiveren Kontakt zu den Nachbarn suchen. Wie sieht Ihr Standpunkt zum Thema S-Bahn nach Zweibrücken aus? Ich sag’ mal: „Nice to have“ – schön, wenn wir so etwas haben. Aber im Moment haben wir ganz andere Probleme. Die bestehen in der Finanzierung der Kinderbetreuungs-Einrichtungen, für die der Kreis in Vorlage treten muss. Hier gilt es gesetzliche Ansprüche zu erfüllen und politische Versprechen einzulösen. Und im Saarpfalz-Kreis müssen wir dafür sorgen, dass die ländlichen Regionen im Bliestal nicht abgekoppelt werden. Das halte ich im Moment für vordringlich. Und der Nahverkehr mit Zweibrücken funktioniert ja. (ghm)

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