Südwestpfalz Agroforst: Was hinter der Rückkehr der Bäume auf die Äcker steckt

Kleine Pappelplantagen auf Äckern helfen bei der Anpassung an den Klimawandel.
Kleine Pappelplantagen auf Äckern helfen bei der Anpassung an den Klimawandel.

Kleine Pappelplantagen auf Äckern sollen Landwirtschaft und die benachbarten Dörfer dem Klimawandel besser anpassen. Das Holz könne zudem für Nahwärmenetze verheizt werden. Bei einer Infoveranstaltung in der Kreisverwaltung zeigten sich die Landwirte reserviert und fordern mehr Geld.

Agroforst nennt sich das Konzept, das den Trend zum baum- und heckenfreien Acker umkehren soll. Jörg Böhmer vom Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (Ifas) sieht in kleinen über die Ackerlandschaft verstreuten Baumplantagen großes Potenzial für die Gesellschaft im Ganzen, aber auch für die Landwirtschaft selbst. Erosion würde vermindert, Wasser auf der Fläche gebunden und damit Hochwasserschutz betrieben. Der Acker würde zum Schwamm, der Regen aufsauge und nach unten ableite. Die benachbarten Äcker würden direkt davon profitieren, auch wenn der Schatten durch die kleinen Bäume auf der anderen Seite das Wachstum vielleicht hemmen könnte. Zudem stellten die Baumstreifen einen effektiven Windschutz dar.

Die Niederwaldstreifen würden außerdem durch Humusbildung und ihre Wurzeln Kohlenstoff speichern. Gleichzeitig könne das Holz nach fünf bis zehn Jahren geerntet werden und in Heizkraftwerken fossile Brennstoffe ersetzen, erläuterte Böhmer und präsentierte mehrere schon bestehende Agroforstprojekte. Der Heizungshersteller Vissmann beispielsweise besitze mehrere Agroforstflächen, mit denen die Firmengebäude mit 5000 Mitarbeitern beheizt würden, so Böhmer. In Ostdeutschland würden die Baumstreifen als Windschutz gute Dienste leisten. Versuche im Donnersbergkreis zeigten, dass die Erosion, also das Abschwemmen von wertvollem Boden bei Regen, deutlich vermindert werde. „Das hat enormes Potenzial“, schwärmte Böhmer. Zusammen mit den schon vorhandenen Abflussmodellen, die vielerorts für Starkregenkonzepte erstellt wurden, könnten gezielt Flächen ausgesucht werden, die ideal für das Aufhalten der Wassermassen sein könnten. In Bannmühle bei Odernheim gebe es einen Hof, der Nuss- und Kastanienbäume als Streifen angepflanzt habe, um Wasser in ansonsten trockene Bereiche der Hofflächen zu leiten. „Da lässt sich mit wenig Arbeit gutes Geld verdienen“, findet Böhmer.

Künftige Quelle für Holz?

So ein Baumstreifen werde in der Regel mit Pappeln bepflanzt, die sich in der hiesigen Region bewährt hätten. Die Pappeln zum Anpflanzen bestehen aus Ruten ohne Wurzelwerk, die in einer Reihe in die Erde gesteckt werden. Schon in den ersten Monaten wüchsen die Bäume auf eine Höhe von zwei bis vier Metern, so Böhmer. 1500 bis 3000 Bäume pro Hektar ließen sich so pflanzen. Geerntet werden könne mit Häckselmaschinen oder Forstgeräten.

Böhmer warb für die Agroforstprojekte, die jetzt realisiert werden müssten, da in wenigen Jahren der aktuelle Holzüberschuss aus dem normalen Forst abebben werde. Das käfergeschädigte Fichtenholz werde dann aus den Wäldern geholt worden sein, und der Forst sei momentan ohnehin mit Experimenten zur Klimastabilität künftiger Wälder gut beschäftigt.

Seibel: Agroforst hält Wertschöpfung in der Region

Ein positiver Nebeneffekt der Mini-Holzplantagen sei die höhere Artenvielfalt. Die Baumstreifen seien perfekte Brutflächen für Vögel. Viele Nützlinge für die Landwirtschaft und auch Regenwürmer würden sich dort gut vermehren und auf die Äcker zurückwandern. Der Bewuchs unter den Bäumen sei ein Hort der Biodiversität. Die Flächen würden allerdings auch gerne von Geflügelhaltern als „Hühnerwald“ genutzt.

Mit Agroforst könne ein großer Teil der Wertschöpfung in der Region gehalten werden, meinte auch Kreisbeigeordneter Manfred Seibel (Grüne). In der Südwestpfalz würden jedes Jahr durch das Heizen mit Öl und Gas rund 60 Millionen Euro aus der Region in den Nahen Osten oder andere Länder abfließen. Wegen der kommunalen Wärmeplanung müssten auch hier Wärmenetze entwickelt werden und für die könne der Brennstoff vor der Haustür auf dem Acker gewonnen werden, so Seibel. Die Arbeitsplätze entstünden hier. Seibel verwies auf eine Holzhackschnitzelheizung in Hauenstein, mit der die Feuerwehr und das THW beheizt würden. Diese müsse ihren Brennstoff derzeit noch aus dem Schwarzwald beziehen, weil vor Ort nicht genug Hackschnitzel produziert würden.

Landwirte wollen Förderungen abwarten

Die Idee stieß bei den rund zwei Dutzend Landwirten bei der Infoveranstaltung auf reserviertes Interesse. Ein Landwirt sprach von Ernüchterung angesichts der Verdienstmöglichkeiten, die Böhmer vorrechnete. Es fehle an passenden Beihilfen für die Landwirte. Uwe Bißbort, Kreisvorsitzender des Bauernverbandes, hält das Konzept für gut, mahnte aber auch mehr Förderung an. Die Gemeinden, die vom Hochwasserschutz durch Agroforstflächen in der Nachbarschaft profitierten, sollten den Landwirten auch etwas dafür zahlen, findet der Bauernvertreter.

Einen Ansatz, den auch Kreisbeigeordneter Seibel gut findet. Für die Vorsorge gegen Starkregen würden technische Bauwerke wie Regenüberlaufbecken mit bis zu 90 Prozent vom Land bezuschusst. Diese Zuschüsse wünscht sich Seibel auch für Agroforstprojekte, die einen ähnlichen Schutz bieten könnten. Vorstellbar wäre auch, dass Windkraftprojekte Ausgleichszahlungen für Agroforstprojekte leisten. Das sei in der Diskussion, so Böhmer. Die anwesenden Landwirte wollen konkrete Förderzusagen noch abwarten. Bißbort brachte es auf den Punkt: „Wenn nicht zusätzliches Geld reinkommt, steigen wir nicht ein.“

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