Kreis Südliche Weinstraße Zusätzliche Kapazitäten nötig

„Keine Bomben auf den Kopf, etwas zu Essen und regelmäßig mit den Eltern telefonieren – das reicht manchen, um zur Ruhe zu kommen. Andere wachen nachts zehnmal schreiend auf.“ Claudia Porr, Referatsleiterin im Integrationsministerium des Landes, spricht von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Im Jugendhilfeausschuss des Kreises plädiert die Expertin dafür, die Jugendlichen individuell zu beurteilen, zu betreuen und vor allem sie selbst zu fragen, was sie brauchen. Bis Ende 2014 lag die Zuständigkeit für die jugendlichen Flüchtlinge jeweils bei dem Bundesland, in dem sie angekommen sind. Dadurch sei die Verteilung sehr ungleich gewesen. Mittlerweile gebe es jedoch eine Aufnahmeverpflichtung aller Länder nach dem Königsteiner Schlüssel. In Zahlen bedeutet das: Rheinland-Pfalz muss 4,8 Prozent der Minderjährigen aufnehmen. Und der Kreis Südliche Weinstraße, der sich aktuell um 23 Jugendliche aus Syrien und Afghanistan kümmert, muss sich in diesem Jahr auf 90 Ankömmlinge einrichten. „Wir brauchen regionale Strukturen und differenzierte Hilfsangebote, weil die unbegleiteten Minderjährigen so unterschiedlich sind“, sagt Claudia Porr. Die Spanne reiche von relativ selbstständigen jungen Erwachsenen bis zu traumatisierten Jugendlichen, die im Stadium eines Kindes stehengeblieben sind. Sie resümiert: „Die Betreuung dieser jungen Menschen wird die Kinder- und Jugendhilfe nachhaltig verändern.“ „Wir müssen zusätzliche Kapazitäten schaffen“, nimmt Peter Lerch den Faden auf. Unter anderem sei geplant, eine Clearing-Gruppe mit acht Plätzen in Herxheim einzurichten. Beim Trifels-Gymnasium in Annweiler könnten zehn minderjährige Flüchtlinge einziehen, einige Plätze für betreutes Wohnen stünden zur Verfügung. Auf großes Interesse sei eine Informationsveranstaltung für potenzielle Gastfamilien von jungen Flüchtlingen gestoßen, rund 100 Menschen kamen ins Kreishaus. Übriggeblieben seien 13 interessierte und geeignete Familien, die jetzt auf ihre Gäste warten. Falls die Kapazität nicht ausreiche, habe man noch zwei Immobilien im Auge und könne eventuell auf bestehende Einrichtungen in anderen Regionen zurückgreifen. Aber, so Lerch, „momentan können wir den zu erwartenden Bedarf decken“. Marcus Ehrgott (CDU), erster Kreisbeigeordneter und für Jugend, Familie und Sport zuständiger Dezernent, mahnte zur Flexibilität: Es gelte darauf zu achten, keine teuer bezahlten Leerplätze vorzuhalten. Auch jüngere Flüchtlingskinder beschäftigen das Jugenddezernat. Rund 140 Jungen und Mädchen unter sechs sind ins Kreisgebiet gekommen und viele von ihnen besuchen eine Kindertagesstätte. „Die Betreuung in Kitas ist die beste Integration“, ist Ehrgott überzeugt. Er betont ausdrücklich, der Anspruch bleibe bestehen, dass alle ein- bis sechsjährigen Kinder, egal welcher Herkunft, einen Platz finden können, wenn ihre Eltern das wollen. Engpässe in der Kita-Versorgung könnten im Raum Rhodt/Edesheim und in Bad Bergzabern entstehen, befürchtet Peter Lerch. Zurzeit liefen Gespräche mit den Gemeinden über den Bedarfsplan. Man sei im Kreis lange davon ausgegangen, dass die Kapazität der Betreuungsplätze ausreiche, „aber mit den Flüchtlingszahlen stehen wir vor einer neuen qualitativen und quantitativen Herausforderung“. (rire)

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