Kreis Südliche Weinstraße Unfallursache bleibt im Dunkeln

91-86840110.jpg

Der gestrige Tag vor dem Amtsgericht Landau ist für alle Betroffenen eine sichtliche Belastung. Gesenkten Hauptes und mit zittrigen Händen betritt der Angeklagte den Sitzungssaal. „Es tut mir über alles leid. Ich denke jeden Tag daran und mache mir Vorwürfe“, werden vier Stunden später seine abschließenden Worte sein. Die 33-jährige Frau, die an jenem Schreckenstag ihren Mann und wenig später ihr Baby verloren hat, wirkt gebrochen, muss sich immer wieder die Tränen aus den Augen wischen. Beide sind noch immer wegen ihrer schweren körperlichen Verletzungen und psychischen Probleme in Behandlung. Die Opfer-Familie hat zudem massive finanzielle Schwierigkeiten. Richter Jörg Bork erklärt den 29-jährigen Angeklagten schließlich für schuldig – das stand von keiner Seite in Abrede. Wie es zu dem Unglück kam, kann er aber auch durch die Zeugenbefragungen nicht aufklären. Der Verursacher kann sich nicht mehr erinnern, alle infragekommenden Gründe sind nicht belegbar, so verbleibt am Ende ein großes Fragezeichen. Der 10. August 2015 war ein schöner Sommertag, gute Straßenverhältnisse, gegen 17.30 Uhr kein weiterer Verkehr auf der kerzengeraden K 6 zwischen Altdorf und Venningen. Der junge Mann war gerade auf dem Weg von seiner Mutter zurück in den Edenkobener Familienbetrieb, als er plötzlich mit seinem weißen VW Scirocco auf die Gegenfahrbahn wechselte und frontal in den Ford Focus Kombi der Familie hineinprallte. Ein „technisch beherrschter Spurwechsel“, wie der Kfz-Gutachter gestern angibt. Ein hinter dem Ford fahrender Mercedesfahrer konnte nicht mehr ausweichen und kollidierte mit den beiden Autos. Die wenig später eintreffenden Rettungskräfte trafen auf vollkommen zerstörte Fahrzeuge und verletzte Menschen. Für den Familienvater kam jede Hilfe zu spät. Staatsanwältin Funda Neher legt dem im Nordkreis lebenden Angeklagten dafür fahrlässige Körperverletzung in drei Fällen und fahrlässige Tötung zu Last. Die Erinnerungen an den Tag seien für ihn wie „verschleiert“, an den Unfallhergang könne er sich gar nicht mehr erinnern. Vier Tage lag er danach im Koma. „Ich bin ein vorsichtiger Fahrer. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte“, gibt er an. Mit 18 Jahren habe er seinen Führerschein gemacht, sei aber meist per Rad oder zu Fuß unterwegs gewesen. Ein halbes Jahr habe er auf ärztliche Anweisung gar nicht fahren dürfen. Damals litt er an epileptischen Anfällen, war für ein, zwei Minuten ganz weg, zitterte, krampfte, hatte danach keine Erinnerung mehr und war den ganzen Tag noch neben der Spur. Er sei bei mehreren Ärzten gewesen, schließlich habe eine Ernährungsumstellung und Sport die Situation verbessert. So habe der letzte Anfall ein, zwei Jahre vor dem Unfall zurückgelegen. Auch der medizinische Sachverständige stellt gestern keinen Anhaltspunkt für einen Anfall zum Unfallzeitpunkt fest. Alkohol, Drogen, Medikamente, Herumspielen mit dem Handy, ein Hindernis auf der Straße oder zu schnelles Fahren – das kann das Gericht alles ausschließen. Sicherlich war der Angeklagte, der von seiner Mutter als „sensibel“ beschrieben wird, an dem Tag etwas mitgenommen. Am Morgen hatte er eine kleine Auseinandersetzung mit seinem Vater wegen der Firma – aber nichts Außergewöhnliches, wie die Familie versichert. Nächtliche Anrufversuche zwischen Mutter und Sohn werfen bei Richter Bork noch Fragen auf. Gegenüber einem Feuerwehrmann soll der Angeklagte, noch verletzt im Auto eingeklemmt, mehrfach geäußert haben: „Alles scheiße.“ Und meinte damit nicht nur die Vater-Sohn-Situation, sondern auch das Scheitern seiner Ehe im Jahr zuvor. Aber eine Suizidabsicht habe der Mann nicht geäußert, bestätigt der Feuerwehrmann dem Gericht. „Er war ein lebensfroher Mensch und hatte Ziele“, pflichtet auch seine Familie bei. Bleibt ein „fürchterlicher Unfall“, der nicht hätte passieren dürfen, „obwohl wir wissen, dass schwere Unfälle immer wieder passieren“, wie Richter Bork resümierte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Verurteilter und Staatsanwältin verzichten auf Rechtsmittel, die Nebenklägerseite berät sich noch. |höj

x