Rohrbach Jäger verwechselt Stute Gina mit Wildschwein

Seit 40 Jahren betreibt Familie Lohnert die Pferdekoppel am Klingbach.
Seit 40 Jahren betreibt Familie Lohnert die Pferdekoppel am Klingbach.

Gegen halb zwei in der Nacht wird Familie Lohnert in Rohrbach aus dem Tiefschlaf gerissen. Die Polizei steht vor der Tür und überbringt eine schockierende Nachricht: Auf der Koppel der Lohnerts sei ein Pferd erschossen worden. Wie es zu dem Unglück kommen konnte, ist auch Tage später nur schwer zu fassen.

Familie Lohnert hat in ihrem Wohnhaus in der Hintergasse nichts von der Tragödie mitbekommen. „Zwei Bekannte haben nach 22 Uhr wohl Schüsse gehört“, sagt die Familie. Die Lohnerts selbst haben diese nicht gehört. Gegen 1.30 Uhr fangen zunächst die Hunde aufgeregt an zu bellen, dann klingelt es an der Tür. Damit ist die Nacht für die Lohnerts vorbei. Zwei Polizeibeamte haben gerade den Weg von Lohnerts Koppel am Lettenloch zum Wohnhaus zurückgelegt. „Ein völlig aufgelöster Jäger habe von der Koppel aus die Polizei angerufen, haben uns die Beamten gesagt“, erzählt Karl Lohnert. Weil über Nacht der kleine Enkel zu Besuch ist, begleitet Karl Lohnert die Polizisten ohne seine Frau zum Tatort. An der Koppel angekommen, sieht er dann mit eigenen Augen, was vorgefallen ist: Die braune Stute Gina liegt regungslos auf dem Boden. Ein Schuss hat Gina am Hals erwischt und tödlich verletzt.

In der Nacht von Freitag auf Samstag sei das Pferd auf der Koppel erschossen worden. Ein Jäger habe wohl unabsichtlich auf das Tier gefeuert, weil er es für ein Wildschwein gehalten habe, teilt die Familie mit. Die Polizei Landau berichtet der RHEINPFALZ: Gegen 23.30 Uhr hat uns der Jäger über den Vorfall verständigt. Die Polizeistelle setzte sich daraufhin mit den Betreibern der Koppel in Verbindung.

„Eine Verkettung unglücklicher Umstände“

„Ich habe erst am Sonntagmittag wirklich realisiert, was passiert ist“, sagt Lohnert Ehefrau. Seit 40 Jahren betreibt die Familie nun schon ihre Koppel. So etwas sei noch nie vorgekommen. „Wie kann man denn Pferde für Wildschweine halten?“, fragt sich Karl Lohnert. Er hat jahrelang Pferde gezüchtet und schon so ziemlich alles erlebt. Deshalb sei er beim Anblick des toten Tieres auch sehr gefasst. „Jeder weiß, dass die Pferde fast das ganze Jahr über auf der Koppel unterwegs sind“, sagt Lohnert. Nur über den Winter kämen sie in die Ställe. Bei den Jagdpächtern aus Rohrbach sei die Pferdekoppel bekannt, trotzdem vermutete Familie Lohnert zuerst, dass ein Jäger aus Rohrbach an dem Unglück beteiligt war. Wie sich später herausstellt, sei jedoch ein Jäger aus Steinweiler der Todesschütze gewesen.

„Das war eine Verkettung unglücklicher Umstände“, sagt Michael Mestermann, Pächter vom Jagdbogen Steinweiler eins. Als Mitjäger sei er seinem unglücklichen Kollegen sofort zur Seite geeilt. „Ich habe ungefähr eine halbe Stunde gebraucht und noch den Wildträger geholt“, so Mestermann. Noch ahnte er nicht, was sein Kollege da erlegt hatte. Dieser sei davon ausgegangen, dass er soeben einen großen Keiler getroffen habe. Gemeinsam habe man sich dann auf den Weg durch das Unterholz und über den Klingbach gemacht – dann kam der große Schock: Vor ihnen lag eine tote Stute.

Wärmebild und Restlichtverstärker reichen nicht

„Wir wollen nichts beschönigen, so etwas darf einfach nicht passieren“, sagt Mestermann. Der Bereich am Klingbach sei wohl eine beliebte Sule für Wildschweine, daher hielt der Jäger es zunächst für ein großes Exemplar. Nachts seien Jäger zwar mit Wärmebild und Restlichtverstärkern ausgestattet, klare Sicht verschaffen diese jedoch nicht. „Mit dem Wärmebild bekommt man nur eine Information: Aha, da steht was“, erläutert Mestermann. Wenn man dann jedoch durch das Zielfernrohr blickt, sei nicht viel mehr als ein weißer Punkt zu erkennen.

„Über das Wärmebild kann man Tiefe nur schwer abschätzen, und es wird zweifach vergrößert.“ Die richtige Größe des Tiers lasse sich somit nur schätzen. Ein großer Keiler könne 1,35 Meter hoch sein, die Pferde bis zu ihren Schultern 1,50 Meter. Das sei auf die Distanz ein minimaler Unterschied. „Er hat dann abgewartet, ob das Tier sein Haupt hebt, Keiler können sowas nicht. Das tat das Pferd aber nicht und dann wurde abgedrückt“, sagt Mestermann. Der Jägerkollege sei sich sicher gewesen: Das ist ne Sau.

„Das ist ne Sau“

„Es ist ein unglücklicher Fehler geschehen, und dafür wird der Kollege die Konsequenzen tragen müssen“, sagt Mestermann. Er sei mit der Familie Lohnert in Kontakt getreten. Der Vorfall sei an die Waffenbehörde gemeldet worden. Der Jäger müsse wohl vorübergehend seinen Jagdschein abgeben. „Beim Jagen besteht Betriebsgefahr, es kann also immer etwas passieren“, sagt Mestermann. Das Risiko müsse jedoch so weit es geht, minimiert werden, und dafür müsse bessere Ausrüstung her.

Der Schuss kam wohl aus dem Steinweilerer Jagdgebiet und habe über den Klingbach das Pferd von Familie Lohnert erwischt. Deshalb ermittelt jetzt auch die Polizei Wörth. Wegen der Grenzlage sei die Zuständigkeit zwischen Landau und Wörth zunächst nicht ganz klar gewesen, teilt die Pressestelle der Polizei Landau mit. Es bestünde der Verdacht auf Sachbeschädigung. Das Verfahren werde an die Staatsanwaltschaft überstellt. Diese teilt auf Anfrage der RHEINPFALZ mit, dass sie sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern wolle. In einem solchen Fall könne man allerdings davon ausgehen, dass es sich um eine fahrlässige Sachbeschädigung handele und somit kein Straftatbestand vorliegt. Am Fall Lohnert werde aber noch genau geprüft, ob der Tatbestand auch hier zutreffe.

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