Wilgartswiesen/Reichenbach Eine Kriegsheimkehr an Heiligabend

Die protestantische Kirche ist das Wahrzeichen von Wilgartswiesen.
Die protestantische Kirche ist das Wahrzeichen von Wilgartswiesen.

Es ist der letzte furchtbare Kriegswinter 1945. Draußen wird es schon dunkel, als sich auf einmal die Tür des protestantischen Pfarrhauses öffnet. An diesem Abend trägt sich eine Weihnachtsgeschichte zu, die bis heute in Erinnerung geblieben ist.

Wir schreiben den 24. Dezember 1945. Die Schlachten des Zweiten Weltkriegs sind gerade erst beendet. Hinterlassen hat der bis dato größte Konflikt der Menschheitsgeschichte eine Schneise der Verwüstung und Gräueltaten durch Europa. Doch an jenem dunklen Heiligabend, den viele in Bunkern, Kellern oder auf der Flucht erleben müssen, ereignet sich in einem kleinen pfälzischen Dorf ein Weihnachtswunder.

Es fängt bereits an zu dunkeln, da steht auf einmal ein Mann in der Tür des protestantischen Pfarrhauses in Reichenbach bei Kaiserslautern. Es ist der junge Pfarrer der Gemeinde, der just am Weihnachtsabend den Weg aus den Kriegswirren nach Hause geschafft hat. Völlig übermüdet und ausgezehrt von den langen Märschen nach der Gefangenschaft. Die junge Pfarrfrau und die Söhne – der fünfjährige Günther und der dreijährige Werner – können ihr Glück kaum fassen, dass der Ehemann und Vater heimgekehrt ist. Die Rede ist von Heinrich Klein, damals 35 Jahre alt. Später wird er mit seiner Familie nach Wilgartswiesen ziehen und dort sowie in den umliegenden Gemeinde 28 Jahre als Pfarrer wirken. Den meisten älteren Menschen dort ist der Pfarrer, der 1986 starb, noch als liebenswerter und volkstümlicher Geistlicher bis heute in guter Erinnerung.

Da kommt ein besonderer Kelch zum Vorschein

In seinem zerschlissenen Rucksack trägt Heinrich Klein nur das Allernotwendigste bei sich. Aber er hat auch ein paar Kleinigkeiten darin verborgen, die die Augen seiner Kinder, die den Vater so lange nicht gesehen hatte, zum Strahlen bringen. Und es kommt noch etwas Besonderes zum Vorschein: ein Abendmahlkelch. Nicht etwa aus leuchtendem vergoldetem Edelmetall wie sonst üblich, sondern aus grauen einfachen Büchsendosen. Gebastelt hatte diesen ein Mitgefangener des Vaters im amerikanischen Lager „Camp Miami“ in Frankreich für den Gottesdienst. So berichtete es einst der jüngere Sohn des Pfarrers, Werner Klein, der heute in Erfenstein wohnt. So lange die Eltern lebten, sei dieser Weihnachtskelch ein Symbol des Dankes und der Hoffnung gewesen und habe auch nach Jahrzehnten seinen einzigartigen Stellenwert behalten.

Zwar sei der Materialwert des Kelchs gering, aber seine aufwendige Gestaltung zeuge von Kunstfertigkeit. Der Kelch besteht aus einer einfachen Blechdose, wie sie Soldaten in amerikanischer Gefangenschaft kannten. Der unbekannte Mitgefangene des Pfarrers setzte diese rund zehn Zentimeter hohe Dose auf eine knapp 20 Zentimeter hohe Holzsäule, die er mit Dosenblech zu einer sechskantigen Säule ummantelte. Auch der hölzerne Kelchboden ist mit Dosenblech ummantelt und trägt wie der obere Teil gewundene Blechornamente.

Letzte Ruhestätte in Landau

Volksnah und ökumenisch eingestellt sei er gewesen, erinnerte sich zu Lebzeiten der vor drei Monaten in Landau verstorbene Rektor a.D. und Präparand Albrecht Vogelgesang: „Er war ein gläubiger und treuer Sachwalter seiner Kirche und nahm seinen Dienst in seinen drei Dienstorten sehr ernst.“ Dazu gehörte auch Hermersbergerhof, die höchst gelegene Ortschaft der Pfalz, weshalb Heinrich Klein auch den Beinamen „der höchste Pfarrer in der Pfalz“ trug. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Friedhof in Landau-Queichheim. Im Jahre 2020 holten seine beiden Söhne in Erinnerung an die jahrzehntelange Wirkstätte des Vaters den Grabstein nach Wilgartswiesen zurück und ließen ihn an einem Ehrenplatz auf dem dortigen Friedhof im Schatten „seiner“ Kirche aufstellen.

Pfarrersohn Werner Klein mit dem Abendmahlkelch aus Blechdosen.
Pfarrersohn Werner Klein mit dem Abendmahlkelch aus Blechdosen.
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