Kreis Kusel „Schädliches Schrifttum“

Am Tag der jüdischen Kultur am Sonntag wurde in der ehemaligen Odenbacher Synagoge einer jüdischen Lyrikerin gedacht. Die Theologin Claudia Kettering und die Schauspielerin Hannelore Bähr brachten den etwa 25 Besuchern das Leben und Werk von Mascha Kaléko in einer szenischen Lesung näher.

Claudia Kettering, Theologin aus der evangelischen Frauenarbeit, und Hannelore Bähr, Schauspielerin am Pfalztheater in Kaiserslautern, gestalteten einen Abend rund um die jüdische Dichterin, die als eine der größten lyrischen Stimmen der deutschsprachigen Poesie des 20. Jahrhunderts gilt. Als Tochter eines Russen und einer Österreicherin in Polen 1907 geboren, lernte Mascha Kaléko schon mit sieben Jahren die zerstörerische Kraft des Ersten Weltkrieges am eigenen Leib kennen. Aus Angst vor Judenpogromen floh die Familie nach Deutschland und zog nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nach Berlin. Im Alter von 22 Jahren kam sie in Berlin der 1920er und 1930er Jahre zu Ruhm. 1933, zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, erschien ihr Lyrisches Stenogrammheft, das ihr den Durchbruch bescherte. Es handelte von alltäglichen Themen wie „Halsweh, Liebe, Traurigkeit mit einer Prise Ironie und Spott ohne Sentimentalität“, wie Kettering dem Publikum erklärte. Die Dichterin wandte sich von der feingeistigen Literatur ab und widmete sich der gegenwartsnahen Dichtung, vom Alltag für den Alltag. Zu ihren bekanntesten Versen gehört „Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang, nur vor dem Tode derer, die mir nah sind (...) Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur, doch mit dem Tod der anderen muss man leben“. Die Nationalsozialisten erteilten ihr schnell ein Schreibverbot, 1937 wurde ihr Werk als „schädliches, unerwünschtes Schrifttum“ bezeichnet. 1938 emigrierte sie mit Mann und Kind gerade noch rechtzeitig in die USA, kam jedoch nie richtig an, fühlte sich heimatlos und entwurzelt. Sie hing der goldenen Zeit nach, die sie auch bei ihrer Rückkehr nach Berlin nicht mehr fand. Dies spiegelte sich auch in ihrem Werk wider. Eine Steigerung ihres Unglücks war der Umzug nach Israel, wo sie völlig isoliert lebte. Ihr Sohn und ihr Mann starben. In Israel konnte sie nicht an ihre literarischen Erfolge anknüpfen. 1975 starb sie. Hannelore Bähr hauchte den Gedichten, die die verschiedenen Stationen Kalékos am treffendsten verdeutlichten, Leben ein. Mal voller Inbrunst, mal mit Witz oder auch einer tiefen Traurigkeit. Auch zeigten die Frauen an dem Werk der Lyrikerin, dass das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf kein neues ist, sondern schon von jeher Frauen in einen Zwiespalt trieb. Treffend beschrieb Kaléko: „Frauen fehlt des Künstlers Frau“, die alle alltäglichen Aufgaben übernimmt. Die Besucher zeigten sich beeindruckt von Ketterings und Bährs Zusammenspiel. Durch Einblicke in die Vita und das Rezitieren von Gedichten im Wechsel entstand ein kurzweiliges, hoch interessantes rund einstündiges Programm. Auf die Frage, wie lange sie dafür üben mussten, erklärten Bähr und Kettering, dass dies Premiere und Generalprobe zugleich gewesen sei, was erneut Applaus nach sich zog. Moderiert wurde der Abend von Ruprecht Beuter von der evangelischen Arbeitsstelle Nordpfalz, die gemeinsam mit dem Förderverein der ehemaligen Synagoge den Tag gestaltete. Auch am Mittag wurde die Synagoge unter anderem von einer größeren Gruppe Radfahrer besucht, wie Ursula Woehl mitteilte. (sbs)

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