Kreis Kusel „Ohne Musik wäre ich sehr arm“

„Musik hat in meiner Familie immer dazugehört, mein älterer Bruder war Klavierlehrer,“ erzählt der Arzt Atila Selesi aus Breitenbach, der wie seit Jahren schon auch dieses Mal den Heiligabend-Gottesdienst in der protestantischen Kirche in Altenkirchen musikalisch an der Orgel begleitet hat. „Musik ist das wichtigste, was ich habe – ohne sie wäre ich sehr arm, es würde mir bestimmt nicht so gut gehen. Ich möchte sie zu keiner Zeit missen und spiele jeden Tag.“

Atila Selesi stammt aus einer ungarisch-deutschen Familie. Er spielt seit seinem sechsten Lebensjahr Klavier. Das tun viele Kinder, aber Atila Selesi hat darüber hinaus parallel zum Gymnasium in seiner Heimatstadt Zrenjanin nachmittags das Konservatorium besucht und Klavier und Orgel studiert. „Als ich mein allererstes Klavierkonzert gegeben habe, war ich 16 Jahre alt“, erinnert er sich. „Ich habe im Stadttheater meiner Heimatstadt den ,Türkischen Marsch’ von Mozart gespielt und alle haben mir zugejubelt; in der Schule gab es plötzlich sogar verstohlene Küsschen von Mädchen.“Doch nach dem Abitur entschied sich Atila Selesi für die Medizin, weil ihn das wieder unter die Menschen brachte, obwohl viele Bekannte ihn fragten, ob er nicht die Laufbahn eines Konzertpianisten einschlagen wolle. „Daran wäre ich kaputt gegangen“, ist Selesi überzeugt. „Ich bin nie zufrieden mit dem, was ich mache. Ich glaube nicht, dass ich das durchgehalten hätte: Manche sind an sich verzweifelt und fast in den Wahnsinn getrieben worden – verlangt wird von Künstlern oft mehr, als man geben zu können scheint.“ So hat er das Klavierspielen als Hobby beibehalten: „Da muss man nicht der Beste sein.“ An der musikalischen Gestaltung von Gottesdiensten wirkt Selesi mit, nachdem er als Student an der medizinischen Fakultät in Novi Sad eine schwere Gelbsucht überstanden hatte: „Wenn ich davonkomme, mache ich das in der Kirche gut“, schwor er sich damals. Und seit 1976, parallel zur Aufnahme seiner ärztlichen Praxis, spielt er in Altenkirchen auch zu Gottesdiensten. Atila Selesis Lieblingskomponist ist Johann Sebastian Bach: „Bach ist die Bibel der Musiker. Wer Bach beherrscht, kann alles spielen. Bach ist das gottgefälligste, was es gibt.“ Die Ausdruckstiefe der Musik des deutschen Barockkomponisten beeindruckt Selesi immer wieder: „Je älter man ist, desto stärker erkennt man: Bach ist die Grundlage. Spuren von Bach finden sich auch in der Jazzmusik. Bach ist einfach ein Reset für die Seele: Wenn man Bach spielt, entlädt man sich und kommt wieder zu neuen Kräften.“ Aber auch Werke von Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven liebt er sehr. „Beethoven hat mir sehr viel gegeben mit seinen Sonaten: Sie sind pathetisch, lieblich-melodisch bis heiter; sie zeichnen die Bewältigung von Problemen vom Bedrückenden zum Heiteren nach – diese Lebenskraft bewundere ich zutiefst.“ Einen starken Bezug hat Selesi auch zu den „kurzen, filigranen Sonaten“ von Alessandro Scarlatti und zu Werken der deutschen Romantik, vor allem Kompositionen von Robert Schumann. Selesi hat zu Hause nicht nur sein geliebtes Instrument und seine Noten, sondern auch Fachliteratur und eine Tonträgersammlung: „Ich habe fast die gesamte Klavierliteratur auf CD. Ich höre aber auch gerne andere Leute Klavier spielen und fahre daher auch zu Konzerten, auch in den Rosengarten in Mannheim.“ Die Vorbereitung auf ein Konzert, das er mit dem jeweiligen Pfarrer auch mit Rücksicht auf die Gemeindemitglieder abstimmt, dauert fast ein Jahr. „Und da muss man täglich üben, damit man die nötige Sicherheit erlangt. Jeden Tag merkt man, dass es besser geht – und plötzlich fliegen die Finger, das ist dann eine große Genugtuung.“ Da Zeit für einen Landarzt wie Atila Selesi sehr knapp ist, nutzt er jede freie Minute und zieht sich immer wieder mal ins Klavierzimmer zurück, um zu üben, wenn auch nur ein paar Minuten – „schließlich soll ja keiner zu kurz kommen: die Musik nicht und meine Patienten nicht.“ Wichtig ist Selesi aber immer, dass er einen Bezug zu den Stücken hat, die er spielt: „Manches liegt einem, anderes nicht. Und Musik muss einem selbst viel Freude bereiten, damit man sie weitergeben kann, damit es auch bei anderen ankommen kann. Musik muss einen infizieren, mitreißen, mitnehmen. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass dann auch kleine Stücke wie Schumanns ,Kinderszenen’ ganz Großes bewirken können.“

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