Kreis Kusel Die guten Onkels in Hockenheim

Es hilft nichts, es muss ja doch gesagt werden. Am besten also gleich vorneweg: Zum Glück sind AC/DC wieder auf Tournee. Warum? Weil die Australier am Samstag 105.000 Zuschauer auf dem Hockenheimring mit einer routinierten, gut geölten Rock’n’Roll-Show begeistert haben. Nicht auszudenken, wenn das nur den Böhsen Onkelz gelänge.

Überspitzt formuliert, sind AC/DC eigentlich nur noch ein Duo: geprägt von den beiden Frontfiguren, Leadgitarrist Angus Young sowie Sänger Brian Johnson, und verstärkt durch eine zuverlässige Rhythmussektion. Die ist unverzichtbar, deshalb tut das dem getreuen Bassisten Cliff Williams – immerhin ein Mann der ersten Stunde –, dem zweiten Gitarristen Stevie Young und Schlagzeuger Chris Slade ein bisschen Unrecht. Die Letztgenannten ersetzen den demenzkranken Malcolm Young und den in Neuseeland vor Gericht stehenden Phil Rudd (wir berichteten). Aber auf gewisse Weise stimmt es schon: Mit Malcolm Young fehlt der wichtige Songschreiber, was sich schon beim jüngsten, mittelmäßigen Album „Rock Or Bust“ bemerkbar machte. Deshalb sind die ohnehin dominanten Bühnenfiguren Angus Young und Brian Johnson nun noch mehr gefordert, die Rampensäue auf eine Weise zu geben, die die Verwerfungen im Bandgefüge bestmöglich kaschiert. In Hockenheim tun sie das mit der Erfahrung aus vier Jahrzehnten Rock’n’Roll. Dabei kommt ihnen entgegen, dass die wichtigsten Bestandteile von AC/DC-Konzerten seit Jahr und Tag unverändert sind: Youngs Schuluniform mit blauem Jackett, kurzer Hose, passender Krawatte und weißen Strümpfen sowie Johnsons Schiebermütze, mit der er den Mann aus der Arbeiterklasse darstellt. Dazu Höllenglocken („Hells Bells“), Kanonendonner („For Those About To Rock“) und eine aufblasbare Prostituierten-Figur („Whole Lotta Rosie“). Als Tribut ans fortgeschrittene Alter der Musiker mag gelten, dass Johnson (68) nicht mehr wie früher am Glockenklöppel baumelt und Young davon absieht, während seines großen Gitarrensolos wie einst im Mai seinen 60-jährigen Oberkörper zu entblößen – geschweige denn seinen Hintern. Dass es also im Grunde immer noch die gleiche Show wie immer ist, schadet aber keineswegs. Um das zu verstehen, hilft es, sich bewusst zu machen, dass so mancher AC/DC-Fan allen rebellischen Rock’n’Roll-Posen zum Trotz ein eher konservativer Zeitgenosse ist, der es ganz gern traditionell mag. So wuchsen die Australier im Laufe der Jahrzehnte in die Rolle zuverlässiger Lieferanten, die angesichts einer immer undurchschaubareren Musiklandschaft das Sicherheitsbedürfnis ihrer Kunden bedienten. Sie sind gewissermaßen wie gute Onkels, die regelmäßig an Feiertagen zu Besuch kommen. Zwar klingen sie ein bisschen laut und ungehobelt, dafür bringen sie aber immer was Schönes mit – kein pädagogisch wertvolles Holzspielzeug, sondern etwas, das richtig Krach macht. Damit soll’s dann auch genug der Interpretation sein. Was er nämlich gar nicht sonderlich schätzt, der typische AC/DC-Fan, sind Schwätzer, die seiner Lieblingsband mit pseudo-philosophischem Geschwurbel zu Leibe rücken. Solchen lästigen Gestalten rät er dann schon mal fürsorglich, sie mögen doch Tee trinken, wenn’s ihnen nicht passe – was in diesem Zusammenhang gleichsam den Ausdruck maximaler Verachtung und somit die Höchststrafe darstellt. Es gibt ja auch keinen Grund zum Meckern: Die Gitarrenriffs in Hockenheim sind gewohnt schnell, und die Beats rumpeln verlässlich wie eh und je. Frenetisch bejubelt das Publikum Klassiker wie „Back In Black“, „Thunderstruck“, „You Shook Me All Night Long“ und natürlich „Highway To Hell“. Aus neuen Stücken bestehendes Füllmaterial nehmen die Meisten der 105.000 mit ausdrücklichem Wohlwollen zur Kenntnis – weil es eben AC/DC-Füller sind. Am Anfang und am Ende blitzt, donnert und kracht es, dass sich die Bühnenbalken biegen. Dazwischen spielt Angus Young hüpfend und rennend fantastisch Gitarre, während Brian Johnson umhertigert, kreischt wie in jungen Jahren und gelegentlich ein freundliches „Thank you“ ins weite Rund bellt. Damit hat sich’s auch mit der Interaktion, der Rest der zwei Stunden ist perfekt durchchoreografiert. Dass die Verschnaufpausen zwischen Songs gegenüber früher doch deutlich länger geworden sind – geschenkt. Das ist das Vorrecht großer, alter Bands, die vor allem deshalb auf Tournee gehen, um den einen oder anderen Rekord zu brechen.

x