Kusel Zeugen einer großen Vergangenheit

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Auf der einen Seite eine Synagoge, die Reste einer Wasserburg und einer Ringmauer, dazu ein Rathaus aus dem Jahre 1570. Auf der anderen Seite ein gerade eingeweihtes Freizeitgelände und weitere Pläne für die Erneuerung. In Odenbach verbinden sich Geschichte und Gegenwart auf besondere Weise.

Wer einfach nur auf der Bundesstraße 420 durch Odenbach durchfährt, wird wenig Besonderes sehen. Die Weinberge, die einst den Hang rechter Hand Richtung Medard säumten, sind längst verschwunden. Die weiterhin gehegten Felsenkeller links sind nicht zu erspähen. Und der historische Ortskern ist aus der Ferne nur zu erahnen. Einzig der Glan windet sich idyllisch durch das breite Tal, lässt aber nicht erahnen, wie sehr das Örtchen unter ihm und seinem Zufluss Odenbach leidet, wenn die Zeit des Hochwassers kommt. Das Thema Hochwasser ist es auch, das Ortsbürgermeister Gerhard Gins und seine Mitstreiter derzeit besonders umtreibt. Fieberhaft wird mit Fachleuten nach Wegen gesucht, wie die Fluten eingedämmt werden können, die immer wieder den Ortskern unter Wasser setzen. Unter den Kolonnaden am Rathaus von 1570 zeigen Markierungen, wie hoch das Wasser im Ortskern bereits gestanden hat. Dass der Ort regelmäßig nicht noch schlimmer betroffen wird, ist einem Bauwerk aus dem 14. Jahrhundert zu verdanken. Die Reste der Ringmauer sorgten dafür, dass es zumindest keine Strömung gebe, wenn das Wasser aus der Kanalisation steigt, erklärt Gins. An die Reste der Ringmauer schließt sich eines der Wahrzeichen von Odenbach an. Der Weiherturm. Oder das, was noch von ihm stehen geblieben ist. Einst gehörte er zu einer Wasserburg, die symbolisiert, wie bedeutend Odenbach im Mittelalter gewesen ist. Als die Spanier sie im 30-jährigen Krieg beim Rückzug zerstörten, freuten sich die Nachbarn in Meisenheim. Die nahmen gerne die drei Kilometer Entfernung auf sich, um Steine für den Bau ihrer katholischen Kirche zu holen. Vierter historischer Bau in Odenbach: die ehemalige Synagoge. Entstanden 1752, war sie Mittelpunkt regen jüdischen Lebens in und um Odenbach, wovon auch der jüdische Friedhof im Ort zeugt. Zu Hoch-Zeiten Anfang des 19. Jahrhunderts, so erzählt Ursula Woehl, die Vorsitzende des Synagoge-Fördervereins, lebten 139 jüdische Mitbürger in Odenbach. Bei den Nazi-Gräuel im Dritten Reich wurden 26 Odenbacher Juden ermordet. Heute lebt, so erzählt Woehl, kein jüdischer Mitbürger mehr hier. Doch regelmäßig kommen Besucher auch aus Übersee in die Mitte der 90er Jahre mit viel Eigenleistung liebevoll restaurierte Synagoge, die zu einem kleinen Kulturzentrum geworden ist. Gleich daneben begegnet dem Besucher die Zukunft: Der Synagogenvorplatz ist eines der Projekte der Dorferneuerung. Einst stand hier ein Haus; seit dem Abriss, der Luft in der engen Gasse geschaffen hat, wird die Freifläche als Parkplatz genutzt. Jetzt soll alles schön angelegt werden – um die Nachbarschaft des vielleicht wichtigsten Odenbacher Gebäudes aufzuwerten. Und noch ein historischer Punkt ist Teil der Dorferneuerung: die Waldwegbrücke von 1748. Das steinerne Tragwerk schwächelt, ist für Fahrzeuge über zwölf Tonnen gesperrt. Für eine halbe Million Euro soll sie baldigst ertüchtigt werden. Wie nah Vergangenheit und Gegenwart, aber auch Blüte und Niedergang zusammenliegen, ist wenige Meter entfernt zu sehen. Dort, wo einst die Postkutschenstation war, wo drei Gasthäuser nebeneinander regen Betrieb hatten, wo sogar bis in die 60er Jahre hinein ein Kino betrieben wurde. Und eine Tankstelle mit zwei Zapfsäulen vor der noch vorhandenen Autowerkstatt. Karin Kreischer hat eigens eine Liste zusammengestellt, was einst in Odenbach war und was noch ist. Die Liste der Vergangenheit ist lang: Acht Lebensmittelgeschäfte führt sie beispielsweise auf – heute müssen die Odenbacher in Meisenheim oder Lauterecken einkaufen. Vier Bäckereien, von denen wenigstens eine überlebt hat. Fünf Getränkehändler – alle verschwunden. Drei Textilgeschäfte – nichts mehr vorhanden. Auch auf der Liste: acht Schreiner. Keiner mehr da. Oder doch? Wer bei Peter Knecht in die Werkstatt geht, taucht in die Vergangenheit ein. Mit stolzen 83 Jahren ist er immer noch fast täglich dort, fertigt Spatenstiele und Hammergriffe für jene, die Ersatz brauchen. 1949 habe er als Schreiner angefangen, erzählt er. Manches Werkzeug, mit dem er hantiert, dürfte etwa zur selben Zeit entstanden sein. Hier ist die Zeit auf schöne Weise stehengeblieben. Ganz anders entlang des Glans. Dort säumten einst Kleingärten den Rad- und Wirtschaftsweg, der nach Meisenheim führt. Als Odenbach in den 80er Jahren gleich drei Aussiedlerunterkünfte hatte und massenhaft Russlanddeutsche in das Örtchen kamen, war die Nachfrage nach eigenen kleinen Gärten groß. Heute sind viele nicht mehr gepflegt oder gar verschwunden. „Die zweite Generation hat daran kein Interesse mehr“, erzählt Gins und bedauert auch, dass sich viele nicht in der ansonsten verschworenen Dorfgemeinschaft engagieren. Die Dorfgemeinschaft hat in den vergangenen Monaten am äußersten Zipfel Richtung Meisenheim kräftig angepackt und ein kleines Freizeitgelände im Grünen geschaffen. Bolzplatz, Grillstelle, Unterstand – alles liebevoll angelegt. Und gut genutzt, wie Gins betont. Sogar aus Meisenheim kämen Gruppen. Aller Dorfzusammenhalt nutzt allerdings bei einem Projekt nichts, das vielen auf den Nägeln brennt: die Sanierung des löchrigen Parkplatzes vor der ehemaligen Schule. Die ist längst geschlossen und verkauft – an ein Elektrounternehmen aus der Gegend, das das Dach für Solarenergie nutzt. Sonst nichts. Auf der anderen Seite steht die Turnhalle, an die vor einigen Jahren Feuerwehr- und Dorfgemeinschaftshaus angebaut worden sind. Wer Zeit und Zugang hat: Das in die Wandfarbe eingearbeitete Odenbach-Gemälde von Arno Stahlschmidt ist mehr als nur einen Blick Wert. Info 95 Dörfer und drei Städtchen liegen im Landkreis. Von A wie Adenbach bis W wie Wolfstein machen wir uns auf, sie zu erkunden, uns ihre Besonderheiten zeigen zu lassen, Geschichte und Geschichten zu erfahren. Jeden zweiten Donnerstag erzählen wir aus einem anderen Ort.

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