Kusel Problem der Nachfolge

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Für 31 der 49 Hausärzte im Kreis muss in den nächsten Jahren Ersatz gefunden werden. Doch das ist inzwischen schwer geworden. Leider, sagen praktizierende Ärzte. Zwei leidenschaftliche Plädoyers für den Beruf des Hausarztes.

 
„Es ist nahezu unmöglich, einen Nachfolger zu finden.“ Rüdiger Brust kann das gar nicht verstehen. Nicht nur, weil der 63-Jährige mit Leib und Seele Allgemeinmediziner ist, für diesen Beruf auch eine Karriere in der Uniklinik aufgegeben hat. Für ihn ist Landarzt nach wie vor ein Traumjob, in dem man sich verwirklichen kann. Rund um Altenglan zeigt sich die Misere im Gesundheitswesen recht deutlich: Vier Ärzte, die aufhörten, haben keinen Nachfolger gefunden. Und die, die noch übrig sind, sind alle im gleichen Alter: kurz vor der Pensionierungsgrenze. Ein jüngerer Arzt hat sich bereits nach Kusel verabschiedet (wir berichteten). Wie es hier in ein paar Jahren weitergeht, steht in den Sternen. Eine Entwicklung, die Rüdiger Brust große Sorgen bereitet – und nicht nur ihm. Er stammt aus Altenglan, hat seit genau 30 Jahren hier seine Praxis als Allgemeinmediziner. Nach dem Studium arbeitete er zunächst als Anästhesist in der Uniklinik Homburg. Doch er entschied sich für die Allgemeinmedizin: „Ich interessiere mich für den ganzen Menschen“, gibt er als Grund an. Medizin sei für ihn nicht nur Beruf, sondern auch Hobby. Und als Hausarzt habe er es mit allem zu tun: „von den Augen bis zum Zeh“. Kein anderer Bereich sei annähernd so interessant, findet er. Er habe viele kleine Fälle, aber auch immer mal wieder ganz große: „Ich habe in meiner Praxis alle Krankheitsbilder erleben müssen.“ Die Arbeit als Landarzt könne befriedigend sein, schwärmt Brust. Er kümmere sich um den ganzen Menschen und komplette Familien, habe Einblicke, die andere nicht hätten. Die Arbeit sei zwar anstrengender als die eines Facharztes, aber sie gebe auch viel. Befriedigend sei, wenn ihm Patienten Vertrauen entgegen brächten und seine ärztliche Meinung gefragt sei. Unbefriedigend hingegen, wenn er von Fachkollegen unliebsame Dinge aufgebürdet bekomme – zum Beispiel Überweisungen zu Untersuchungen oder Krankmeldungen schreiben müsse. Anstrengend, das sind zum Beispiel die Hausbesuche. „Es gilt die Regel: Jeder, der noch krabbeln kann, kommt in die Praxis“, schildert Brust. Doch gebe es immer mehr Menschen, die pflegebedürftig seien und eben nicht mehr in die Praxis kommen könnten. Da bleibe nichts übrig, als sie zu Hause zu besuchen. Das bedeute wesentlich größeren Aufwand – mit Hausbesuchen an vier Tagen in der Woche. Voll des Lobes ist Brust für die Bereitschaftsdienstzentrale der niedergelassenen Ärzte, die jetzt am Westpfalz-Klinikum angesiedelt ist. Während früher ein Allgemeinarzt einmal im Monat Wochenenddienst hatte, sei dies jetzt nur noch drei- bis viermal im Jahr der Fall. „Das bringt mehr Lebensqualität.“ Und es gebe auch Kollegen, die gerne Dienste übernehmen – weil die gut bezahlt seien. Er hingegen freut sich: „Ich habe jetzt freie Mittwochnachmittage, Wochenenden und Feiertage.“ Was schreckt junge Mediziner davon ab, aufs Land zu gehen? Genannt werden immer wieder schlechte Bezahlung und hoher Aufwand. „Aber im Krankenhaus haben sie viel mehr Chefs und längere Arbeitszeiten“, hält Brust dagegen. Bei vielen herrsche einfach Angst und Unsicherheit, weil Gerüchte von 80-Stunden-Wochen, mehr Bürokratie und weniger Geld kursierten. Dabei sei es viel befriedigender, als Arzt sein eigener Herr denn angestellt zu sein, findet er. Auch Brust macht sich mit seinen 63 Jahren Gedanken um eine mögliche Nachfolge. Früher habe der junge Arzt bei einer Praxisübernahme noch eine hohe Ablösesumme zahlen müssen – „das war Teil der Altersvorsorge eines Arztes“ – heute sei es eher ein symbolischer Preis. Trotzdem interessieren sich immer weniger junge Mediziner für die Arbeit als Landarzt. Brust hofft auf Mundpropaganda. Seine Patienten allein und unversorgt zu wissen, das würde ihm sichtlich schwerfallen.

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