Kusel Feingeist und Frohnatur

Ganz unbeschwert waren die Wochen vor seinem runden Geburtstag nicht für den Sozialdemokraten. Der unerwartete Rauswurf als Justizminister, für den Ministerpräsidentin Malu Dreyer bisher jede sachliche Begründung schuldig geblieben ist, hat ihn erkennbar getroffen, auch wenn er das herunterspielt. Er ist nicht der Mann, der nachtritt. Es sei ihm politisch schon besser gegangen als augenblicklich, räumt er kurz ein und findet sofort sein ansteckendes Lächeln wieder: „Aber ich habe ja schon häufiger vor Herausforderungen gestanden.“ Dass er auch 2016 wieder zur Landtagswahl antritt, ist die einzige Entscheidung, die er bislang für sich selbst getroffen hat. „Es besteht ja auch keine Eile“, sagt er. Und: „Ich werde in aller Ruhe darüber nachdenken, welche Schwerpunkte ich künftig setze.“ Dass er bemerkenswert breit aufgestellt ist – nicht nur politisch –, kommt ihm zu Gute. Bildungspolitik, Kunstgeschichte und Architektur beispielsweise sind Themen, über die man sich stundenlang mit dem Feingeist unterhalten kann, bei denen er ins Schwärmen und Philosophieren kommt. Aber auch das, wofür er bis dato als Minister federführend war – Justiz und Verbraucherschutz –, findet weiterhin sein Interesse. Er habe das Amt wohl nicht ganz so schlecht ausgefüllt, sagt er mit Stolz und verweist darauf, dass er in den vergangenen Wochen sehr viel Zuspruch und Lob bekommen hat, dass sein Rat bei Verbraucherschutzthemen weit über die Landesgrenzen hinaus auch weiterhin gefragt ist. Und dass er selbst von seinen früheren Mitarbeitern im Ministerium verbales Schulterklopfen erhalten hat, weil er sich wirklich um alles gekümmert habe und stets für seine Mitarbeiter ansprechbar gewesen sei, macht ihn zufrieden. Während all seiner politischen Arbeit habe er stets das Ganze im Blick behalten, sagt er. Kein Wunder: Als parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Mainzer Landtag, später als deren Fraktionsvorsitzender, konnte er es sich nie erlauben, sich allein seinen Lieblingsthemen zu widmen. Und mit seiner Offenheit, sich dann auch zu äußern und Standpunkte zu formulieren, selbst unbequeme, hat er sich in Mainz zwar viele Freunde gemacht, aber eben nicht nur. Zugleich aber sind ihm die Ellenbogen fern, die manchen seiner Fraktions- und Kabinettskollegen zueigen sind, wenn es um Ämter und Karriere geht. Womöglich hat das verhindert, dass Hartloff noch höhere politische Weihen erreicht hat. Denn für eine Weile war Hartloff vor der Landtagswahl 2011 auch als möglicher Nachfolger für Ministerpräsident Kurt Beck im Gespräch. Flagge zeigen, für andere einstehen – das hat Jochen Hartloff schon sehr früh ausgezeichnet. „Bereits in Lederhosen“, so erzählt er gerne, habe er in den 60er Jahren gegen die vorübergehend erstarkte NPD demonstriert. Und der sogenannte Prager Frühling etwa zur selben Zeit, als die Tschechen gegen die sowjetische Besatzung aufbegehrten, hat ihn als junger Mensch derart beeindruckt, dass er sich von da an politisch engagierte. Aufstehen gegen Unrecht – das hat er auch in seinem Zivildienst praktiziert, der ihn nach Holland führte. Dort, in Amsterdam, engagierte er sich in der „Aktion Sühnezeichen“, trug seinen Teil zur kleinen Wiedergutmachung für das bei, was Deutsche den Niederländern im Zweiten Weltkrieg angetan hatten. Und natürlich passt in diese Vita auch die Berufswahl: Anwalt. Seine eigentliche Bestimmung aber fand er in seiner Heimatstadt Kusel. Dort, wo wirklich jeder „de Jochen“ kennt und den Menschen Hartloff schätzt, war er 27 Jahre lang Bürgermeister. Ein Amt, maßgeschneidert für eine Frohnatur mit ausgeprägter Liebe zur Heimat. Ob Kuseler Mess’ oder Altstadtfest – Hartloff war stets mittendrin, nicht nur dabei. Sein vermutlich größter politischer Erfolg: mehr als 20 Millionen Euro beim Land loszueisen, um die Sanierung der Tuchfabriken auf die Reihe zu bekommen. Nun also ist er 60. Angst vor dieser ominösen „6“, die das Altern und die zunehmende Nähe zum Ruhestand anzeigt, hat er nicht. Eher Nachdenklichkeit ist bei ihm eingekehrt, denn sein Vater starb früh mit 65, am Tag vor seinem Geburtstag. Und er ist dankbar: „Ein guter Freund von mir ist mit 59 Jahren gestorben. Da wird einem bewusst, wie viel Glück man hat, dass man 60 werden und das genießen darf.“

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