Kusel „Der erste Schock ist vorbei“

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Kusel. Seit Anfang September ist in der ehemaligen Bundeswehrkaserne auf dem Kuseler Windhof eine provisorische Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (Afa) eingerichtet. Gut drei Wochen nach der hektischen Eröffnung spielt sich langsam alles ein, sagen die Verantwortlichen, Volker Zimmer vom Roten Kreuz Kusel und Martin Ziemer, der Leiter der späteren Aufnahmeeinrichtung.

Einen gemeinsamen Termin mit den beiden zu bekommen, ist gar nicht so einfach. Immer wieder ist zumindest einer für Gespräche oder Treffen in Mainz oder Trier. Während Zimmer noch auf dem Gelände unterwegs ist, führt Ziemer die RHEINPFALZ durch das ehemalige Stabsgebäude auf dem Windhof, Handwerker sind eifrig dabei, die Wände zu streichen oder den Boden auszubessern. Im unteren Stockwerk entstehen Büroräume, unter anderem für die Bundesagentur für Arbeit, die dabei helfen soll, Flüchtlinge möglichst schnell in Lohn und Brot zu bringen (wir berichteten). Das Deutsche Rote Kreuz zieht mit einigen Mitarbeitern ebenfalls im Stabsgebäude ein, sagt Ziemer, der davon ausgeht, dass auch Hilfsorganisationen – etwa die Diakonie – Räume besetzen. Ins erste Stockwerk kommt neben einer Außenstelle der Kreisverwaltung ein Besprechungsraum. Im Neubau des Stabsgebäudes ist die Verwaltung der Afa untergebracht mit Aufnahme- und Transferbüros, Archiv, Warteräumen und Registratur. Außerdem gibt’s im Neubau noch Büros für Führungspersonal – neben Einrichtungsleiter Ziemer beispielsweise auch die „Leitung Soziales“, eine Stelle vom Land. Das Verwaltungsgebäude wird derzeit mietfrei genutzt, sagt Ziemer; nach einem entsprechenden Bundesbeschluss zahle die zuständige Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) „momentan nur Nebenkosten“. Noch immer sei der 1. Dezember als Start für die „richtige“ Erstaufnahmeeinrichtung angepeilt. Ziemer: „Was das Verwaltungsgebäude angeht, habe ich da keine Bedenken.“ Nächste Woche soll dann endlich auch die notwendige Internetanbindung kommen. Auch das Personal – Ziemer hat in den vergangenen Wochen zahlreiche Bewerbungsgespräche geführt – könne frühestens zum 1. Dezember loslegen. Volker Zimmer stößt dazu – in der längst bekannten Haltung: mit Handy am Ohr. „Bitte keine Fotos von den Ecken“, sagt Ziemer beim Betreten seines Büros etwas verlegen. Die Umzugskisten stapeln sich, ein bisschen Technik ist schon aufgebaut; an der Wand lehnt eine Fotocollage mit Urlaubsbildern. An einen solchen ist derzeit nicht zu denken. Zimmer berichtet vom Alltag: „Allmählich stellt sich eine Art Campordnung ein, unter den Flüchtlingen gibt es einige Sprecher – die manchmal auch etwas deutsch können –, die bei der Organisation behilflich sind.“ Zwar lerne man noch immer Tag für Tag dazu, aber „der erste Schock ist vorbei“, sagt Zimmer. Als Beispiel nennt der DRK-Kreisgeschäftsführer das „Islamische Opferfest“ vergangene Woche. Zimmer: „Quasi deren Weihnachtsfest.“ Man habe nicht schlecht gestaunt, als eine Prozession über das Gelände stattgefunden habe. „Das war ein richtiges Volksfest“, ergänzt Zimmer. Tags darauf sei auf dem Parkplatz vor der ehemaligen Kaserne noch gegrillt worden. Einen Betraum gibt es übrigens nicht, wegen der Vielzahl an unterschiedlichen Religionen und Ethnien verzichte man bewusst darauf, so Ziemer. „Wir versuchen die Balance zu finden, dass es den Menschen angemessen gut geht – alle Wünsche können wir nicht erfüllen“, sagt Zimmer nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen. Mit Blick auf das erste Wochenende im September, an dem die provisorische Erstaufnahmeeinrichtung in Windeseile eingerichtet wurde, räumt Zimmer ein: „Wir waren nicht erfahren bei solchen Großeinsätzen.“ Und: „Das ist wie ein Tsunami über uns hereingebrochen.“ Doch dank der ungezählten freiwilligen Helfer habe man die Herausforderung geschafft. Ziemer: „Ja, wir machen gerade noch Fehler. Aber wir lernen und stellen sie ab.“ Es gebe eben „kein Flowchart“, keine Blaupause, für Flüchtlingsunterkünfte, sagt Ziemer: „Jede Einheit ist anders.“ Aktuell läuft auch beim DRK die Suche nach hauptamtlichen Helfern, beispielsweise Sozialpädagogen. Zimmer: „Aber ohne ehrenamtliche Hilfe wird’s nicht gehen.“ Allerdings soll nun alles in geordneteren Bahnen laufen; Helfer müssen sich an der Pforte anmelden, ein Zeitplan soll erstellt werden und die Besuchszeiten werden eingegrenzt. Wird das Camp – der Begriff ist Zimmer und Ziemer deutlich lieber als „Lager“ – weiter wachsen? Ziemer: „Wir haben bisher noch nichts Neues gehört, was die Größe angeht.“

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