Kreis Kaiserslautern Paris, New York, Berlin

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Der Chansonabend der Kreismusikschule Kaiserslautern am Freitag im Foyer der Stadthalle Landstuhl hatte es in sich. Die Gesangsklasse der Gesangspädagogin Agota Sticht führte die zahlreichen Konzertbesucher zu drei Kulturmetropolen mit ihren typischen Genres und Gattungen: Vom Pariser Boulevard ging`s in einer musikalischen Rundreise zum Broadway nach New York und zur Kulturmetropole Berlin, wo der Nachhall der „Roaring Twenties“ zu den Goldenen Zwanzigern führte.

Wirtschaftlicher Aufschwung, Euphorie und Aufbruchstimmung war hier in vielen – auch später komponierten – Programmpunkten zu spüren. Für die sechs Eleven der Gesangsklasse, ihre Lehrerin und die als „Mädchen für alles“ die Hände rührende Schulleiterin, Kristina Schier, war es eine große organisatorische Herausforderung, den minutiös vorbereiteten Abend zu stemmen. Kostüme, Bühnentechnik, Elemente des Showbusiness und Moderation – vieles passte am Ende. Rolf Schmiedels Moderation führte zwar zu den Kultur-Metropolen mit ihren legendären Zeiterscheinungen hin, vergaß aber leider oft – zur Orientierung – wesentliche Informationen wie Komponist, Titel und Interpret. Insgesamt zeigte sich, dass Paris geografisch zwar am nächsten liegt, aber hinsichtlich Sprache, Lebensgefühl und Tonfall (vor allem ehemalige Edith-Piaf-Titel) schwer zu erreichen ist und die größte interpretatorische Herausforderung hinsichtlich Gestik und Mimik darstellt. Dennoch zeigten Lilly Jung – als jüngste mit elf Jahren – mit natürlich erfrischender Unbekümmertheit und Melissa Düzgün durch ihre Ausstrahlungskraft sowie Juliana Kassel (beim Chanson „Laisse moi le temps“) mit dem Liebreiz ihrer ausgeglichenen Stimme die soliden Grundlagen einer guten gesangstechnischen Ausbildung. Charme und Charisma einer Piaf durfte nicht erwartet werden, aber eine erkennbar intensive Ausarbeitung der textlichen Stimmungsbilder. Viele französische Titel gab und gibt es auch in einer englischen Version, doch Adrian Kiefhaber traf genau den balladesken Tonfall seiner französischen Version von „Les Feuilles Mortes“ anstelle von „Autumn Leaves“. Bei dem im Jazz sehr erfahrenen Klarinettisten und Tenor-Saxophonisten Manfred Pfeifer waren Jazz-Standards in allerbesten Händen. Improvisatorische Umspielungen einer klar entwickelten, melodischen Substanz und im treffenden Tonfall charakterisiert avancierten zu Musterbeispielen einer freien Ausgestaltung unter Wahrung des rhythmischen Groove und im harmonischen Einklang mit dem exzellenten Pianisten Victor Portnoy. Der ist Korepetitor beim Pfalztheater und hat in dieser Funktion bei der Kreismusikschule Kaiserslautern einen Lehrauftrag, den er am Freitag mit der von ihm gewohnten souveränen und lässig wirkenden, aber niemals nachlässigen Art stilsicher und sehr einfühlsam erfüllte. „Petit fleur“ als Reminiszenz an die 1950er Jahre in Paris und „Summertime“ – ein Gershwin-Klassiker – zeigten aber auch, dass die problematische Foyer-Akustik das bauchige Tenor-Saxophon besser zur Geltung bringt als die hier näselnd klingende Klarinette. Aus aufnahmetechnischen Gründen entschied man sich bedauerlicherweise für ein digitales Piano, obwohl ein akustisches Klavier zur Verfügung stand. Ein diskussionswürdiger Kompromiss. Im zweiten Konzertteil schlug die Stunde von Betty Neigel, die inzwischen den Popchor der Kreismusikschule leitet und sich bei Cole Porter und bei Titeln von Friedrich Holländer ein gutes Zeugnis einer ausgeglichenen Stimme ausstellte. Ebenso war Andreas Neigel ein überzeugender Darsteller des John-Kander-Bestsellers „New York, New York“, den er genau richtig in der gesunden Mischung aus lockerer Habitude und pulsierendem Drive anlegte. Ganz im Stile der das Genre prägenden Marlene Dietrich schaffte Juliana Kassel bei einem weiteren Holländer-Titel das Kunststück, das Original zwar nicht kopieren zu wollen, aber dennoch genau den zwischen Koketterie und ironischem Augenzwinkern liegenden Ausdruck zu treffen.

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