Geschichten aus der Geschichte Zwei Amerikaner auf den Spuren ihrer Vorfahren

Ralph und James Behr auf der Rheinfähre.
Ralph und James Behr auf der Rheinfähre.

Immer wieder kommen Amerikaner nach Leimersheim, die in der Pfalz auf den Spuren ihrer Vorfahren wandeln. Einige von ihnen waren Opfer der Nazis.

Im Juli vergangenen Jahres besuchten zwei Brüder den Geburtsort ihres Großvaters Herbert Behr, der 1889 in Leimersheim geboren wurde und 1937 in die USA emigrierte. James Behr ist ein Pianist, Komponist und Musikprofessor in Manhattan und Ralph Behr, ein Strafanwalt aus Florida und Autor. Sie sind zwei von vier Söhnen von Herbert Behrs Sohn Paul. Die beiden Behr-Brüder suchten nach dem Geburtshaus ihres Großvaters in Leimersheim, fanden an dessen Stelle jedoch nur noch einen Parkplatz mitten im Dorf. Dafür entdeckten sie ihren Vater Paul auf einem in Leimersheim 1932 geschossenen Verlobungsbild einer Nichte ihres Großvaters, Irmina Behr.

„Hirsche-Roberts-Haus“: Das Heim der Vorfahren stand gegenüber der Kirche.
»Hirsche-Roberts-Haus«: Das Heim der Vorfahren stand gegenüber der Kirche.

Großvater Herbert Behr stammte aus dem Haus, das einst direkt gegenüber der Kirche stand, wo sich heute der Parkplatz des Bürgerhauses befindet. Er wurde als zweiter Sohn von Salomon Malchus Behr geboren. Dessen jüngster Bruder Oskar Robert Behr war Kantor, Religionslehrer und Vorbeter in der Synagoge und bekannt als „Hirsche-Robert“; sein Großvater hieß vor 1808 Salomon Hirsch. Er und seine Tochter Irmina waren die letzten jüdischen Eigentümer des sogenannten „Hirsche-Roberts-Haus“, das Roberts Vater vom damaligen Gemeindeeinnehmer und Gastwirt Hans Philipp Emmerling kaufte. Letzterer betrieb darin das Gasthaus „Zur Blume“ und errichtete 1831 ohne Genehmigung das Gasthaus „Zum Schiff“ unweit von der Rheinfähre.

Auf Spurensuche: Ralph Behr an der Synagogen-Gedenkstätte in Leimersheim.
Auf Spurensuche: Ralph Behr an der Synagogen-Gedenkstätte in Leimersheim.

Stattliches Haus

„Hirsche-Roberts-Haus“ wird als stattliches Haus mit einem schönen Innenhof erinnert – Fotos sind keine bekannt. Über eine Treppe zu einem Balkon im Innenhof gelangten die späteren Bewohner in ihre kleinen „Sozialwohnungen“, die von dem „arischen“ Käufer des Hauses und später der Gemeinde vermietet wurden. Nach dem Tod von „Hirsche-Robert“ im Sommer 1938 und der Flucht seiner verwitweten Tochter Irmina aus Leimersheim nach der Reichspogromnacht im November 1938 verkaufte letztere unter Zeitdruck das Haus an ihren Nachbarn, Metzger Heintz. Der Kauf wurde jedoch sofort vom damaligen Bürgermeister Schardt beanstandet. Wann infolgedessen der letztmalige Besitzerwechsel stattfand, ist nicht bekannt.

 James auf dem jüdischen Friedhof bei Rülzheim.
James auf dem jüdischen Friedhof bei Rülzheim.

Im KZ ermordet

Die Spurensuche in Leimersheim führte James und Ralph Behr auch zum Platz der ehemaligen Synagoge mit den mosaischen Gesetzestafeln, die als einziger Überrest der Synagoge wesentlicher Bestandteil der errichteten Gedenkstätte sind. Und auf den jüdischen Friedhof bei Rülzheim, wo die Suche nach dem Grab des Urgroßvaters Salomon Malchus Behr erfolglos blieb. Dieser nahm als junger Mann im Deutsch-französischen Krieg 1870/71 teil, in dem er schwer verwundet worden sei. Gerne würden die Nachkommen wissen, ob sein früher Tod im Alter von 45 Jahren Folge davon ist. Nach seinem Tod im Jahr 1893 zog seine Witwe mit den beiden kleinen Söhnen Wilhelm und Herbert nach Kaiserslautern und Jahre später nach Mannheim. Ihre Söhne nahmen im Ersten Weltkrieg an Kämpfen an der Westfront teil, wurden verwundet und bekamen unter anderem das Eiserne Kreuz verliehen. Beide waren erfolgreiche Kaufmänner und treu sorgende Familienväter, sie galten als „assimilierte“, keineswegs orthodoxe Juden. Allein dies aber reichte aus, dass sie ab 1933 von Nazi-Deutschland entrechtet, gedemütigt und verfolgt wurden und nur durch ihre Flucht ins Ausland ihr Leben retten konnten, der eine in Argentinien, der andere in den USA.

Der Vater von James und Ralph Behr, Paul, als Junge auf einem Foto von 1932.
Der Vater von James und Ralph Behr, Paul, als Junge auf einem Foto von 1932.

Obwohl der Großvater von James und Ralph Behr schon nach dem frühen Tod seines Vaters 1893 Leimersheim verließ, blieb der Kontakt zu den Verwandten, Onkel Robert und Cousine Irmina bestehen. Als bildlicher Beweis dient seit dem Besuch in Leimersheim auch das Foto von der Verlobung von Irmina Behr mit Berthold Oehlbert, dem Schwager von Herbert Behr. Auf dem Bild sind nicht nur die Schwiegereltern von Herbert, sondern auch sein Sohn Paul zu sehen, der Vater von James und Ralph Behr. Mehrere der Teilnehmer an der 1932 in Leimersheim stattgefundenen Feier wurden in Konzentrationslagern ermordet, unter anderem die seit 1935 verwitwete Irmina.

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