Kreis Germersheim Strafe als Chance für das Leben

In einer leichten Linkskurve auf der B 9 „schoss“ ein 35-Jähriger aus Rülzheim einen PKW förmlich ab. Aber erst durch den Knall beim Aufprall auf die Leitplanke fiel ihm auf, dass er am Steuer gesessen und einen schweren Unfall verursacht hatte. Mit Drogen zugedröhnt war er – bildlich gesprochen – komplett neben der Spur.

Wegen Straßenverkehrsgefährdung, fahrlässiger Körperverletzung und Fahrens ohne Fahrererlaubnis verurteilte das Amtsgericht Germersheim jetzt den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Gleichzeitig wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Schon mit 14 Jahren, damals noch in Russland, rauchte er Cannabis, ein Jahr später war er schon auf Heroin. Mit 20 Jahren bereits im Ersatzprogramm mit Methadon und Subotex habe er im sogenannten und erlaubten Beikonsum „alles was er kriegen konnte“ genommen. So konnte es die forensische Gutachterin Eva Biebinger aus den Blutbefunden lesen. Mehrere Entzugsbehandlungen scheiterten. Im Alter von 25 Jahren musste er wegen eines Drogenverbrechens sechseinhalb Jahre ins Gefängnis. Eine hoffnungsvolle Phase endete danach mit dem Tod seiner Partnerin. Seinen kleinen Sohn zieht die Schwester groß, der Angeklagte lebt bei seiner Mutter. Gelernt hat er als Autoschlosser und Teilezurichter. Aber seit 2011 ist er arbeitslos. Warum er an jenem 4. Juni 2015 ins Auto stieg, musste ihm erst seine Schwester sagen. Er wollte den Sohn im Schwimmbad abholen. Dass er keine Fahrerlaubnis mehr hat, wusste er zwar, aber es scherte ihn nicht. Sein Auto stand noch vor der Tür und der Schlüssel war auch zur Hand. Bei dem Unfall erlitt die Fahrerin des anderen Wagens eine Gehirnerschütterung und Prellungen, das Auto-Totalschaden. Als er damals an der Unfallstelle aus dem Wagen stieg und allmählich begriff, was er angerichtet hatte, habe er helfen wollen, gab der Angeklagte an. Aber er braucht selbst Hilfe, wie zum Beispiel bei der ersten Hauptverhandlung im Februar in dieser Sache. Da ging es ihm so schlecht, dass die Amtsrichterin den Termin abbrach. Ein forensisches Gutachten sollte Aufschluss bringen, ob der 35-Jährige überhaupt schuldfähig ist. Das nicht, aber zum Zeitpunkt der Tat sei seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen, stellte die Gutachterin klar. Wenn er weiter Drogen nehme, seien von ihm weitere Straftaten zu erwarten. „Dass es keinen Toten gab, ist nicht ihr Verdienst“, fand die Amtsrichterin klare Worte. Deshalb müsse die Allgemeinheit durch eine deutliche Freiheitsstrafe geschützt werden. Die Therapie, die vom Staat finanziert wird, sei aber vor allem eine Chance für das Leben des Angeklagten. |mldh

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