Jockgrim Daimler: Betriebsrat warnt vor Spaltung der Gesellschaft

„Viele Menschen spüren eine akute Zukunftsangst“, sagt Michael Brecht, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Daimler Truck AG.
»Viele Menschen spüren eine akute Zukunftsangst«, sagt Michael Brecht, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Daimler Truck AG.

„Ich rede zum ersten Mal in einer Kirche“, sagte Michael Brecht am Sonntag. Er trat während des Gottesdienstes in der Reihe „Politische Kanzel“ in Jockgrim auf. Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates der Daimler Truck AG ging auch auf seinen Arbeitgeber ein.

Es gebe kaum einen Lebens- und Arbeitsbereich, der derzeit nicht im Wandel sei – Stichworte menschengemachte Klima-Veränderungen, Geschlechter-Verhältnis und Arbeitswelt, so Brecht. Auch die Daimler Truck AG habe in den zurückliegenden Jahren Umstrukturierungen vollzogen und stehe jetzt wieder vor großen Umwälzungen wegen neuer Antriebstechniken und dem Streben nach emissionsfreien Fahrzeugen.

Alte Werte wanken

„Viele Menschen spüren eine akute Zukunftsangst, leben in einer permanenten Unsicherheit, ausgelöst durch Existenz bedrohende Entwicklungen.“ Die Welt werde instabiler, es entstünden ethische und kulturelle Spannungen, alte Werte gerieten ins Wanken, die Gesellschaft drohe sich zu spalten. Der Zusammenhalt in der Gesellschaft sei ein dynamischer Prozess, nicht selbstverständlich, die Menschen müssten fortlaufend dafür arbeiten. Die sei nach seiner Meinung besonders gut zu bewältigen in gesellschaftlichen „Mikrostrukturen“. Dazu gehören Vereine und alle ehrenamtlichen Institutionen. Gerade das Ehrenamt gehöre zum Kern des gesellschaftlichen Zusammenhaltes. „Wir sollten uns alle mehr einbringen, uns jeden Tag für die Werte einsetzen, die uns zusammenhalten, aktiv die heutige Zeit gestalten.“

Die beiden Presbyter Jens Weber und Otto Mielke haben zum zweiten Mal in der protestantischen Kirchengemeinde Jockgrim die Reihe „Politische Kanzel in der Ludowici-Kapelle“ initiiert. „Als Kirche müssen wir immer, besonders in Zeiten des Wandels, Verantwortung übernehmen. Mit den Menschen über die vielfältigen Veränderungen ins Gespräch kommen, ihnen, soweit möglich, Antworten zu drängenden Fragen geben. Und als Kirche sichtbar bleiben“, erläutern die beiden Männer. „Wir erreichen mit unserer Reihe und dem besonderen Format mehr Menschen als nur mit den Gottesdiensten.“

Redner mit Verantwortung

Michael Diener, Dekan im protestantischen Kirchenbezirk Germersheim, eröffnete im September die Reihe. Nach ihm stellten sich der Bundestagsabgeordnete Thomas Gebhart (CDU) und die Landtagsabgeordnete Katrin Rehak-Nitsche (SPD) ans Rednerpult vor dem Altarraum in der Ludowici-Kapelle. Mit Michael Brecht trat am Sonntag zum zweiten Mal ein Nicht-Politiker ans Mikrofon.

Vor rund zehn Jahren gab es erstmals eine solche Vortrags- und Gesprächsreihe in Jockgrim. „Wir haben sie wiederaufleben lassen, weil die Gesellschaft derzeit in vielen Bereichen große Veränderungen durchleben muss“, erklärt Jens Weber. „Viele stellen sich die Frage, ob sie mit dem Wandel Schritt halten, Krisen und Katastrophen meisten können.“ Otto Mielke und er hätten deshalb nach Rednern gesucht, die in unterschiedlichen Funktionen, als Politiker, im sozialen Bereich oder als Unternehmer das gesellschaftliche Leben mitgestalten und „Verantwortung tragen“. Alle bisherigen Gastredner seien ein bisschen nervös gewesen, da der Rahmen für ihre Gedanken ein anderer als sonst sei. Alle seien jedoch begeistert von der Reihe und ihrer bisherigen Resonanz.

Auf die Bürger als gesellschaftliche Triebfeder hätte auch Katrin Rehak-Nitsche gesetzt. Thomas Gebhart schlug vor, die Qualität von politischer Arbeit messbar zu machen, und Michael Diener appellierte an die christlichen Werte, um Krisen bewältigen zu können.

Info

Die Reihe „Gesellschaft im Wandel, was uns zusammenhält“ in der Ludowici-Kapelle wird am Sonntag, 12. November, 10 Uhr, mit Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Verkehr und Digitales fortgesetzt. Am Sonntag, 26. November, 10 Uhr, wird Tobias Lindner (Grüne), Staatsminister im Auswärtigen Amt, erwartet. Weitere Infos unter www.protjockgrim.de.

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