Kreis Germersheim Mit der Florett nach Südtirol

Die Strecke von Kandel ins Südtiroler Pfitschtal ist rund 500 Kilometer lang. Mit dem Auto ist diese Entfernung ein Katzensprung, den man bequem in einem halben Tag bewältigen kann. Für einen Leichtkraftradfahrer ist das schon etwas Besonderes, vor allem dann, wenn sein fahrbarer Untersatz mehr als 50 Jahre alt ist. Bewältigt haben diese lange Tour der Minfelder Heini Strohm und der Kandeler Günter Schmidt, die vor einiger Zeit ihren 70. Geburtstag feiern konnten, mit zwei Kreidler Florett, Baujahr 1962.

In den späten fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts war die Kreidler Florett mit ihrem Zweitaktmotor, 50 Kubikzentimeter-Hubraum und 3,6  PS sowie ihrer Dreigang-Fußschaltung das wohl meistgekaufte Modell der Leichtkraftrad-Klasse. Auch Strohm und Schmidt fuhren vor Jahren einen „Eiertank“ der „Schnapsglas-Klasse“, wie die Florett oft genannt wurde. Doch während Strohms Maschinchen noch fahrbereit in der Garage stand, hatte Schmidt seines beim Kauf seines ersten Autos in Zahlung gegeben. Als er jedoch bei Bekannten eine Florett beim Sperrmüll entdeckte, griff er zu und machte sie mit Original-Ersatz-teilen wieder fahrbereit. Erfahrung mit solchen Basteleien hatte er ja, denn schließlich hat er auch mal einen Traktor Modell Kramer KB 17 aus dem Baujahr 1954 wieder flott gemacht und ist mit ihm 2009 ebenfalls ins Pfitschtal gefahren. Die Idee zur Fahrt mit den Floretts hatte Günter Schmidt, der auch die Fahrtroute ausarbeitete, die ähnlich der seiner Traktorfahrt war. Von Kandel aus ging es am ersten Tag durch den Schwarzwald, über die Schwäbische Alb, vorbei an der Hohenzollernburg bei Sigmaringen und durch die drei Bäderstädte Saulgau, Waldsee und Schussenried bis nach Wolfegg im Allgäu. Ziel des zweiten Tags war die Stadt Nassereuth in Tirol. Mit nur 3,6  PS war diese Fahrt nicht gerade einfach, ging es doch hinein in die Alpen durch Oberndorf und Sonthofen, das Oberjoch hinauf und dann weiter durch das Tannheimer Tal und Reutte. Bevor das Gespann Strohm /Schmidt jedoch sein Tagesziel erreichte, musste erst noch eine kleine Panne behoben werden, denn die Kupplung an Schmidts Kreidler wollte nicht mehr. Doch er hatte das Glück des Tüchtigen, hielt doch ein Mann bei ihm an und bot seine Hilfe an. Dieser Mann war, man kann es kaum glauben, ein Oldtimerfreund mit einer eigenen Oldtimerwerkstatt, in der Schmidt den Schaden kostenlos beheben konnte. Dann kam der dritte und schwierigste Tag der Reise, ging es doch über den Fernpass nach Innsbruck und über den Brenner nach Sterzing. Letzterer wurde selbstverständlich über die alte, kurvenreiche Landstraße überwunden. Auch sonst fuhren die Herren stets auf Nebenstraßen, denn Autobahnen und gut ausgebaute Fernstraßen waren für die beiden Floretts mit ihren Mopedkennzeichen tabu. Nachdem Schmidt und Strohm den steilen Aufstieg von Sterzing nach Kematen im Pfitschtal überwunden hatten, erreichten sie nach einer reinen Fahrzeit von 18 Stunden ihr Hotel, wo Günter Schmidts Ehefrau die beiden Fahrer erwartete. Für Schmidt und Strohm war die Fahrt, wie Schmidt später sagte, ein großartiges Erlebnis: „Vor allem auch, weil wir dabei sehr gut aufgenommen worden sind und ich bei meiner Panne die Hilfsbereitschaft und die Gastfreundschaft fremder Menschen erleben konnte.“ Strohm und Schmidt fuhren, wie sie errechneten, mit einem Schnitt von rund 36 Kilometer in der Stunde bei einem Benzinverbrauch von 2,6 Liter auf 100 Kilometer.

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