Kreis Germersheim Mann im Ohr hilft bei Prüfung

Verkabelt: Mini-Kamera und winzige Kopfhörer gehören zur Betrugsausrüstung.
Verkabelt: Mini-Kamera und winzige Kopfhörer gehören zur Betrugsausrüstung.

„Hier stimmt doch was nicht“, sagte der TÜV-Prüfer in Schwegenheim vergangene Woche zu Thomas Adam, der eine Fahrschule mit Niederlassungen in Bellheim, Lingenfeld, Speyer und Harthausen betreibt. Sein Detektor, der Funkfrequenzen in der Nähe anzeigt, habe „wie verrückt“ ausgeschlagen, nachdem Adams Schüler den Raum betreten hatte. Als sie den Prüfling damit konfrontieren, fällt ihnen eine winzige Kamera in dessen Knopfloch auf. Durchsuchen durften sie den vermeintlichen Täuscher nicht, dieser habe den Raum fluchtartig verlassen und sei zum gegenüberliegenden Tankhof gerannt. Adam vermutet: „Da saßen die Mittäter.“

Täuschungsversuche dieser Art nehmen zu (wir berichteten bereits im November im überregionalen Teil). Laut TÜV Rheinland steigt die Anzahl der Betrugsversuche mit technischen Hilfsmitteln an, 2018 wurden allein in Rheinland-Pfalz 70 Fälle aufgedeckt, 2017 waren es 17. Die Dunkelziffer sei jedoch bedeutend höher, sagt Jörg Wehrfritz, Leiter der technischen Prüfstelle beim TÜV Rheinland. Er schätzt, dass höchstens 20 Prozent der Schummler erwischt werden. Auch Adam ist sich sicher: „Das war kein Einzelfall.“ So habe vor einiger Zeit ein Mann vor seiner Fahrschule gezielt Fahrschüler angesprochen und ihnen Hilfe bei der theoretischen Prüfung angeboten. 1400 Euro sollte diese „Hilfe“ kosten. Jörg Wehrfritz spricht in diesem Zusammenhang von „organisiertem Verbrechen“. Ein Verbrechen ohne nennenswerte Strafe. Nach Paragraf 18 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) darf eine wegen Täuschung abgebrochene Prüfung nach sechs Wochen wiederholt werden. Wer schwerwiegend, etwa mit technischen Hilfsmitteln, täuscht, wird für sechs Monate gesperrt. Da es laut TÜV Rheinland keine zentrale Dokumentation im Fahreignungsregister gibt, kann der Prüfling aber auch einfach einen Antrag in einem anderen Landkreis stellen. „Wenn meine Mitarbeiterinnen die sechs Monate Sperre aussprechen, lächeln ihnen die Leute ins Gesicht“, erzählt Wehrfritz. Er wünscht sich eine Verschärfung der Gesetze: „Für mich ist das Betrug. Es kann nicht sein, dass das noch nicht mal eine Ordnungswidrigkeit ist.“ So dürfe bei einem Täuschungsverdacht auch die Polizei den Betreffenden nicht durchsuchen. Die fehlende Ahndung hält Wehrfritz für ein falsches Signal: „Wenn jemand schon in der Ausbildung Regeln missachtet, dieses aber keine Konsequenzen hat, warum sollte er sich dann im Verkehr an Regeln halten?“ Auch andere Fahrschulen berichten von merkwürdigen Vorgängen: „Manchmal wundere ich mich schon, wenn sich einer zur Prüfung anmeldet und dann 80 Fehlerpunkte hat“, sagt eine Fahrlehrerin, die anonym bleiben will. Wahrscheinlich, vermutet sie, habe es in diesen Fällen Probleme mit der Schummeltechnik gegeben. „Dann habe ich andere, die kommen mit einer bestandenen Theorieprüfung und wissen nicht, was eine Vorfahrtsstraße ist“, sagt die Frau. Neben den Täuschungsversuchen seien ihr vor allem die Umschreibungen nach Paragraf 31 des FeV ein Dorn im Auge. Das Gesetz regelt die Erteilung einer Fahrerlaubnis an Inhaber eines Führerscheins aus Nicht-EU-Staaten. „Bei 98 Prozent der Umschreibungen muss ich eine komplette Neuausbildung machen. Da habe ich Leute mit Führerschein, die offensichtlich noch nie hinter einem Steuer gesessen haben“, sagt die Fahrlehrerin. Es sei ihr unbegreiflich, warum sich jemand in diesem Fall ohne Fahr- und Theoriestunden zur Prüfung anmelden dürfe. „Der Paragraf 31 gehört untersucht“, fordert auch Thomas Adam. „Da kommen Leute mit einem Führerschein, die sind noch nie einen Meter gefahren, sprechen kein Wort Deutsch, aber bekommen relativ leicht einen deutschen Führerschein ausgestellt“, sagt der Fahrlehrer sichtlich aufgebracht im RHEINPFALZ-Gespräch. Mögliche Sprachbarrieren sind für ihn keine Entschuldigung: Testbögen und Unterrichtsmaterial gebe es in zwölf Sprachen, auch auf Arabisch. „Leider nur auf Hocharabisch, das verstehen viele genau so wenig wie Deutsch“, gibt Adam zu. Hier sei es jedoch Sache des Gesetzgebers, gleiche Bedingungen für alle zu schaffen. Adam ärgert das mangelnde Bewusstsein für die Gefahr, die von der Zunahme von nicht oder nur mangelhaft ausgebildeten Autofahrern ausgehe: „Wenn ich Steuern hinterziehe, ermittelt die Staatsanwaltschaft, weil ja ein öffentliches Interesse besteht. Aber wenn jemand mit einem erschwindelten Führerschein Auto fährt und Menschenleben gefährdet, dann besteht kein öffentliches Interesse?“ Er habe den Fall entgegen seiner geschäftlichen Interessen öffentlich gemacht, um auf das Problem aufmerksam zu machen: „Ich bin seit über 30 Jahren Fahrlehrer, aber die Entwicklung momentan ist erschreckend.“

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