Kreis Germersheim Kandel macht Stimmung gegen Rassismus

„Die dicken Kinder“ aus Landau sorgten für einen Höhepunkt zum Ende des Festivals. Foto: Iversen
»Die dicken Kinder« aus Landau sorgten für einen Höhepunkt zum Ende des Festivals.

Das „Mittendrin & Bunt“- Festival wurde am Wochenende erstmals in Kandel gefeiert. Beim Familienfest gab es viel Musik anstatt politischer Parolen. Der Besucherzuspruch war groß. Gäste aus Ostritz wurden in der Bienwaldhalle begrüßt.

Einfach nur feiern, keine politischen Reden, aber dennoch ein Signal gegen Rechtsextremismus und Ausgrenzung setzen – das war am Pfingstwochenende die Intention des Festivals „Mittendrin & Bunt“ vor und in der Bienwaldhalle in Kandel. Zahlreiche Bands (allesamt verzichteten auf Gagen) zwischen Hip-Hop, Singer-Songwriter, Indie-Pop, Jazz und Cover-Songs verbreiteten an zwei Tagen durchgehend gute Laune. Vor allem am Sonntag mutierte das Festival mit tobenden Kindern auf einen eigens für sie eingerichteten Parcours mit Hüpfburg oder Feuerwehrschlauch-Zielen zum echten Familienfest.

Vollauf zufrieden mit dem Festival, zumal der Wettergott mitspielte, war Mitorganisatorin Sarah Boos von „Kandel gegen Rechts“. „Die Resonanz ist wirklich gut. Anstatt zu demonstrieren, wollten wir ein Fest für alle organisieren. Ganz bewusst haben wir dabei auf parteipolitische Reden verzichtet“, so Boos, die sich darüber freute, dass auch etliche Leute aus der näheren Region, aus Landau oder Karlsruhe, das Gratis-Open-Air mit Hallenanschluss besuchten.

„Gino in the Bottle“ ging aus dem Kandeler Jugendzentrum hervor

Währenddessen träumte Songwriterin „MAI“ mit zarter Stimme von einer besseren Welt, als sie John Lennons „Imagine“ intonierte. Ambitioniert war der Indie-Pop von „Schnauze Lübke“. Da wurden fleißig die Instrumente getauscht. Mal klang es ein wenig nach Brit-Pop, dann nach der Deutschrock-Legende Spliff und auch die Grindcore-Urväter „Napalm Death“ standen Pate bei einem Song wie der Bassist und Part-Time-Sänger leicht ironisch anmerkte. Der Folk-Pop mit temporärem Ziehharmonika- und Ukulele-Einsatz kam bestens an. Zu den Höhepunkten am Samstagabend zählten „Gino in the Bottle“. Schließlich sind bei der Band, die aus dem Juz Kandel hervorging, mit Namensgeber Gino und seinem Bruder Nico zwei Akteure („Die Partei“) am Start, die gegen das rechtspopulistische „Frauenbündnis“ aktiv sind. Musikalisch wusste die Band, die auf Coversongs aus den 90er und 2000er Jahren setzt, durchaus zu überzeugen. Ob der Smasher „Little Talks“ der Isländer „Of Monsters and Men“, „Ein Kompliment“ der „Sportfreunde Stiller“ oder der Gassenhauer „Piano Man“ von Billy Joel – Mitklatschen und Mitsingen war angesagt. Auch der Ska-Punk von „Strom & Wasser“ oder die Electro-Pop-Mischung von Modeste aus Landau fand reichlich Applaus.

Kulinarisch kamen die Besucher bei Couscous, vietnamesischen Frühlingsrollen, Crêpes oder indischem Curry auf ihre Kosten. Der Andrang war so groß, dass es schon am Samstagabend bei einem der internationalen Stände hieß: „Das Essen war so lecker, dass es leider schon alle ist.“ Aber man konnte sich ja problemlos am Stand nebenan bedienen.

Die Finanzierung wurde unter anderem über einen Fond realisiert

Die Organisation des zweitägigen Festivals begann bereits im Frühjahr. Zu pass kam den Festivalmachern der Aktionsfonds „Viral“, der Vielfalt stärken sowie Rassismus lokal bekämpfen möchte. Dort bewarb sich das Bündnis mit 180 weiteren Initiativen. Die Südpfälzer zählten am Ende zu den zehn förderungswürdigen Projekten und erhielten monetären Support. Eine Crowdfunding-Aktion brachte weiteres Geld. So hatten Sarah Boos und Giulia Reininger bei der einzigen offiziellen Rede vielen für deren Unterstützung zu danken – von der Stadt, welche die Halle kostenlos zur Verfügung stellte, den Sanitätern, dem Ordnungsamt bis zu den 40 ehrenamtlichen Helfern und dem Organisationsteam mit weiteren zehn Köpfen.

Angetan von dem Festival war auch Jutta Wegmann (Wir sind Kandel). „Es ist toll, was hier auf die Beine gestellt wurde und das in einer absolut friedlichen und lockeren Atmosphäre.“ Sie selbst begrüßte am Samstagabend eine kleine Delegation aus Ostritz. Die Kleinstadt in Sachsen hatte und hat mit ähnlichen Problemen wie Kandel zu kämpfen. Dort finden regelmäßig Rechtsrock-Konzerte statt, die Neonazis aus ganz Europa anziehen. „In Ostritz hat sich eine Gruppe gebildet, die diesem Treiben ein Friedensfestival entgegensetzt und sich für Toleranz engagiert. Eine ganz tolle Aktion. Wie bei uns in Kandel wurde hier die Zivilgesellschaft mobilisiert“, betonte Wegmann. Im Übrigen sei es auch mal sinnvoll, die Kurz-Truppe, die zeitgleich in Herxheim demonstrierte, zu ignorieren und stattdessen zu feiern. Die Gruppe um Ostritz’ Bürgermeisterin Marion Prange gratulierte in der Bienwaldhalle: „Vielfalt und Toleranz liegen uns sehr am Herzen. Wir fühlen uns hier wie zu Hause.“ Begleitet wurde die kurze Rede von einer Videobotschaft der Engagierten aus der Oberlausitz.

Einen Tag später, am Sonntag, begeisterte der Pfälzer Pop-Songwriter Oli Dums & Friends das Publikum mit emotionalen Balladen. Die „Humanistischen Frauen“ aus Mannheim wiederum sorgten bei Ethno-Folk dafür, dass sich ein großer Kreis aus tanzenden Türkinnen in Tracht und Pfälzern in Freizeitkleidung bildete. Die „Microphone Mafia“ bot scharfe politische Reime und dabei betonten die Rapper wie alle der Kulturschaffenden auf der Bühne, wie sehr sie das Anliegen des Bündnisses unterstützen. Ein Highlight gegen Ende waren „Die Dicken Kinder“ mit ihrer furiosen Soul/Rock/Comedy-Mischung. Aber nicht nur Musik war angesagt, auch zahlreiche Info-Stände unter anderem von attac, antifaschistischen KSC-Fans (Blau-weiß statt Braun), Gruppen gegen Homophobie, Aufstehen gegen Rassismus oder „Viva con Agua“ aus Hamburg (Zugang zu sauberem Trinkwasser für alle). Sie alle sorgten dafür, dass neben Herz und Bauch auch das Hirn angesprochen wurde.

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Trinken und Essen in gesselliger Runde gehörte zum Festival genauso dazu wie die Musik. Foto: Iversen
Trinken und Essen in gesselliger Runde gehörte zum Festival genauso dazu wie die Musik.
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Orientalische Tänze zeigte die Formation „Dessert Rose“.  Foto: Iversen
Orientalische Tänze zeigte die Formation »Dessert Rose«.
Vorbereitung in der Bienwaldhalle.  Foto: Iversen
Vorbereitung in der Bienwaldhalle.
Interessierte Zuschauer. Foto: Iversen
Interessierte Zuschauer.
Tanz unter freiem Himmel. Foto: Iversen
Tanz unter freiem Himmel.
Gute Stimmung herrschte unter freiem Himmel. Foto: Iversen
Gute Stimmung herrschte unter freiem Himmel.
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