Kreis Germersheim Die Erfahrungen der Rettungssanitäter

„Heute waren wir etwa bei einer älteren Dame, die hatte leichten Schwindel“, berichtet ein Sanitäter aus Karlsruhe, der nicht genannt werden will. Für die Seniorin eine unangenehme Erfahrung, ja. Aber kein Notfall, befindet der versierte Retter, der seit mehr als 20 Jahren für den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) mit Blaulicht unterwegs ist. Mit ein paar Kreislauftropfen war das Problem schnell behoben. Nicht nur machten sich Menschen oftmals zu viele Sorgen bei geringfügigen Beschwerden. Nach seiner Erfahrung würden Symptome immer wieder schlicht vorgeschoben, weil Patienten nicht Willens oder in der Lage seien, lange auf einen Facharzttermin zu warten oder das Taxi zur Behandlung zu bezahlen, erzählt ein Sanitäter aus Kaiserslautern, der ebenfalls anonym bleiben möchte. „Da ruft man dann eben den Notarzt.“ So habe er einen vorgeblichen Patienten mehrfach von Landstuhl nach Kaiserslautern chauffiert. „Der hat einen Krampfanfall vorgetäuscht und wusste, er kommt dann dorthin in die Neurologie. In der Notaufnahme ist er dann aufgestanden, hat gesagt, ihm fehle nichts, und ist rausspaziert,“ erzählt er. Ein teurer Spaß. Eine Fahrt im Krankenwagen kostet bis zu 350 Euro. Die Rechnung begleicht freilich in den meisten Fällen die Krankenkasse. Doch nicht nur Privatpersonen, auch Institutionen wie Alten- und Pflegeheime sowie Schulen und Kindergärten wählten immer öfter die Notfallnummer, berichten beide Sanitäter einhellig. „Die rufen uns wegen jedem Pups“, schimpft der Karlsruher Helfer. Denn wenn Eltern nicht erreichbar seien, sähen sich Schulen häufig gezwungen, einen Krankentransport in Anspruch zu nehmen, erläutert sein Kollege. Obwohl es sich bei den Verletzungen vielmals lediglich um verstauchte Gelenke oder kleinere Schnittwunden handele. Als Grund nennt der 42-jährige Karlsruher „Absicherungswahn“. Angehörige und Eltern drohten Pflegepersonal, Betreuern und Lehrern immer häufiger mit Anwälten und Konsequenzen, wenn diese auch bei kleineren medizinischen Problemen oder Unfällen nicht sofort alle Mittel ausschöpften, sprich den Krankenwagen riefen. Ähnliche Erfahrungen machten auch die Retter selbst bei ihren Einsätzen, berichtet der Mann weiter. „Wir können uns gegen die Einsätze kaum wehren. Ruft jemand den Notruf an, müssen wir in der Regel hin – auch bei einer Nichtigkeit.“ Wünsche dies der Patient, herrsche obendrein Transportpflicht ins Krankenhaus. In der Klinik setze sich das Problem dann fort: „Kommt dort jemand nachts um drei mit einem Zipperlein auf die Notfallstation, müssen die ihn trotzdem untersuchen.“ All dies sei ein schleichender Prozess gewesen. Einmal habe das Anspruchsdenken der Bevölkerung zugenommen, andererseits beobachte er, dass Hausärzte und der ärztlicher Bereitschaftsdienst zu Hausbesuchen immer weniger bereit seien. Sie fehlten als Filter zwischen ambulanter und stationärer Behandlung. Auch dies erhöhe den Druck auf die Rettungsdienste. (fex)

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