Kreis Germersheim Auf „Hamster“-Tour im Morgengrauen

7 Uhr morgens. Es ist dunkel und sehr kalt. Etwa um den Gefrierpunkt. Die Tour beginnt. Für Heinz Vogt ist es die Jungfernfahrt im neuen Fahrzeug. Erste Station ist der Edeka in Rülzheim. Beifahrer Bernd Albersmeier steigt aus und meldet sich im Markt an. Währenddessen rangiert Vogt den 3,5-Tonner an den Hintereingang, den Eingang für die Warenanlieferung.

Das Fahrzeug piepst beim Rückwärtsfahren – anders als das alte Auto. Wenn ein Hindernis naht, wird das Piepsen immer lauter. Als Vogt geparkt und die Türen des Laderaumes geöffnet hat, erscheint schon Albersmeier mit einem Rollwagen voller Kisten aus dem Hinterausgang. 13 Kisten hat der Markt am Mittwochmorgen für die Tafel Wörth übrig, hauptsächlich Brot und Molkereiprodukte, vor allem Quark, Joghurt, Milchgetränke. „Wir sortieren die Lebensmittel vor“, erzählt Albersmeier. „In der Tafel wird dann noch mal geschaut.“ Wenn die Verpackung beschädigt ist, ein Joghurtbecher beispielsweise einen aufgerissenen Deckel hat, wird er sofort aussortiert. Meist geben die Märkte Produkte an die Tafel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum auf diesen Tag fällt oder in wenigen Tagen erreicht ist. Die Ware muss sofort in die Kühlzelle des Fahrzeugs. „Die Kühlkette muss eingehalten werden“, sagt Vogt. Viele Supermärkte könnten der Tafel keine Molkereiprodukte geben, da sie für die aussortierte Ware keinen Platz im Kühlhaus haben. Nächste Station ist ein Bauernhof in Herxheim. Er hat mal mehr, mal weniger Obst und Gemüse für die Tafel. Heute sind es Kürbisse. Hokkaido, um genauer zu sein. Der Chef zeigt auf einen Stahlbehälter, der halb gefüllt ist mit ausgemusterten Hokaidos. Vogt und Albersmeier füllen Kiste für Kiste. Beim zweiten Bauernhof wissen die beiden „Hamster“, wie sie sich selbst nennen, ganz genau, wo sie hinmüssen. „Hamster“ deshalb, weil sie die Lebensmittel für die Tafel einsammeln, also „hamstern“. Bernd Albersmeier hilft bei der Tafel, seitdem er vor rund sieben Jahren in Rente gegangen ist. Heinz Vogt ist etwa seit drei Jahren dabei. Auf die Frage, weshalb sie sich ehrenamtlich engagieren, antworten beide genau dasselbe: „Ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben.“ Beifahrer Albersmeier schleppt zwei Säcke Karotten in den Laderaum des Fahrzeugs. „Eigentlich sind das Futtermöhren“, sagt er. Pferdebesitzer würden diese Karotten kaufen. Sie sind etwas kürzer, krummer oder abgebrochen – aber eben normale Karotten. Gegen 9 Uhr geht es zurück zur Tafel nach Wörth. Ausladen. In der Halle, die vor zwei Stunden leer war, ist nun einiges los. Helferinnen sortieren die ersten gelieferten Lebensmittel. Es wird geputzt, gewaschen, geräumt. Für den Fahrer und seinen Beifahrer geht es gleich weiter. Den Zwischenstopp legen sie ein, um wieder genügend Platz im Laderaum zu haben. Außerdem können andere Helfer bereits die Pakete für den Heimservice richten. Mütter kleiner Kinder beispielsweise oder ältere Menschen, die nicht zur Tafel kommen können, bekommen gegen einen Aufpreis ein Paket nach Hause geliefert. Die nächste Station auf der Tour: der Marktkauf. Ein großer Lastwagen liefert gerade Ware an, wir sollen später wiederkommen. Also zuerst zum nahegelegenen Lidl. Die Fahrt zu Marktkauf wollen Vogt und Albersmeier nicht missen. Sie wissen, dass der Supermarkt die meiste Ware für die Tafel bereitstellt. Allein 17 Kisten an Konserven, Gebäck, Instantnudeln, Süßigkeiten können Vogt und Albersmeier direkt einladen. Fast genauso viele Kisten Obst und Gemüse müssen sie vorher genau durchsehen. „Das ist immer eine Schmuddelarbeit“, sagt Albersmeier. Da müsse immer genau nachgesehen werden, was noch gegessen werden kann. Dabei gilt eine einfache Regel: „Nimm das mit, was du selbst noch essen würdest!“, erklärt der Beifahrer. Teilweise sind die Kisten mit zehn Salatköpfen gefüllt, die nicht einmal in die Regale geräumt wurden. Anderes Obst ist schon schimmelig. Mit großer Sorgfalt trennen die beiden Ehrenamtlichen Gutes von Verdorbenem: Orangen, Äpfel, Bananen, Champignons, Salate, Spinat. Auch eine Kiste mit Hygieneartikeln, Putzmittel und Tierfutter ist dabei. Teilweise beschädigt, teilweise makellos. Der Laderaum ist gut gefüllt, Vogt und Albersmeier steigen ein. Es geht zurück zur Tafel. Für die restlichen Helferinnen und Helfer der Tafel fängt der Arbeitstag jetzt erst so richtig an. Einige sortieren die Lebensmittel und bieten sie später den Bedürftigen an. Für Vogt und Albersmeier ist der Arbeitstag zu Ende. Sie wärmen sich an einer Tasse heißem Kaffee, bevor es nach Hause geht. Ein normaler Arbeitstag für die Tafel. Ein erfolgreicher Tag.

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