Kreis Germersheim „Alarmposten ist kein Dödeljob!“

Germersheim

. „Krawenz“, hallt der Schuss durch das Biwak. Oberfeldwebel Benjamin Moh ist sauer, besonders wegen der Ausreden des Rekruten. „Mann, diskutieren Sie nicht. Klar war noch Munition in der Waffe, sonst hätte es eben doch nicht ,bumm’ gemacht“, schimpft Ausbilder Moh. Beruhigend: Beim Üben wird mit Platzpatronen geschossen. Um 4 Uhr in der Früh haben die Ausbilder die Rekruten aus dem Bett gescheucht – anderthalb Stunden früher als gewohnt. Da kann man schon mal etwas unkonzentriert sein. Stube und Körper reinigen, Material zusammenpacken und Abmarsch aufs Übungsgelände nahe der Sponeck-Kaserne. Schließlich Zelte aufbauen, mit Laub auspolstern (denn die als Isomatte dienende Mehrzweckunterlage ist nur wenige Millimeter dick) und wegen des Dauerregens mit einem Sickergraben umgeben. Die Rekruten haben sieben Wochen Grundausbildung hinter sich. Viele zelten aber offenbar zum ersten Mal. „Wissen Sie wie man Feuer macht?“, fragt Oberfeldwebel Moh in den Kreis. „Wenn wir Sonne hätten, schon.“ Moh zupft einige dünne Reiser von einem Baum. „Das eignet sich prima als Zunder, davon sammeln Sie jetzt so viel Sie tragen können.“ Von den zwei abkommandierten Fliegern kehrt einer mit einer Handvoll Zweiglein von seiner Mission zurück, der andere bringt einen Arm dicker Knüppel. Moh verdreht die Augen gen Himmel. „Was kommt jetzt? Liegestützen?“, fragt sich der Beobachter. „Nein, das wäre eine Körperstrafe und die sind bei der Bundeswehr nicht erlaubt“, erklärt Oberleutnant David Hoeder. Viel mehr als Lob und Tadel oder dem intensiven Wiederholen von Ausbildungsabschnitten steht den Ausbildern an Disziplinarmaßnahmen nicht zur Verfügung. Besonders unbotmäßige Rekruten bekommen auch mal einen Aufsatz aufgebrummt. „Um das eigene Fehlverhalten zu reflektieren“, sagt Hoeder. Als Zugführer leitet Hoeder die Übung und gibt nun den Tagesbefehl aus: Der Feind, das „Rote Kommando aus Westland“, hat die Luftwaffenkaserne in Köln-Wahn angegriffen. Nun gilt es das Materialdepot der US-Streitkräfte bei Germersheim zu sichern und den Gegner am Überschreiten der Queich zu hindern. Zunächst müssen dazu aber die Verteidigungsstellungen in dem Wald zwischen Fluss und Biwak ausgebaut werden. „Wie tief muss das sein?“, fragt ein Rekrut, der mit dem Klappspaten in der Erde wühlt. „Tiefer“, sagt Oberfeldwebel Tim Hofmeister. Schließlich soll der Soldat in seinem Schützenloch aufrecht sitzen können, während er Wache schiebt. „Alarmposten ist kein Dödeljob“, schärft Moh seinen Leuten ein. „Verpennst Du den Feind, hast Du schlechte Karten.“ Melden die rund um die Uhr Wache haltenden Beobachtungsposten per Feldtelefon feindliche Bewegungen ins rückwärtige Lager, heißt es schnell sein – und leise. Schließlich soll der Gegner nicht merken, dass er bereits erwartet wird. Also wird das unauffällige und zügige „Einfließen“ in die Stellung, wie es im Bundeswehrjargon heißt, immer und immer wieder geübt. Von der wohl koordinierten Präzision, die man von den Marine-Platoons in Hollywood-Streifen kennt, sind die Anfänger im Soldatenberuf allerdings in etwa so weit entfernt wie das taktische Verhalten einer Horde Waldgermanen von dem einer römischen Legion. Besonders schwer haben es beim Manöver der Maschinengewehrschütze und sein Helfer: Laut klappernd wuchten die Männer die fast zwölf Kilo schwere Waffe nebst zugehöriger Munition und weiterem sperrigem Zubehör umher. Grazil geht anders. „Kopfüber in ein Loch zu springen, ist keine gute Idee“, kommentiert Moh den Hechtsprung eines seiner Leute in die Deckung. „Gut, dass der Hindukusch so weit weg ist“, denkt sich der Beobachter nach einigen eher chaotischen Versuchen der Truppe, ihre Stellungen in der vorgesehenen Weise zu beziehen. „Okay, wir machen das jetzt noch mal klein-klein“, sagt Oberfeldwebel Hofmeister ein wenig konsterniert. Einige Stunden und viele weitere Durchläufe später läuft die Operation dann schon viel flüssiger. Das Feldtelefon schrillt. Alarm! Alarm! Der Feind hat die Queich überschritten. Wie eine grimmige Raupe arbeitet sich Mohs Gruppe durchs Gebüsch zu ihrer Stellung vor – während sich ein Soldat vorwärts bewegt, sichert der Hintermann kniend ab und rückt dann erst nach. Geredet wird nicht, kommandiert wird per Handzeichen. Aus dem Wald ertönt das grelle, aggressive Knallen der G 36 und das tiefe, heisere Bellen des MG 3. Das „Rote Kommando aus Westland“, verkörpert von einigen Soldaten des Stammpersonals der Ausbildungskompanie, rückt zwischen den Bäumen vor. Die Gruppenführer Moh und Hofmeister brüllen Befehle: „Zwölf Uhr, hinter Hügel, neben Zwillingsbaum, feindlicher Schütze, vernichten!“, leitet Hofmeister das Feuer seiner Gruppe. Peng, peng, peng, knallt es. Durch den Feldstecher sieht man einen Mann in Kampfmontur zusammensacken. Meldung: „Zwölf Uhr, hinter Hügel, neben Zwillingsbaum, feindlicher Schütze, geworfen.“ „Bis jetzt war es eher wie ein Landschulheim“, sagt ein junger Flieger. „Aber so langsam fühlt man sich schon wie ein richtiger Soldat.“ „Geil, sehr geil“, freut sich Hofmeister über das planvolle und disziplinierte Vorgehen seiner Truppe. „Ich bin stolz auf Euch“, ist Moh fast gerührt. „Ihr habt heute einen großen Schritt nach vorne gemacht“, lobt Zugführer Hoeder. „Nur die Meldung des Feindes war mir nicht aggressiv genug.“ „Na ja, da ist vorhin einer mit Walkingstöcken durch“, wendet ein Rekrut ein. „Ich dachte, das wäre kein Feind.“

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