Kreis Bad Duerkheim Da fahren die Gefühle Achterbahn

Wurstmarkt-Urgesteine, die sich um das größte Weinfest der Welt verdient gemacht haben, standen gestern im Fokus des Schausteller-Frühschoppens. Ehrenurkunden, Geschenke, Blumen sowie stehender Applaus und herzliche Umarmungen bestimmten die Szenerie im Café „Circus-Circus“. Auch ein paar Tränen der Rührung sind geflossen.

Es ist schon eine einzigartige Gemeinschaft, die das Geschehen auf dem Wurstmarkt mitbestimmt und die jedes Jahr ihr Bestes dafür tut, damit der Wurstmarkt wieder mehrere hunderttausende Besucher anlockt. Gestern kamen sie alle zusammen: Schausteller, Stadt inklusive Marktleitung sowie die Vertreter von Festausschuss oder Stadtrat. Jeder kennt irgendwie jeden, weiß um die Bedeutung jedes einzelnen im Zahnrädchen-Getriebe der Vergnügungs-Superlative. Und so muss sich auch keiner dafür schämen, wenn beim einen oder anderen Tränen fließen: An Wurstmarkt ist eben Ausnahmezustand. Da fahren die Gefühle auch mal Achterbahn. „Wenn ich nicht mehr gewusst habe, wie viele Meter mein Stand hat, hab ich Dich eben gefragt“, sagt René Bauer, Sprecher der Wurstmarkt-Schausteller, als er Martin Müller auf die Schulter klopft. Der ehemalige Hausmeister der Stadt, der vor zwei Jahren in Pension ging, wollte noch bis zum 600. Wurstmarkt im Marktleitungs-Team als „Wagenmeister“ verbleiben. 27 Jahre hat er dieses Amt ausgeübt. Der 1951 geborene Dürkheimer weiß so gut wie kein anderer, welcher Stand wohin gehört, damit alles passt auf dem Platz. Er wurde als einziger an diesem Vormittag von der Wurstmarkt-Runde verabschiedet. Er bekam extra einen neuen Titel verliehen, damit der Schritt nicht allzu schwer wurde: Müller darf sich mit Urkunden-Unterschrift von Bürgermeister Christoph Glogger jetzt „Ehren-Wagenmeister“ nennen. Dass er großen Rückhalt im Kreise der Schausteller genießt, wie Glogger zuvor betonte, wurde durch den Applaus offensichtlich. Keiner der Anwesenden hielt es auf den Sitzen, als er vom Pfälzer Schausteller-Bund ein kleines Holzpferd überreicht bekam. Eine Miniatur eines Pferdes, wie man es auf den nostalgischen Karussells kennt. Ein noch größeres Exemplar bekam Roland Poh überreicht – für sein 25-jähriges Dasein als Marktmeister. „Letztes Jahr habe ich meinen 25. Wurstmarkt gefeiert“, erklärt Poh, um auch eine Verbindung zum 600. Wurstmarkt herzustellen. Die Zählweise werde in Dürkheim eben „knüppelhart durchgezogen“. Warum der 61-Jährige dann aber nicht bereits im letzten Jahr zum 25. geehrt worden ist – wegen der besonderen Dürkheimer Zählweise – wurde nicht näher erklärt. Sei’s drum, im nächsten Jahr wird Poh wohl noch mehr Dankesworte und Geschenke entgegennehmen, denn dann winkt sein Abschied – interpretiert man die bisherigen Ankündigungen richtig. Auch René Bauer hat davon gehört, „dass Du Dich sich so langsam von Deiner Aufgabe als Marktmeister zurückziehen willst“. Christoph Glogger bescheinigte dem von seiner Ehrung überraschten Poh, sich unermüdlich und mit „Leib und Seele“ für den Erhalt und die Weiterentwicklung des Wurstmarktes eingesetzt zu haben. Dabei sei der Marktmeister trotz allen Stresses stets ausgeglichen und fröhlich. Auch nach diesen Worten erhoben sich alle Gäste beim Applaus. Dabei hatte man bei den Ehrungen zuvor schon den Eindruck gehabt, dass es mehr Wurstmarkt-Einsatz gar nicht mehr geben kann. Bei der Familie Schneider aus Mannheim zum Beispiel, lässt sich die ununterbrochene Wurstmarkt-Teilnahme bis auf das Jahr 1916 zurückverfolgen. Der Urgroßvater, ein Wachstuchhändler, hat vor 100 Jahren die Wuma-Tradition begonnen, es gab einen Schokoladenstand und heute sichert die Existenz eine Kartoffelmühle. 50 Jahre lang ist Luzie Roloff aus Stuttgart mit einem Süßwaren-Stand vertreten. „Ich weiß, dass ihr Mann immer etwas Besonderes an die gebrannten Mandeln hinzugab“, verriet Poh den Anwesenden und traute sich auch, das Geheimnis in der Runde zu verkünden. „Amaretto!“ Dass es letztlich Bacadi war, wie Roloff dann berichtigte, trug bei den Gästen zu noch größerer Erheiterung bei. Während die Familie Roloff die Mandel-Herstellung beherrscht, weiß die Familie Roscher, wie man saftige Reibekuchen macht. „Eines der besten Unternehmen“ sei die Darmstadter Firma Roscher, betonte Poh und herzt die Firmenchefin, die vom Schausteller-Bund als „Tante Paula“ auf der Bühne begrüßt wurde. Seit 50 Jahren hält sie dem Wurstmarkt die Treue. Auf 25 Jahre bringt es Peter Heitkamp. Mit seinem Sohn Carlo betreibt er eine Mühle auf dem Wurstmarkt – laut Poh ein „Vorzeigebetrieb der Gastronomiebranche“. |led

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