Kreis Bad Duerkheim „Ablehnung in Bevölkerung wächst“

Das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP ist derzeit wieder in aller Munde. Nicht zuletzt nach den Veröffentlichungen durch Greenpeace. Heute gibt es einen Diskussionsabend zum Thema. Arzt und Attac-Mitglied Werner Gallo (64) ist Sprecher des Speyerer Bündnisses gegen TTIP, CETA und TISA. Im Gespräch erläutert er die Gründe dieses Engagements.

Herr Gallo, Privatisierung, Entdemokratisierung, das Ende des öffentlichen Dienstes: Wovor hat das Stadtbündnis gegen TTIP Angst?

Wir haben keine Angst, sondern gute Gründe dagegen zu sein. Die Freihandelsverträge TTIP, CETA (Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen) und TISA (Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen) zwischen EU und USA beziehungsweise Kanada und die „Freihandelsverträge“ EPAS mit den afrikanischen Staaten spielen bei der globalen Durchsetzung neoliberaler Politik eine bedeutende Rolle. Schon während der Verhandlungen werden Lobbyisten bestimmen wo es lang geht – und zwar in allen Bereichen. Mit welchem Ziel hat sich das Speyerer Bündnis vor einem Jahr gegründet? Es ging uns zunächst darum, die seit rund drei Jahren laufende Kampagne auf Bundesebene gegen TTIP auch auf Stadtebene in einem Bündnis zu konzentrieren und die Aufklärung weiter voranzubringen. Wir haben immerhin zehn Gruppen zusammenbekommen: BUND, Attac, Deutscher Gewerkschaftsbund, Verdi-Vertrauensleute, NABU, Weltladen, Rosa-Luxemburg Club, Mechtersheimer Hofladen, Die Grünen und die Linken. Welche Auswirkungen befürchten Sie konkret für Speyer? Eine an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Kommunalpolitik ist mit TTIP nicht mehr möglich. Mögliche Szenarien: Wer eine Volkshochschule subventioniert, muss auch internationale Bildungsanbieter bezuschussen. Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken müssen Finanzkonzernen zum Kauf angeboten werden. Eine Ausrichtung an der Gemeinnützigkeit ist Vertragsbruch. Wo Feuerwehr, Rettungswesen, Gesundheitsversorgung, Wasser- und Stadtwerke, Justizvollzug, Schwimmbäder, Theater, Müllentsorgung oder Recyclingsysteme als kommunale Dienstleistung betrieben werden, kann eine Privatisierung eingeklagt werden. Fracking kann erzwungen werden. Investoren können gegen kommunale Gebühren klagen. Was hat das Bündnis bisher erreicht? Wir spüren, dass die Ablehnung der Freihandelsverträge in der Bevölkerung wächst. Konnten Sie auch Entscheidungsträger überzeugen? Die Entscheidungsträger, die ich kenne, sind sowieso dagegen. Mit TTIP-Befürwortern hat es bisher noch keine Diskussion gegeben. Was würde sich in Speyer konkret ändern, wenn TTIP kommt? Zunächst erwarten wir große Verunsicherung. Mindestens mittelfristig, wenn die Investor-Staat-Klagen Schule machen, könnte sich die Stadt von Gestaltungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten in vielen Bereichen verabschieden. Sie wäre nicht mehr Herr des Verfahrens. Betroffen sind öffentliche Energie-, Wasser- und Entsorgungsdienstleister, die Förderung regional-saisonal-orientierter Produktion, Handel, Handwerk, Fair Trade, öffentlicher Personenverkehr, Schulen, Volkshochschule, Jugendförderung, Krankenhäuser, Rettungsdienste, Pflege, Kulturförderung, Sparkasse. Rheinland-Pfalz kann das Freihandelsabkommen im Bundesrat ablehnen. Glauben Sie nach der Landtagswahl noch daran? Nein. SPD und FDP sind für die Freihandelsverträge. Wie will das Bündnis weiterarbeiten? Heute veranstalten wir einen Vortrags- und Diskussionsabend. Am 4. November wird das Theaterstück „Stille Macht“ zum Thema Freihandel in Speyer aufgeführt. Gibt es Möglichkeiten zur Fortsetzung des Bündnisses auch nach einer eventuellen Zustimmung zu TTIP? Dann würde Weitermachen umso notwendiger. Gibt es mehr Lust oder mehr Frust bei den Bündnismitgliedern? Weder noch! Ich habe den Eindruck, dass das Bedürfnis groß ist, sich auszutauschen und nach Alternativen zu suchen. Der Zustand der Welt, den wir hautnah durch die Flüchtlinge erleben, erlaubt keine Resignation. Und bei Ihnen? Ich halte eine bessere Welt für möglich – und den Flug zum Mars auch. Termin Vortrags- und Diskussionsabend heute, 19.30 Uhr, Ägidienhaus, Thema: „Für eine Enkel-taugliche Welt – Warum wir keine Freihandelsabkommen wie TTIP, CETA und TISA brauchen“, Referent: Harald Klimenta, Physiker und Autor.

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