Donnersbergkreis Rockenhausen: Autozulieferer Adient hat neue Presse

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In 13 Arbeitsschritten formt die neue Presse der Firma Adient im Rockenhausener Werk Stahlplatinen zu Sitzschienen um. In einer guten Acht-Stunden-Schicht kann die Mammut-Maschine rund 20.000 Exemplare produzieren, im Jahr sollen es zwölf Millionen sein. Seit Februar ist die Anlage in Betrieb.

Presskraft: 1600 Tonnen. Volumen: über 1100 Kubikmeter. Kosten: rund 7,6 Millionen Euro. Die neue Presse des Autozulieferers Adient zur Herstellung von Sitzschienen ist eine Maschine der Superlative. Doch sie kann über die nackten Zahlen hinaus als Symbol verstanden werden – für geballte Nordpfälzer Kompetenz.

Seit Februar ist der 400-Tonnen-Koloss in Betrieb. Bislang läuft die von der Firma Schuler in Göppingen hergestellte, mit der hochmodernen Servo-Technologie arbeitende Presse reibungslos. Das bestätigt beim Besuch der RHEINPFALZ nicht nur der Anlagenführer, sondern auch der Plant Manager (Werkleiter) des Werkes Rockenhausen, Martin Queck. „Natürlich müssen auch die Mitarbeiter erst lernen, mit der neuen Maschine umzugehen, hier und da wird noch nachjustiert“, sagt Queck. Dafür sorgt nicht zuletzt ein Fachmann des Herstellers, der den die Presse bedienenden Adient-Beschäftigten in der Anlaufphase zur Seite steht. Nüchtern betrachtet, kann der weltweite Marktführer für Komplettsitze den rapide steigenden Bedarf an Sitzschienen mit der Mammut-Anlage decken: Diese soll pro Jahr zwölf Millionen Exemplare produzieren. Zusammen mit den bisherigen Pressen könnte der Autozulieferer – der bis 2011 unter dem Namen Keiper firmierte und nach dem Verkauf bis zur Gründung von Adient 2016 zum US-Konzern Johnson Controls gehörte – die jährliche Stückzahl auf 28 Millionen steigern. Die neue Presse ist aber auch ein Zeichen der Stärke des Rockenhausener Werkes und seiner Mitarbeiter – sowohl innerhalb des Unternehmens als auch nach außen gegenüber der Konkurrenz. Diese erreicht laut Queck „derzeit einen Hub von 20 bis 26 pro Minute“. Hub bezeichnet die Anzahl der hergestellten Sitzschienen – Adient peilt hier einen Minuten-Wert von 50 an. Queck betont, dass „wir damit die Benchmark“ – also das, was weltweit als bestmögliche Marke angesehen wird – „praktisch Monat für Monat widerlegen“. Die Anlage sieht er „als nächsten Innovationsschritt, mit dem wir uns noch mal ein Stück Vorteil gegenüber anderen Zulieferern erarbeiten können“. Dennoch: Richtig zur Geltung kommt die Maschine nur, wenn auch das Drumherum stimmt. Dazu zählt die jahrelange Erfahrung der früheren „Keiperianer“ ebenso wie das immense Know-how bei der Fertigung der in der Presse zum Einsatz kommenden Werkzeuge. Für „extrem wichtig“ hält Queck, dass es in Rockenhausen seit Jahrzehnten einen eigenen Werkzeugbau gibt. Doch nicht nur gegenüber den Mitbewerbern im Haifischbecken der Autozulieferer – weltweit zählt Adient (238 Standorte; Umsatz 2017: 16,2 Milliarden Euro) hier zu den Top 5 –, sondern auch firmen-intern wohnt der Presse eine gewisse Symbolik inne. Denn beim Kauf von Keiper hatte Johnson Controls gemäß seiner Strategie, für die einzelnen Sitzkomponenten den jeweils Besten in den Konzern zu holen, vor allem ein Produkt im Visier: den schon legendär zu nennenden Lehneneinsteller Taumel 2000, der in alle gängigen Fahrzeugtypen passt. Seit dem Start 1996 wurden über 700 Millionen dieser Standardmodule – zu denen neben der Dreh- auch die Hebel-Variante Lever zählt – produziert; von der Nachfolge-Generation 3000 sind es bis dato schon wieder über zehn Millionen. Für das Herstellen der Schienen, die das Verschieben von Autositzen nach vorne und hinten ermöglichen, hatte sich der US-Riese dagegen ursprünglich die Solinger Firma Hammerstein geangelt. Dann habe Johnson Controls jedoch „alle Produkte auf den Tisch gelegt“ und knallhart aussortiert, so Queck. Mit dem Ergebnis, dass die Nordpfälzer nicht nur bei den Lehneneinstellern, sondern auch bei den Sitzschienen den Zuschlag erhalten haben. „Sie erfüllen eben die Anforderungen der Kunden am besten“, zeigt sich der Werkleiter erfreut über die Entscheidung, die auch nach dem Übergang zu Adient Bestand hat. Somit werden „für alle Projekte, die an- und hochlaufen“, die Schienen in Rockenhausen gefertigt – genauer gesagt das Modell Track 2000, eine Entwicklung von Keiper. Um den daraus folgenden Volumenanstieg bewältigen zu können, habe die Unternehmensleitung die Finanzmittel für die dringend benötigte Anlage freigegeben. Deren Bau sei eine „riesige Herausforderung“ gewesen, betont Queck – nicht nur zu sehen an der Dauer vom Start des Vorhabens im November 2016 bis zur Inbetriebnahme vor einigen Wochen. So hat die Firma Schuler am Sitz in Göppingen die Presse zunächst zusammengebaut und getestet, dann wieder demontiert und in die Nordpfalz gebracht. Hier waren etliche Veränderungen notwendig, um das Ungetüm in das Gebäude zu integrieren. Allen voran ein gigantisches, mit 64 jeweils elf Meter langen Bohrpfählen gegründetes Fundament. Dieses fängt die Schwingungen auf, die von den 1600 Tonnen Presskraft ausgelöst werden. Doch so imposant diese und weitere Zahlen (siehe „Daten und Fakten“) sind – entscheidend für den hohen Wirkungsgrad der Presse ist etwas anderes: Das Zauberwort lautet „Servo-Technologie“, dank derer „es uns gelingt, die Hubzahl zu steigern und trotzdem den Umformungsprozess nicht negativ zu beeinflussen“, erläutert Queck. Auf dem Weg von der Stahlplatine zur Sitzschiene hat die Anlage 13 Arbeitsschritte zu bewältigen: schneiden, lochen, Anschläge herstellen und anderes mehr. Dazu wird das Teil automatisch von einer Stufe zur nächsten gelegt. „Je schneller der Motor läuft, umso schneller arbeiten die Werkzeuge“, so Queck. Das Problem von konventionellen Pressen: Beim Umformen darf die Geschwindigkeit nicht zu hoch sein, damit das Material nicht reißt. Das wiederum hemmt den gesamten Prozess und begrenzt die Stückzahl. Anders bei der Servo-Technik: „Sie ermöglicht es uns, das Tempo der einzelnen Schritte variabel zu gestalten. Wir können die Maschine schnell fahren und nur beim Umformen verlangsamen, was in der Summe die Hubzahl steigert“, erklärt der Werkleiter. Ein Quantensprung. Daneben tragen viele Details dazu bei, dass die Hersteller am Ende eine perfekte Schiene einbauen können. So stehen vor der Produktion zig Umformsimulationen, um Schäden und Ungenauigkeiten auf ein Minimum zu reduzieren. Gleiches gilt für ein Messverfahren, das Abweichungen von bis zu einem hundertstel Millimeter feststellen kann. Das alles führt dazu, dass in Rockenhausen Teile für das „Who is Who“ der Fahrzeugindustrie vom Band gehen: VW, Audi und BMW gehören ebenso zu den Kunden wie Daimler, Chrysler, Nissan oder Ford. Und gleichen sich auch die Profile der Sitzschienen, so unterscheiden sich doch die Anforderungen an Länge, Lochbild oder Lage der Anschläge. Auch darauf haben sich die Nordpfälzer Spezialisten eingestellt, die jetzt schon an der Entwicklung der nächsten Schienen-Generation Track 3000 arbeiten. Das sei aber auch notwendig, damit Adient im Allgemeinen, das Werk Rockenhausen im Speziellen, seine Spitzenposition behaupten kann, betont Queck: „Es ist sehr wichtig, dass wir uns mit dem einbringen, was wir an Know-how haben, damit wir auch künftig partizipieren können an Neuprojekten.“ Die 1600-Tonnen-Presse ist dabei nur ein Mosaikstein. Aber ein besonders großer.

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