Donnersbergkreis Mit Mut und Fantasie für den Frieden

Erhielt viel Beifall für ihre Lesung am Dienstagabend im Stadtpalais: Sumaha Farhat-Naser.
Erhielt viel Beifall für ihre Lesung am Dienstagabend im Stadtpalais: Sumaha Farhat-Naser.

«KIRCHHEIMBOLANDEN». Ihre Instrumente sind Worte und Taten, mit denen sie sich der Gewalt, Bedrohung und Einschränkung gegen ihr Volk entgegenstellt. Damit ist sie ein leuchtendes Beispiel für den friedlichen Weg in eine humane Welt. Man erfährt durch ihre Lesung im Museum im Stadtpalais Erschütterndes über den Alltag der Palästinenser, vor allem aber, was sie antreibt und was ihr die Kraft zu ihrem „Leben für den Frieden“ gibt. So heißt ihr fünftes Buch, eine Zusammenschau der vier vorherigen. „Ich wohne bei Jerusalem. Meine Familie kann ich zurückverfolgen bis ins 8. Jahrhundert. Meine Kinder kennen ihre Großeltern bis in den 43. Grad. So sind wir hier verwurzelt“, erklärt sie zu Beginn. Sie mischt Erläuterungen und Lesung in ihrem Vortrag. Traditionsgemäß hätte sie sich früh verloben müssen, sie setzt sich aber durch bis hin zu einem Studium in Hamburg. „Was ich heute bin, ist das Resultat meiner deutschen Erziehung, die in der Schule der Diakonissen in Beit Jala begann, und der Begegnung mit tausenden Menschen in Deutschland und in der Schweiz.“ Für sie gehörten Leiden, Freude, Schaffen und Entschlossenheit zusammen, wenn sie an ihre Heimat denke. Sie schreibt in ihrem Buch von der Sehnsucht nach dem Schatten der Olivenbäume, den Düften der Sträucher und dem Rauschen der Quellen. Eine doppelte Solidarität sei notwendig, erklärt die Moderatorin Ulrike Bauer zu Beginn der Lesung. Die Geschichte Palästinas sei verbunden mit der Idee der Wiedergutmachung für die Juden nach dem Holocaust. „Das Leiden der Palästinenser darf aber nicht sein. Wir müssen beide Seiten sehen. Heute werden wir den Blick besonders auf sie richten.“ Sie freue sich sehr über die zahlreichen Besucher, sagt Farhat-Naser. „Es tut gut, dass ich zu Hause erzählen kann: Ich war in einem Saal, wo die Leute sogar auf der Treppe saßen und mir zuhörten.“ Ihr Alltag ist geprägt und eingeschränkt durch den Bau der Mauern um die verbleibenden Inseln, in denen Palästinenser im Westjordanland leben dürfen. „Ich wohne eine halbe Stunde vom Flugplatz Tel Aviv entfernt. Ich darf aber nur von Amman aus fliegen. Nach vier Checkpoints und zwei Grenzübergängen brauche ich aber sieben bis acht Stunden zum Flughafen und bin froh, wenn ich überhaupt rechtzeitig durchkomme. Ich muss mindestens 150 Dollar bezahlen, um passieren zu können. Es ist ein Geschäft für andere und eine Qual für uns alle“, erklärt sie ihre Anreise. Das entspreche dem Alltag ihrer Landsleute. Täglich müssten sie zum Einkaufen und Arbeiten stundenlange Verzögerungen an den Übergängen ertragen. Und befürchten, dass Soldaten auf sie schießen. Nun erfahren die Zuhörer, wie sich die Autorin für einen friedlichen Weg mit Mut und Fantasie einsetzt: „Ich stelle mich den schießenden Soldaten entgegen. Eine Frau, eine in ihren Augen schwache Kreatur, konnten sie nicht attackieren. Der trauen Männer keinen politischen Mut zu. Bewaffnet mit unserer Schwäche setzen wir unser Frausein bewusst ein.“ Sie erklärte einem israelischen Soldaten: „Ich bin eine Frau. Ich kenne deine Mutter, weil ich auch eine Mutter bin. Wie schön sind deine Augen, du könntest mein Sohn sein. Ich habe nur Gutes im Sinn, ich bin eine Friedenserzieherin, niemand darf mich daran hindern.“ Er habe geantwortet: „Hätten wir mehr wie Sie, bräuchte ich diese Arbeit nicht zu tun.“ Zu einer abstrusen Szene kam es, als eine Soldatin an einem Kontrollpunkt erklärte, sie könne passieren, aber nicht ihr Knie aus Titan. Dafür brauche sie eine spezielle Identitätskarte. Hier half sich Farhat-Naser mit Humor, auch wenn sie zurückkehren musste und nicht zu ihrem Unterricht fahren konnte: „Ich könnte also ohne mein Knie passieren! Haben Sie einen Abstellplatz für mein Knie?“ Als Friedenserzieherin liegt ihr das Zusammenwirken von Israelis und Palästinensern sehr am Herzen. Ihre Landsleute möchte sie darauf vorbereiten und hat neun Schulen initiiert, in denen zwölf Mitarbeiterinnen für mehr als Tausend Schülerinnen wirken. „Ich arbeite mit Müttern, unterrichte sie in Frauen- und Menschenrechten, übe mit ihnen gewaltfreie Kommunikation, leite sie zu Handarbeiten an.“ Eines der Begegnungszentren hat sie dank Spenden in einer verfallenen Olivenmühle eingerichtet. Sie zeigt Bilder. Die Autorin erläutert erschreckende Zahlen zur Landnahme durch die Israeli. „563 Checkpoints behindern unsere Schöpfungskraft. Es ist humane Deportation, weil wir weggehen müssen und keine Existenzgrundlage mehr haben.“ Dennoch hofft sie langmütig: „Das Beste wäre ein gemeinsamer Staat für Israeli und Palästinenser, weil wir alle gleich sind. Wir können träumen, vielleicht geschieht es in 800 Jahren, bis dahin sind wir erkrankt an Nationalismus.“ Die Realität werde die Menschen zwingen, Wasser und Kultur seien allen gemeinsam. Ohne Fortbestand von Palästina wäre „es eine Verfälschung der Geschichte“, mahnt sie. Sie lässt sich tragen von Freude und Dankbarkeit und allem Schönen, was sie ihren Enkeln weitergeben kann. Die Hoffnung mache sie kreativ und gebe ihr den Mut, an ihre eigene Kraft zu glauben. Mehr zu den Literaturtagen: Auf Lokalseite 7 lesen sie heute Die Siegertexte im Schüler-Schreibwettbewerb.

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