Donnersbergkreis Kirchheimbolanden: 19-Jähriger steht wegen Todesfahrt vor Gericht

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Die beiden Fahrzeuge prallen bei dem Unfall frontal aufeinander. In einem der beiden Pkw starb ein Ehepaar.

Rockenhausen/Kirchheimbolanden/Alzey: An einem trüben Tag im Januar sterben auf der L 401 zwei Menschen. Die Eheleute aus Alzey haben keine Chance, als ihnen auf ihrer Fahrbahn ein Porsche in hohem Tempo entgegen kommt. Seit Donnerstag muss sich vorm Jugendschöffengericht in Rockenhausen der heute 19 Jahre alte Unfallverursacher verantworten.

„Gaaanz normal“ sei der Schulkamerad an jenem verhängnisvollen Tag gefahren. Ja. Ganz normal, eben so ein Stückchen oberhalb des erlaubten Höchsttempos – „wie das jeder macht“. Zehn Mal reichen nicht, so oft greift der Zeuge auf die Floskel „ganz normal“ zurück. Das Verhältnis zwischen den Klassenkameraden seither? Tja, das sei okay, ganz normal eben. Alles im grünen Bereich. Der 18-jährige Beifahrer gehört nach eigenem Bekunden nicht zu jenen, die bis heute an den Folgen des Geschehens leiden. Dabei hätte er an jenem 16. Januar dieses Jahres selbst den Tod finden können. Der Schüler saß neben dem Fahranfänger, der an diesem Dienstagnachmittag um 15.52 Uhr auf der Landesstraße zwischen Kirchheimholanden und Morschheim frontal in einen BMW X3 kracht. Weil er eben ab einem gewissen Moment gar nicht mehr „normal“ gefahren sein kann. Trotz doppelt durchgezogener Linie und eindeutiger Schilder war der damals 18 Jahre und gut acht Monate alte Beschuldigte auf eine der beiden Gegenfahrbahnen ausgeschert, um eine Wagenkolonne zu überholen.

Staatsanwältin fährt schwere Geschütze

All dies ist Fakt, mehr als hinreichend belegt durch die Aussagen mehrerer Zeugen und den Inhalt eines umfangreichen Gutachtens zum Unfallhergang. Seit Donnerstagvormittag aber stellt sich die Frage, wie das Verhalten des Angeklagten denn nun strafrechtlich zu würdigen ist. Bei der Hauptverhandlung am Donnerstag vor dem Jugendschöffengericht am Amtsgericht Rockenhausen fuhr die Staatsanwältin schwere Geschütze auf. Vorsätzliches grob verkehrswidriges Verhalten, vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs, rücksichtsloses Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit, wodurch er schließlich den Tod zweier Menschen verursacht haben soll. Die Vorwürfe zielen auch auf den noch jungen Straftatbestand ab, der im Oktober ins Strafgesetzbuch unter dem Paragrafen 315d Einzug gehalten hat. „Verbotene Kraftfahrzeugrennen“ ist diese Normierung überschrieben. Allerdings bedarf es nicht zweier in einer Art Wettkampf gegeneinander antretender Raser, um diesen Tatbestand zu erfüllen. Schuldig kann sich schon machen, wer grob fahrlässig und rücksichtslos das Gaspedal durchtritt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.

Eine Freundin zum Training bringen

So zielten denn am Donnerstag auch einige Fragen des Gerichts sowie der Nebenklage in genau jene Richtung: Ob der Angeklagte mit dem hochmotorisierten Porsche habe angeben, das Leistungsvermögen austesten wollen? Ob er dem Beifahrer gegenüber Bemerkungen gemacht habe nach dem Motto: Wollen doch mal sehen, was die Karre hergibt. Nein, dies ganz und gar nicht. Normal sei er gefahren, meinte der Beifahrer lapidar. Man sei unterwegs gewesen, um den Sohn der Porschehalterin – eine Freundin der Familie des Angeklagten – in Kirchheimbolanden abzuholen und zum Training zu bringen. Solche Gefälligkeitsfahrten habe der 19-Jährige schon öfter unternommen und dafür den Porsche nutzen dürfen.

Ein Polizist kann sich gut erinnern

Der Zeuge räumte auch ein, dass man „vielleicht ein bisschen spät dran“ gewesen sei. Verzug ja – aber nicht, dass der Schulfreund deswegen schneller gefahren sei. Und: Ja, er habe unterwegs schon vor der neuralgischen Stelle Autos überholt. „Hätten Sie das auch gemacht?“, wollte der Vorsitzende Richter gerne wissen. „Kommt darauf an, mit welchem Auto...“, entgegnete der Zeuge. Aber er räumte denn doch ein: Als der Kumpel trotz des Überholverbots nach links gezogen habe, da habe er selbst gedacht: Das geht doch jetzt an dieser Stelle gar nicht. Der Polizei gegenüber hat der Beifahrer davon gesprochen, dass der Schulkamerad in einem Moment „ausgerastet“ sei. Der Zeuge selbst hat dieses Wort am Donnerstag nicht gebraucht, ein Polizist aber konnte sich noch gut daran erinnern. Nur zu „gut“ – beziehungsweise schlimm – ist die Erinnerung vieler weiterer Menschen, die zur Unfallstelle kamen. Die Insassen der Autos, die der Beschuldigte überholt hat, wurden am Donnerstag gehört, ebenso ein Arzt, der den Tod der beiden Unfallopfer feststellte. „Da war gleich klar, da ist nichts mehr zu machen.“ Die Wirbelsäule der Frau sei unnatürlich überdehnt gewesen. Der Mann habe sich noch geregt, der Zustand seines Brustkorbs aber habe schon Gewissheit keimen lassen, dass da jede ärztliche Kunst zu spät komme. Der Arzt berichtete von Helfern, die – nachdem sie getan hatten, was sie nur tun konnten – weinend bei den Autowracks umhergegangen seien.

Uneinigkeit über Geschwindigkeit

Und der Angeklagte selbst? Er hat zu dem Unfallgeschehen am Donnerstag keinen Ton verlauten lassen. Er könne sich an nichts mehr erinnern, habe überhaupt keinerlei Erinnerung mehr an diesen Tag, wisse nur noch, dass er am Abend zuvor im Training war, dass er am Morgen in der Schule gewesen sein muss. Aber sonst? Gar nichts mehr. Sein Verteidiger indes versicherte: Das bedeute nun keineswegs, dass sein Mandant irgendetwas in Abrede stellen wollte. Dass er trotz Verbots überholt habe, das müsse man angesichts der Beweislage selbstverständlich einräumen. Zudem erinnerten die erlittenen Verletzungen den 19-Jährigen ständig an das Geschehene. Vor allem die Folgen einer Wirbelverletzung machten dem begeisterten Fußballer zu schaffen. Fahrer und Insassen der überholten Autos taten sich schwer mit der Einschätzung, wie schnell der Cayenne wohl gewesen sei. Eine Zeugin beharrte, sie habe den Tempomat auf 100 eingestellt, als der Porsche sie locker überholt habe. Ein anderer sagte, er sei gemütlich mit etwa 90 gefahren. Der Porsche? Na, vielleicht so 120, 130. Andere sprachen von Tempo 150.

Keinerlei Bremsspuren

Ein technischer Sachverständiger kam am Donnerstag am späten Nachmittag zu Wort. Nach mehr als einstündigen Erläuterungen ließ er verlauten, dass dem Angeklagten – zu seinen Gunsten gerechnet – eine Geschwindigkeit von „zwischen 86 und 98 Kilometern pro Stunde“ gerichtsverwertbar nachzuweisen seien. Er könne aber auch durchaus schneller gewesen sein, so er denn kurz vor dem Zusammenstoß noch gebremst haben sollte. Das aber lasse sich nicht nachweisen – die Fahrzeuge modernen Typs hinterließen ja keinerlei Bremsspuren mehr. Die Verhandlung wird am Freitag, 24. August, um 9 Uhr fortgesetzt.

Schauplatz der juristischen Aufarbeitung eines tödlichen Unfalls: das Amtsgericht Rockenhausen.
Schauplatz der juristischen Aufarbeitung eines tödlichen Unfalls: das Amtsgericht Rockenhausen.
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