Karlsruhe „Wir werden kämpfen!“

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Philippsburg: Fassungslosigkeit, Trauer und auch Wut äußern die Mitarbeiter nach einer Betriebsversammlung von „Goodyear“. Die Geschäftsführung nennt die Schließung des Werks alternativlos. Der Bürgermeister sagt, er habe noch vor Wochen von geplanten Investitionen gehört.

„So eine Sauerei“ oder „Wir werden kämpfen“ ist zu hören. Die Belegschaft zeigt Flagge und will sich mit der Schließung des „Goodyear“-Werkes in Philippsburg nicht abfinden. Zwar glaubt niemand so richtig daran, dass die Schließungspläne gekippt werden können, aber ans Aufgeben wird bei der Kundgebung auch nicht gedacht. „Heute war der erste Abschlag“, sagt Horst Haag, der Betriebsratsvorsitzende. Man werde mit der Geschäftsführung in Verhandlungen treten, aber dabei solle es, zumindest zunächst, ausschließlich um den Erhalt des Standortes gehen. Haag berichtet: „Auf der Versammlung gab es aus den Reihen der Beschäftigten einige konstruktive Vorschläge, wie der Standort erhalten werden kann.“ Mit rund 890 Beschäftigten ist „Goodyear“ für die Stadt Philippsburg der größte Arbeitgeber. Etwa die Hälfte der Belegschaft kommt aus dem Umland – bis tief in die Pfalz hinein. So auch Timo Marz, dessen Lebensgefährtin mit dem kleinen Sohn vor dem Werkstor wartet. Die noch junge Familie wohnt bei Neustadt. „Seit zwei Jahren hatte mein Freund immer wieder Zeitverträge bekommen. Seit Juli hat er endlich eine Festanstellung und nun das. Dabei war er so stolz endlich richtig bei Goodyear zu sein“, erzählte Alisa Wiedemann. Sie hatten sich daraufhin eine neue Wohnung, ein neues Auto geleistet. Ein Schicksal von 890, mit Auswirkung auf die ganze Familie. Rechnet man das hoch sind mehr als 2600 Menschen mittelbar oder unmittelbar von einer Schließung betroffen. Ein Schicksal, das den Bürgermeister von Philippsburg, Stefan Martus, betroffen macht. Er werde mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln um den Erhalt des Standortes kämpfen und stehe an der Seite der Beschäftigten, sagt er. Erst vor wenigen Wochen habe die Geschäftsführung mit ihm über geplante Investitionen gesprochen. Warum jetzt die Schließung des Werkes verkündet werde, sei für ihn nicht nachvollziehbar, so Martus. Noch am Abend traf sich der Bürgermeister mit Vertretern des Betriebsrates, der Gewerkschaft sowie Bundes- und Landespolitikern zum Gespräch. „Die Entscheidung des Arbeitgebers ist ein harter Schlag für das Werk Philippsburg, den wir so nicht einfach schlucken werden“, sagt Karsten Rehbein, zuständiger Gewerkschaftssekretär der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) Karlsruhe. Er kündigt an: „Für das Reifenwerk und den Erhalt der Arbeitsplätze werden wir kämpfen.“ – Und zwar mit wirtschaftlichen Argumenten für einen guten und regional wichtigen Standort und obwohl Jürgen Titz, Vorsitzender der Geschäftsführung, Goodyear Dunlop Tires Deutschland, Österreich, Schweiz, auf der Versammlung von einer „alternativlosen Entscheidung“ gesprochen habe. Gemeinsam mit dem benachbarten Logistik-Zentrum liegt das „Goodyear“-Werk an einer verkehrstechnisch bedeutsamen Schnittstelle zu vielen Absatzmärkten, sagt Rehbein. Es gebe keinen Grund zu Schnellschüssen. Vielmehr sollten notwendige Investitionen, unter anderem für den Bereich der Premiumreifen mit großen Zollgrößen, freigegeben werden, damit in Philippsburg noch profitabler gearbeitet werden könne. Dass dies machbar ist, davon ist auch Betriebsrat Peter Braach überzeugt. Seit 30 Jahren ist er dem Werk verbunden. Info Am Dienstag, 8. November, 18 Uhr, findet eine öffentliche Gemeinderatsitzung in der Festhalle Philippsburg statt. Einziger Punkt auf der Tagesordnung: „Goodyear“ soll sich der Bevölkerung stellen.

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