Karlsruhe Metall und Medikament

Alexander Gerst, derzeit in Köln am Europäischen Astronautenzentrum (EAC) stationiert, ist gut fünf Monate nach seiner Rückkehr von einem fast halbjährigen Forschungsaufenthalt in der Internationalen Raumstation (ISS) mit der Nachbereitung seiner Mission beschäftigt. „Ich erledige viele administrative Aufgaben, etwa das Erstellen und Überarbeiten von Berichten über das Funktionieren verschiedener Systeme bei meinem Weltraumflug“, sagt Gerst. „Außerdem helfe ich Kollegen mit Tipps, die sich gerade auf ihren Flug in den Weltraum vorbereiten.“ Ein weiterer Schwerpunkt seiner aktuellen Tätigkeit ist die Auswertung der weit über 100 Experimente, die der promovierte Geophysiker in der Internationalen Raumstation durchführte. Auf seine beiden Vorträge im Technik-Museum – am Freitagabend für geladene Gäste, darunter Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die das Grußwort spricht, am Samstag für alle Museumsbesucher – freut sich Gerst bereits. „Die Darstellung der Perspektive, die ich im Weltraum als Mensch bekomme, gehört zu meinen Aufgaben als Astronaut. Das finde ich sehr wichtig.“ Dem Raumfahrer aus Baden-Württemberg geht es darum, die Einmaligkeit und Schutzwürdigkeit des „blauen Planeten“ zu betonen und Wissen über Experimente auf der Raumstation zu vermitteln, die nirgendwo sonst möglich sind. „In Speyer gibt es ein sehr interessiertes Publikum, die Besucher dort sind Technik-Fans wie ich selbst“, sagt der in Künzelsau geborene Astronaut. Vor etwa zwei Jahren besuchte er schon einmal mit Freunden das Technik-Museum und schaute sich neben der Raumfahrt-Ausstellung die vielen Flugzeuge, Autos und Lokomotiven mit Begeisterung an. Diesmal wird Gerst, wie er ankündigt, mehrere persönliche Gegenstände, die er im Weltraum dabei hatte, mitbringen und Ausstellungsleiter Gerhard Daum als Leihgaben überreichen. Als der 38-Jährige Ende Mai 2014 auf der ISS angekommen war, suchte er beim Blick auf die Erde aus rund 400 Kilometern Entfernung als Erstes nach Köln – der Stadt, in der er den Großteil seiner Astronauten-Ausbildung absolvierte – und fand stattdessen Speyer: „Ich habe einen Abschnitt des Rheins mit vielen Altrheinschleifen entdeckt und fotografiert. Später bemerkte ich, dass es sich um Speyer handelt“, berichtet Gerst. Denn vom Weltraum aus gesehen, seien die Räume auf der Erde klein. Beim Blick auf Köln etwa könne man zugleich Island und die Türkei sehen. Mit Begeisterung spricht der Geophysiker über die Experimente, die er im Forschungslabor Columbus der ISS durchführte. So nahm er einen Schmelzofen in Betrieb, der die Herstellung von Legierungen – Mischungen von Metallen – aufgrund der Schwerelosigkeit ohne Kontakt zu einem Gefäß ermöglicht. Mit der Methode könnten neue Verbindungen gefunden werden, etwa zum Bau effizienterer Turbinen-Schaufeln für Flugzeuge. Neueste Halbleiter seien ein weiterer Forschungsgegenstand gewesen. Sie könnten die nächste PC-Generation begründen. Andere Untersuchungen drehten sich laut Gerst um Stoffwechselvorgänge bei Muskel- und Knochenschwund – Phänomene, die bisher nach einiger Zeit in der Schwerelosigkeit zu beobachten waren. Dank neuartiger Kraftübungen hat der 38-Jährige nach eigener Auskunft auf der ISS aber sogar an Muskelmasse zugelegt. Somit könnten Menschen, die unter Muskelschwund leiden, von der neuen Trainingsmethode profitieren. Außerdem dürften Patienten mit Knochenschwund (Osteoporose) auf verbesserte Medikamente wegen Erkenntnissen aus der Weltraumforschung hoffen.

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